OGH 5Ob276/02b

OGH5Ob276/02b17.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshof Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshof Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Peter V*****, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dkfm. Mag. Wolf Dieter R*****, 2. Dr. Peter N*****, 3. C*****, 4. Dr. Fritz B*****, 5. Christiane E*****, 6. Ingeborg S*****, 7. Erwin H*****, 8. Herta de B*****, 9. Constantin de B*****, 10. Heidrun B*****, 11. Hubert F*****, 12. Eva F*****, 13. Dr. Erich F*****, 14. Dr. Monika F*****, alle vertreten durch Franz Paleczek, Immobilienverwalter, 1050 Wien, Schönbrunner Straße 112, dieser vertreten durch Mag. Alexander Paleczek, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 2.951,19 (§ 45 MRG), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. August 2002, GZ 38 R 154/02g-13, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. April 2002, GZ 45 Msch 76/01i-7, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist mit seinem Begehren, die Antragsgegner hätten ihm nicht verbrauchte Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge (EVB) aus der Zeit von Oktober 1991 bis Februar 1994 von zusammen EUR 2.951,19 zurückzuzahlen, sowohl bei der Schlichtungsstelle der Stadt Wien als auch dann bei dem gemäß § 40 Abs 1 MRG angerufenen Erstgericht unterlegen. Da der Sachantrag erst am 31. 5. 2000 bei der Schlichtungsstelle eingelangt ist, sei nämlich - so das Erstgericht - der am 1. 2. 1997 fällig gewordene Rückzahlungsanspruch gemäß § 1486 Z 4 ABGB verjährt. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Es gehe um Mieteransprüche im Sinne der Z 4 des Art II Abschnitt II des 3. WÄG. Dabei sei der Beginn des Fristenlaufes eindeutig, werde doch die Fälligkeit derartiger Rückforderungsansprüche im Gesetz selbst mit spätestens 31. Jänner 1997 definiert (vgl Würth/Zingher WohnR 94 FN 6a zu Art II Abschnitt II 3. WÄG). Hingegen werde in der zitierten Norm keine konkrete Verjährungsfrist bestimmt, weshalb zu untersuchen sei, welche Frist zur Anwendung gelangt. Nicht zu folgen sei in dieser Frage der Rechtsansicht des Erstgerichtes, das von einer unmittelbaren Anwendung der kurzen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB ausging. Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung würden nämlich von dieser Norm Ansprüche des Mieters aus dem Bestandverhältnis nicht umfasst (vgl Schubert in Rummel2, Rz 8 zu § 1486 ABGB mwN; Mader in Schwimann2, Rz 13 zu § 1486 ABGB).

Auch § 27 Abs 3 MRG könne auf die verfahrensgegenständlichen Ansprüche nicht unmittelbar angewendet werden, weil der äußert mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung abstecke (vgl Koziol/Welser I2, 22 mwN; Bydlinski in Rummel3, Rz 17 zu § 6 ABGB; Posch in Schwimann2, Rz 5 zu § 6 MRG; MietSlg 52.002/12). Dass der Antragsteller keinen "Anspruch auf Rückforderung der entgegen den Bestimmungen der §§ 15 bis 26 MRG vereinnahmten Leistungen" geltend macht, müsse nicht näher begründet werden. Daher könne auch die dreijährige Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG nicht unmittelbar zur Anwendung gelangen.

Dennoch treffe nicht zu, dass deshalb die Ansprüche des Antragstellers unter die 30jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB fielen.

Da es der Gesetzgeber des 3. WÄG unterlassen habe, eine eigene Verjährungsfrist zu schaffen, liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor (vgl Bydlinski aaO Rz 2 ff). Diese Regelungslücke sei mit Hilfe der Analogie zu schließen (vgl 5 Ob 128/01m mwN). Bei der Schaffung der hier interessierenden Norm sei es dem Gesetzgeber des 3. WÄG darum gegangen, die "alten" (rückzahlbaren) EVB möglichst schnell aus der Welt zu schaffen (vgl Würth/Zingher20, Rz 21 zu § 45 MRG; Tades/Stabentheiner, Das 3. WÄG ÖJZ 1994, Heft 1a, 18 f). Die Regel des § 45 Abs 7 MRG idF vor dem 3. WÄG hätte dazu geführt, dass jeweils erst nach Ablauf von 10 Jahren ab Einhebung der EVB zu prüfen gewesen wäre, ob der Vermieter die eingehobenen Beträge zur Finanzierung von (durch die Hauptmietzinsreserve) ungedeckten Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten verwendet hat. Das habe in der Vergangenheit zu schwierigsten Beweisproblemen geführt. Konsequenterweise sei deshalb auch schon zur Rückzahlungsverpflichtung nach § 45 Abs 7 MRG aF die analoge Anwendung der 3-jährigen Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG vertreten worden (vgl Würth/Zingher19, Rz 22 zu § 45 MRG). Bedenke man nun, dass es tragendes Motiv des Gesetzgebers bei der Schaffung der hier behandelten Rückzahlungsbestimmung war, nach Möglichkeit Verfahrens- und Beweisprobleme über die konkrete Verwendung der eingehobenen Beträge nach mehr als 10 Jahren zu vermeiden, erscheine es geradezu widersinnig, für die Rückforderungsansprüche des Mieters ab 1. 2. 1997 sogar die 30-jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB zur Anwendung zu bringen. Hier biete sich ein Größenschluss (vgl Bydlinski aaO, Rz 6 zu § 7 ABGB) geradezu an: Wenn sogar Mieteransprüche auf Rückzahlung überhöhter Mietzinse nach § 27 Abs 3 MRG schon nach drei Jahren verjähren, erscheine es mehr als naheliegend, dass umso mehr Ansprüche auf Rückzahlung von nicht verbrauchten EVB nicht erst nach 30 Jahren verjähren, zumal hier der Verfahrensaufwand zur Klärung der relevanten Tatfragen üblicherweise wesentlich größer sei. Daher sei in analoger Anwendung des § 27 Abs 3 MRG von einer 3-jährigen Verjährungsfrist auszugehen, was - wenngleich ohne nähere Begründung - auch von Würth in der Glosse zu WoBl 2001/51 vertreten werde. Im Ergebnis zutreffend habe daher das Erstgericht erkannt, dass zum Zeitpunkt der Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrages bei der Schlichtungsstelle (31. 5. 2000) die Ansprüche des Antragstellers bereits verjährt waren.

Dem unberechtigten Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen. Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Soweit ersichtlich habe nämlich der Oberste Gerichtshof zur hier interessierenden Frage der Verjährung der Mieteransprüche nach Art II Abschnitt II Z 4 des 3. WÄG noch nicht Stellung genommen. Im Übrigen erschienen die Rechtsausführungen zur Verjährung in MietSlg 52.499/19 = WoBl 2001/51 (diesbezüglich ablehnend: Würth) erläuterungsbedürftig, weil nicht erkennbar sei, aus welchen Erwägungen die 6 Monatefrist für die Abrechnung im Sinne § 45 Abs 2 MRG aF zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führen könne.

Gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichtes hat der Antragsteller fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn entweder so abzuändern, dass seinem Rückzahlungsbegehren (ATS 40.609,20 = EUR 2.951,19 samt 10 % USt und 4 % Zinsen seit 1. 2. 1997) stattgegeben wird, oder ihn zusammen mit dem Sachbeschluss des Erstgerichtes aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Antragsgegner haben sich dazu in einer Revisionsrekursbeantwortung geäußert und die Bestätigung der rekursgerichtlichen Entscheidung beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass es im gegenständlichen Fall - wie dies auch das Rekursgericht zum Ausdruck brachte - um einen auf Art II Abschnitt II Z 4 des 3. WÄG gegründeten Rückzahlungsanspruch geht. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt sich nämlich, dass sich "die Hausinhabung mit Schreiben vom 28. 2. 1994 (das im Haus auch kundgemacht wurde) verpflichtete, sämtliche vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG entrichteten und noch nicht bestimmungsgemäß verbrauchte Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge bis spätestens 31. 12. 1996 zur Finanzierung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten zu verwenden, eine derartige Verwendung der in Frage stehenden Mittel jedoch nicht erfolgte".

Auf dieser Basis erachtet der erkennende Senat die Entscheidung des Rekursgerichtes und deren Begründung für zutreffend, sodass auf sie verwiesen werden kann (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528a, § 510 Abs 3 Satz 2ZPO). Die analoge Anwendung der Verjährungsbestimmung des § 27 Abs 3 MRG auf die Rückerstattung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen, die trotz gegenteiliger Zusage des Vermieters iSd Art II Abschnitt II Z 4 des 3. WÄG nicht bestimmungsgemäß bis zum 31. 12. 1996 verbraucht wurden, gebietet sich schon deshalb, weil der Gesetzgeber - wie sich aus der Neufassung des § 45 MRG ergibt - eine noch stärkere Gleichstellung der EVB mit dem Hauptmietzinsen anstrebte, als sie der Gesetzeslage und Rechtspraxis vor dem 3. WÄG entsprach (vgl Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 8 zu § 45 MRG). Die Rückforderung nicht bestimmungsgemäß verwendeter EVB ist daher durchaus mit der in § 27 Abs 3 MRG geregelten Rückforderung unzulässig eingehobener Hauptmietzinse vergleichbar. Dass der auf Art II Abschnitt II Z 4 des 3. WÄG gegründete Rückerstattungsanspruch nach 3 Jahren (am 1. 2. 2000) verjährt sind, entspricht denn auch der Lehre (Würth zu WoBl 2001/51).

Die dagegen vom Revisionsrekurswerber vorgebrachten Argumente sind nicht stichhältig.

Soweit er sich darauf beruft, dass EVB stets nach Ablauf von 10 Kalenderjahren zurückzuzahlen sind (Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 21 [lit b] zu § 45 MRG), übersieht er, dass dies nur für Ansprüche gilt, die nach der vor dem 3. WÄG geltenden Fassung des § 45 MRG zu beurteilen sind, nicht aber für solche, die wegen einer durch Anschlag im Haus zwischen dem 1. 3. 1994 und dem 31. 5. 1994 kundgemachten Verpflichtungserklärung des Vermieters, die EVB bis 31. 12. 1996 vollständig zur Finanzierung von Erhaltungs- und/oder Verbesserungsarbeiten zu verwenden, dem Art II Abschnitt II Z 4 des

3. WÄG unterliegen. Die in der Entscheidung WoBl 2001/51 = MietSlg 52/19 angesprochene Abrechnungsproblematik stellt sich in diesem Fall nicht, weil die zuletzt genannte Gesetzesbestimmung die Rückerstattung der nicht bestimmungsgemäß verwendeten EVB bis spätestens 31. 1. 1997 vorschreibt.

Auch der Hinweis, dass § 1478 ABGB die allgemeine Verjährungsfrist mit 30 Jahren festsetzt und eine extensive Auslegung von Ausnahmeregelungen vermieden werden müsse, versagt. Ausnahmeregelungen - wie hier die Verjährungsbestimmung des § 27 Abs 3 MRG - sind der analogen Rechtsanwendung durchaus zugänglich (SZ 69/159 mwN ua). Im konkreten Fall ist sie durch die große Rechtsähnlichkeit zwischen Hauptmietzins und EVB auch gerechtfertigt. Soweit sich schließlich der Revisionsrekurswerber auf die für Kondiktionen geltende Verjährungsfrist von 30 Jahren beruft, ist ihm zu entgegnen, dass er den spezifischen Rückerstattungsanspruch nach Art II Abschnitt II Z 4 des 3. WÄG geltend gemacht und damit auch die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs begründet hat. Ein allfälliger Bereicherungsanspruch hätte andere Rechtsgrundlagen (der Revisionsrekurswerber nennt in diesem Zusammenhang § 1435 ABGB) und wäre - wenn überhaupt - nur im streitigen Rechtsweg durchzusetzen. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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