OGH 1Ob273/02g

OGH1Ob273/02g26.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Helmut Salzbrunn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 21.801,85 EUR sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2002, GZ 1 R 154/02b-27, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Vorliegen von Sittenwidrigkeit des Vertrags nach § 879 Abs 1 und § 879 Abs 3 ABGB ist vom Gericht nur dann zu prüfen, wenn eine solche geltend gemacht wurde, steht es doch dem verletzten Vertragspartner frei, ein Geschäft trotz sittenwidrigen Inhalts als gültig zu behandeln (SZ 60/35 mwN [Sittenwidrigkeit einer Konventionalstrafklausel]). Nach Ansicht der beklagten Partei ist die Einrede der Sittenwidrigkeit bereits im bloßen Bestreiten "einer aus einer Vereinbarung abgeleiteten Vertragspflicht" zu erblicken und führt für ihren Standpunkt die Entscheidung 3 Ob 2004/96v (= SZ 69/127) ins Treffen. Diese Entscheidung stützt ihre Argumentation indes nicht. Nach deren Sachverhalt war eine Haftungsfreizeichnungsklausel zu beurteilen, deren Nichtigkeit der Beklagte erst im Rechtsmittelverfahren behauptete, obgleich ein diese Rechtsansicht tragendes konkretes Tatsachenvorbringen in erster Instanz nicht erstattet worden war. Auch dort wurde betont, eine Nichtigkeit nach § 879 Abs 3 ABGB sei nur über Einwendung wahrzunehmen, wobei "eine zumindest schlüssige Geltendmachung durch ein entsprechendes Sachvorbringen" genüge. Ferner wurde festgehalten, die "teilweise Sittenwidrigkeit der ... zu beurteilenden vertraglichen Freizeichnungsklausel" liege auf der Hand, weil die Haftung der klagenden Partei "auch für Vorsatz und jede Art eines sonst groben Verschuldens ausgeschlossen" worden sei. Das stütze indes den Standpunkt des Beklagten nach dem sonst wesentlichen Sachverhalt wegen der gebotenen "geltungserhaltenden Reduktion" der betroffenen Vertragsklausel "auf den rechtlich erlaubten Inhalt" nicht. Nach dem Sinn dieser Entscheidung wäre daher die bloße Bestreitung einer Vertragspflicht höchstens dann auch als Einwendung deren Sittenwidrigkeit zu verstehen, wenn eine Nichtigkeit der insofern betroffenen Vertragsklausel gemäß § 879 Abs 3 ABGB - wie nach dem Sachverhalt der Entscheidung 3 Ob 2004/96v - geradezu auf der Hand läge. Diese Frage bedarf hier keiner weiteren Erörterung, ist doch die Sittenwidrigkeit der im Anlassfall maßgebenden Konventionalstrafklausel nicht offenkundig. Die beklagte Partei hätte somit in erster Instanz konkrete Tatsachen behaupten müssen, die nach ihrer Überzeugung die Sittenwidrigkeit der Konventionalstrafklausel indiziert hätten. Das erst im Rechtsmittelverfahren erstattete Vorbringen zur Sittenwidrigkeit ist somit als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

2. Die Revisionswerberin ist ferner der Meinung, die begehrte Konventionalstrafe sei zu kürzen, weil der klagenden Partei "ein eklatantes Verschulden ... am Scheitern der Vereinbarung" anzulasten sei. Die beklagte Partei beachtet jedoch nicht, dass aus den feststehenden Tatsachen ein solches, der klagenden Partei zuzurechnendes Verschulden nicht ableitbar ist. Insofern überging das Erstgericht auch keine Behauptungen der Revisionswerberin, sondern traf einerseits deren Standpunkt widersprechende Feststellungen und verdeutlichte andererseits, bestimmte von der beklagten Partei behauptete Tatsachen nicht feststellen zu können. Es kann daher auf sich beruhen, ob eine Kürzung der Konventionalstrafe in Betracht käme, wenn der klagenden Partei ein Mitverschulden an der Vertragsverletzung durch die Revisionswerberin zuzurechnen wäre. Soweit sich die beklagte Partei in der Zulassungsbeschwerde auf ihr Vorbringen in der Verhandlung vom 10. 1. 2002 (ON 15 S. 15) beruft, mangelt es dort an Tatsachenbehauptungen, die deren mangelndes Verschulden "an der vorzeitigen Vertragsauflösung" nahelegen könnten, erklärte doch der Beklagtenvertreter nach einer Frage des Erstrichters, "ob zum mangelnden Verschulden ein Tatsachenvorbringen erstattet werde", lediglich, "auf das heute durchgeführte Beweisverfahren" zu verweisen.

3. Die Revision ist somit nach allen bisherigen Erwägungen gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte