OGH 10ObS277/02m

OGH10ObS277/02m12.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Taucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton K*****, Tischler, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Werner Stolarz, Dr. Ernst Summerer OEG, Hollabrunn, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2002, GZ 8 Rs 104/02a-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. November 2001, GZ 7 Cgs 307/00a-19 (7 Cgs 376/00y, 7 Cgs 201/01i), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den Beschluss

gefasst:

Die Revision wird, soweit sie die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es insgesamt lautet:

"1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1. Juni 2000 zu gewähren, besteht dem Grunde nach zu Recht.

2. Der beklagten Partei wird aufgetragen, dem Kläger vom 1. Juni 2000 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 500,-- monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung dieses Urteils fälligen vorläufigen Zahlungen binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils im Nachhinein am Ersten des Folgemonats.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.007,80 (darin EUR 167,97 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit EUR 582,96 (darin EUR 97,16 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahren zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab dem Stichtag 1. 6. 2000 eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Die in § 89 Abs 2 ASGG vorgesehene Erledigungsform wurde nicht gewählt; insbesondere wurde auch keine vorläufige Zahlung aufgetragen. Die beklagte Partei erhob allein gegen die Unterlassung des Ausspruchs, dass die Pension zum Stichtag 1. 6. 2000 wegfalle und erst mit dem dem Ende der Erwerbstätigkeit folgenden Tag wieder auflebe, Berufung. Aus der Aussage eines vom Erstgericht vernommenen Zeugen und dem Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger in dem in der Verhandlung verlesenen Pensionsakt gehe hervor, dass zum Stichtag das Dienstverhältnis des Klägers aufrecht gewesen sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Da es sich beim Wegfall der Pension infolge Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit um einen die Pensionsauszahlung hemmenden Umstand handle, sei dieser nicht von Amts wegen, sondern nur über Einwendung der beklagten Partei wahrzunehmen gewesen. Die beklagte Partei habe im Verfahren erster Instanz weder auf den Wegfall der Pension nach § 253d Abs 2 ASVG hingewiesen noch vorgebracht, dass der Kläger in einem aufrechten Dienstverhältnis stehe. Das Erstgericht sei daher nicht veranlasst gewesen, den Wegfall der zuerkannten Pension zu prüfen. Die erstmals in der Berufung erhobenen Einwendungen widersprächen dem auch im Sozialrechtsverfahren ausschließlich geltenden Neuerungsverbot. Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne eines Ausspruchs, dass die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zum Stichtag 1. 6. 2000 wegfalle und erst mit dem dem Ende der Erwerbstätigkeit folgenden Tag wieder auflebe. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

§ 47 Abs 1 ASGG lässt die aus § 519 Abs 1 ZPO hervorgehende Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts unberührt. Das Rechtsmittel war daher, soweit es sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes wendet, zurückzuweisen. Da die Begründung des Berufungsgerichtes zur Frage, ob der Wegfall der Pension auszusprechen ist, zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

In der Revision wiederholt die beklagte Partei den bereits in der Berufung vertretenen Standpunkt, sie sei im Hinblick auf den Inhalt des Pensionsaktes und die damit übereinstimmende Aussage eines Zeugen vor dem Gericht, dass das Dienstverhältnis des Klägers zum Stichtag und auch noch im Jahr 2001 aufrecht bestanden habe, nicht verpflichtet gewesen, entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Da das aufrechte Dienstverhältnis bereits im erstgerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen und aktenkundig gewesen sei, liege keine unzulässige Neuerung vor.

Die sich aus § 87 Abs 1 ASGG ergebende Verpflichtung des Gerichts, alle notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen, kann sich nur innerhalb der - wenngleich weit zu steckenden Grenzen des Parteivorbringens bewegen (SSV-NF 11/131, 12/53, 12/78). Die Aussage eines Zeugen oder die Vorlage des Pensionsaktes kann nach ständiger Rechtsprechung ein Prozessvorbringen nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0037552, RS0038037, RS0043157). Der Umstand, dass die Pension nach § 253d Abs 2 ASVG mit dem Stichtag wegfällt, weil der Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, ist nur über entsprechende Einwendung der beklagten Partei wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0109683 [T2]). Dem erstinstanzlichen Vorbringen der beklagten Partei kann ein solcher Einwand selbst bei weitherziger Auslegung nicht entnommen werden. Das Erstgericht war auch nicht verpflichtet, die beklagte Partei zu einem entsprechenden Vorbringen anzuleiten, weil die erhöhte Anleitungspflicht nach § 39 Abs 2 ASGG nur für Parteien gilt, die nicht Versicherungsträger sind und auch nicht durch eine qualifizierte Person vertreten werden (SSV-NF 12/53, 12/78; RIS-Justiz RS0109684).

Mangels einer in Richtung Wegfall der Pension gehenden Einwendung der beklagten Partei war das Erstgericht daher nicht veranlasst, den Wegfall der zuerkannten Pension zu prüfen. Die erst in der Berufung erhobene Einwendung wurde vom Berufungsgericht zutreffend dem Neuerungsverbot unterstellt und demgemäß als unbeachtlich angesehen. Daraus folgt, dass der Revision der beklagten Partei ein Erfolg versagt bleiben muss.

Gemäß § 89 Abs 2 ASGG kann das Gericht dann, wenn sich in einem Verfahren, in dem das Klagebegehren auf eine Geldleistung gerichtet und dem Grund und der Höhe nach bestritten ist, ergibt, dass das Klagebegehren in einer zahlenmäßig noch nicht bestimmten Höhe gerechtfertigt ist, die Rechtsstreitigkeit dadurch erledigen, dass es das Begehren des Klägers dem Grunde nach für berechtigt erkennt. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um ein Feststellungsurteil. Der Zuspruch einer Pensionsleistung in unbestimmter Höhe mittels Leistungsurteil kommt nicht in Betracht. Gleichzeitig hat das Gericht dem Versicherungsträger aufzutragen, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen. Diese Bestimmungen haben beide Vorinstanzen unbeachtet gelassen. In Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 1, 6 oder 8 ASGG ist der Auftrag nach § 89 Abs 2 ASGG in das Urteil des Rechtsmittelgerichts von Amts wegen aufzunehmen, auch wenn dieser Auftrag im angefochtenen Urteil fehlt (§ 90 Z 3 ASGG). Der Auftrag zur Erbringung einer im Sinne des § 89 Abs 2 ASGG bestimmten vorläufigen Zahlung war daher in sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO durch das Revisionsgericht nachzutragen (RIS-Justiz RS0085734; SSV-NF 9/11, 12/127, 13/42, 14/115).

Dabei war gemäß § 409 Abs 1 ZPO eine 14-tägige Leistungsfrist für die bis zur Zustellung dieses Urteils fällig gewordenen vorläufigen Zahlung anzuordnen. Für die weiteren bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides fällig werdenden vorläufigen Zahlungen war im Hinblick auf § 104 Abs 2 ASVG, demzufolge die Pensionen aus der Pensionsversicherung monatlich im Nachhinein am Ersten des Folgemonats ausgezahlt werden, auszusprechen, dass auch die vorläufigen Zahlungen jeweils am Ersten des Folgemonats im Nachhinein zu erbringen sind (RIS-Justiz RS0085725 [T3]; SSV-NF 13/34, 14/119).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Für die Revisionsbeantwortung gebührt lediglich ein Einheitssatz im Ausmaß von 60 %. Die Kosten des (Kosten)Rekursverfahrens wurden bereits vom Rekursgericht unanfechtbar mit EUR 111,35 (darin EUR 18,56 Umsatzsteuer) bestimmt.

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