OGH 10ObS301/02s

OGH10ObS301/02s26.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schallhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Pavo T*****, Pensionist, *****, Bundesrepublik Jugoslawien, vertreten durch Dr. Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2002, GZ 10 Rs 111/02w-78, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 5. Juni 2001, GZ 24 Cgs 9/99k-60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 24. 1. 1946 geborene Kläger war in Österreich von 1967 bis 1977 als Hilfsarbeiter in einer Möbelfabrik beschäftigt. Dabei erwarb er insgesamt 120 Beitragsmonate. In Jugoslawien erwarb der Kläger durch eine Beschäftigung von 4. 5. 1977 bis 5. 9. 1994 insgesamt 208 Versicherungsmonate. Er hat von 1979 bis 1995 als Fahrer bei der Feuerwehr gearbeitet. Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger dabei Kenntnisse und Fertigkeiten entsprechend dem Lehrberuf Berufskraftfahrer erworben hat oder eine diese Qualifikation erfordernde Tätigkeit ausgeübt hat. Seit 5. 9. 1994 bezieht der Kläger eine Pension in Jugoslawien.

Unter Bedachtnahme auf das ihm verbliebene Leistungskalkül ist der Kläger noch in der Lage, einfachere Aufsichtsberufe in Form von Tagportier-Berufstätigkeiten in größeren Gewerbe- und Industriebetrieben (außer in Renommierbetrieben wie Banken, Versicherungen etc) auszuüben.

Mit Bescheid vom 18. 11. 1998 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 14. 10. 1997 auf Gewährung einer Invaliditätspension mangels Vorliegens von Invalidität abgelehnt.

Das Erstgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Der Kläger, dessen Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen sei, sei gesundheitlich noch in der Lage, einfachere Aufsichtsberufe in Form von Tagportierberufstätigkeiten auszuüben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Abgesehen davon, dass mangels eines am Stichtag 1. 11. 1997 in Kraft stehenden Abkommens über soziale Sicherheit zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien der Kläger die für die Gewährung einer Invaliditätspension erforderliche Wartezeit mit den von 1967 bis 1977 in Österreich erworbenen Versicherungszeiten nicht erfülle, liege Invalidität nicht vor, weil der Kläger nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das zwischen der Republik Österreich und den jugoslawischen Nachfolgestaaten vorerst weiter angewendete Abkommen über soziale Sicherheit vom 19. November 1965 (BGBl 1966/289) idF des Zusatzabkommens vom 19. März 1979 (BGBl 1980/81) und des zweiten Zusatzabkommens vom 11. Mai 1988 (BGBl 1989/269) wurde von der Republik Österreich gemäß seinem Art 48 zum 30. September 1996 gekündigt. Dies hatte zur Folge, dass im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zurückgelegte Versicherungszeiten für die Beurteilung der Erfüllung der Wartezeit nicht herangezogen werden konnten (SSV-NF 14/22 mwN).

Das zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien geschlossene Abkommen über soziale Sicherheit vom 5. 6. 1998 ist nach Ratifizierung am 1. 5. 2002 in Kraft getreten und im Bundesgesetzblatt am 4. 6. 2002 kundgemacht worden (BGBl III 2002/100). Die Bestimmungen dieses Abkommens, die sich auf den Erwerb und die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Sicherheit beziehen, sind ab dem 1. 10. 1996 auf Personen anzuwenden, auf die das zwischen den beiden Vertragsstaaten vor diesem Zeitpunkt in Geltung gestandene Abkommen über soziale Sicherheit anzuwenden war (Art 37 Abs 3 des Abkommens). Dies trifft auf den Kläger zu. Durch diese Regelung sollen die Rechte der vom gekündigten Abkommen erfassten Berechtigten gewahrt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind (Kodek in Rechberger, ZPO² § 482 Rz 11 mwN; RIS-Justiz RS0031419). Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechts, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen, selbst wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde (SZ 69/238; SZ 71/89 ua).

Der Kläger stellte den Antrag auf Gewährung der Invaliditätspension am 14. 10. 1997. Stichtag für die Überprüfung des Leistungsanspruchs ist gemäß § 223 Abs 2 ASVG der 1. 11. 1997. Dieser Zeitpunkt liegt im zeitlichen Rahmen, für den Art 37 Abs 3 des neuen Abkommens die Geltung der Bestimmungen dieses Abkommens für den Erwerb und die Gewährung von Leistungsansprüchen in Bezug auf den in dieser Regelung genannten Personenkreis, zu dem der Kläger zählt, vorsieht. Die Prüfung des vom Kläger erhobenen Anspruch hat daher auf der Grundlage dieses Abkommens zu erfolgen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht dargestellt, dass ein Versicherter, der eine zumutbare Verweisungstätigkeit ohne Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art ausüben kann, durch diese Verweisungstätigkeit wenigstens die Hälfte des Entgelts erwerben kann, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch diese Tätigkeit zu erzielen pflegt (SSV-NF 4/33, 6/56; RIS-Justiz RS0084693 [T2]). Ein Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt wird in ständiger Rechtsprechung nur dann angenommen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit und trotz zumutbarer Krankenbehandlung leidensbedingte Krankenstände von jährlich sieben Wochen und darüber zu erwarten sind (RIS-Justiz RS0113471). Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, werden in der Revision nicht aufgezeigt und sind auch aus dem Akt nicht ersichtlich. Bei der Frage, ob ein Kostenersatzanspruch aus Billigkeit besteht, sind neben den Einkommens- und Vermögensverhältnissen auch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles zu beachten. Tatsächliche Schwierigkeiten scheiden im Revisionsverfahren schon deshalb aus, weil der Tatsachenbereich in diesem Verfahrensstadium nicht überprüft werden kann. Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen im Hinblick auf die zitierte ständige Rechtsprechung jedenfalls nicht vor. Ein Kostenersatz aus Billigkeit hat daher nicht stattzufinden.

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