OGH 4Ob211/02m

OGH4Ob211/02m5.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Kammerlander, Piaty & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Ebert & Huber, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.429,50 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien, als Rekursgericht vom 2. August 2002, GZ 5 R 90/02w-11, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. Februar 2002, GZ 19 Cg 12/02i-4 bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf das Unterbleiben wettbewerbswidriger Handlungen und Ankündigungen wird der beklagten Partei ab sofort bis zur Rechtskraft des beantragten Urteils geboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. unrichtige Behauptungen von Hörerzahlenrückgängen des Regionalradiosenders 'Antenne Steiermark', insbesondere die Behauptung, 'Antenne Steiermark' habe innerhalb von vier Jahren zwei Drittel ihrer Hörer verloren, sowie

2. die Behauptung, 'Antenne Steiermark' liege beinahe vernichtet am Boden und/oder die grafische Darstellung eines zerrissenen Logos der 'Antenne Steiermark' und/oder gleichsinnige Behauptungen oder grafische Darstellungen

zu unterlassen.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen."

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Betreiberin des Regionalradiosenders "Antenne Steiermark", der seine Einnahmen aus den Erträgen von Radiowerbung erzielt.

Die Beklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung" und als solche für die Erstellung des redaktionellen Teiles zuständig. Ihre persönlich haftendende Gesellschafterin ist die K***** GmbH, die auch persönlich haftende Gesellschafterin der K***** GmbH & Co Vermögensverwaltungs KG ist. Letztere ist 50 %-ige Gesellschafterin der M***** GmbH sowie 10 %-ige Gesellschafterin der G***** GmbH, die einen Privatradiosender unter der Bezeichnung "Krone Hit Radio" betreibt. In der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung" vom 21. Juli 2001 erschien der nachfolgende redaktionelle Bericht:

Die Reichweite von Radiosendern wird auf zwei Arten erfasst. Einerseits wird die sogenannte "Tagesreichweite" erfasst, das ist der Anteil von Hörern, die sich im Laufe eines Tages irgendwann einmal in diesen Sender eingeschaltet haben; anderseits der "Marktanteil", der die Hördauer erfasst. Das von der Klägerin betriebene Privatradio "Antenne Steiermark" hat im Zeitraum vom 2. Quartal 1997 (Marktanteil 45 %) zum ersten Halbjahr 2001 (Markanteil 14 %) 69 % des seinerzeitigen Marktanteils verloren. Ihre Tagesreichweite ist ebenfalls zurückgegangen, allerdings nur um 50 %. Basis beider Ermittlungen ist die für die Werbewirtschaft interessante Altersgruppe von 14 bis 49 Jahren.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Prozessdauer zu gebieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs 1. unrichtige Behauptungen von Hörerzahlrückgängen des Regionalradiosenders "Antenne Steiermark", insbesondere die Behauptung, "Antenne Steiermark" habe innerhalb von vier Jahren zwei Drittel ihrer Hörer verloren, sowie 2. die Behauptung "Antenne Steiermark" liege beinahe vernichtet am Boden und/oder die grafische Darstellung eines zerrissenen Logos der "Antenne Steiermark" und/oder gleichsinnige Behauptungen oder grafische Darstellungen zu unterlassen. Die Beklagte verstoße massiv und in aggressiver Weise gegen die §§ 2 und 7 UWG. Der Bericht gehe von den Werten des Marktanteils aus, im Artikel sei aber mehrfach von Verlusten der Hörerzahlen die Rede. Letztere sei nur um 50 % zurückgegangen. Die Behauptung eines Verlustes von 2/3 der Antenne-Hörer sei falsch. Potentielle Werbekunden würden getäuscht und in die Irre geführt. Die Klägerin würde grob herab gesetzt. In der aggressiven Tendenz und der brutalen Ausdrucksweise liege insbesondere ein Verstoß gegen § 1 UWG. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Veröffentlichung sei jedenfalls in ihrem Tatsachenkern zutreffend, die darauf aufbauenden Bewertungen seien nicht überschießend. Tatsächlich habe sich der Marktanteil der Klägerin von 45 auf 14 % reduziert. Auch wenn die Tagesreichweite nur um 55 % zurückgegangen sei, werde die Entwicklung doch im Kern richtig wiedergegeben. Dazu komme, dass in der zahlenmäßigen und grafischen Darstellung immer Marktanteile ausgewiesen seien. Diese seien für die Werbewirtschaft auch relevanter als die Tagesreichweite.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Auch wenn die Beklagte nicht Betreiberin des "Krone Hit Radios" sei, sei aufgrund ihrer Position im Konzern, wie auch aus der Gestaltung und Aufmachung des Artikels die Wettbewerbsabsicht, nämlich die Absicht, die Vorzüge des "Krone Hit Radios" gegenüber dem von der Klägerin betriebenen Privatradio herauszustreichen, und dadurch zusätzliche Hörer bzw Inserenten zu gewinnen, offenkundig. Die Grafik stelle einen wahrheitsgemäßen Vergleich an, weil die darin angegebene Entwicklung des Marktanteils der Klägerin zwischen dem 2. Quartal 1997 über das erste Halbjahr 2000 zum ersten Halbjahr 2001 ziffernmäßig richtig angegeben sei. Der kommentierende Text sei allerdings insofern unpräzise bzw widersprüchlich, als neben der Grafik davon die Rede sei, die Klägerin habe "innerhalb von vier Jahren zwei Drittel ihrer Hörer" verloren, und im Artikel selbst der Verlust im Marktanteil mit dem Verlust von mehr als zwei Dritteln der Hörer gleichgesetzt werde. Diese Unklarheit bzw Widersprüchlichkeit sei aber nicht geeignet, den Wettbewerb ernstlich zugunsten des "Krone Hit Radios" zu beeinflussen. Durch die Reportage würden durchschnittliche Leser der "Neuen Kronen-Zeitung" angesprochen, sie seien nicht speziell auf die Information der Werbewirtschaft zugeschnitten. Soweit sie dazu geeignet sei, dem "Krone Hit Radio" zusätzliche Hörer zu gewinnen, und damit indirekt auf den Wettbewerb der Privatradios am Werbesektor Einfluss zu nehmen, sei davon auszugehen, dass für den durchschnittlichen Leser der "Neuen Krone-Zeitung" nur von Relevanz sei, dass das Privatradio der Klägerin sehr erheblich an Reichweite verloren habe und dass eine Differenzierung zwischen dem Marktanteil und der Tagesreichweite, also der Anzahl der Personen, die mehr als eine Viertelstunde an einem bestimmten Tage dieses Radio hörten, nicht ins Gewicht falle. Was die Werbewirtschaft betreffe, ergebe sich für den über die Berechnungsmethoden informierten Vertreter der Anzeigenwirtschaft klar, dass der Verlust der Klägerin im Marktanteil eingetreten sei. Die Kommentierung trete gegenüber der Grafik in den Hintergrund und lasse dadurch, dass sie auf den Inhalt der Grafik verweise, erkennen, dass es sich bei der Formulierung "verlor zwei Drittel der Hörer", um eine unpräzise Aussage handle, die tatsächlich auf den Marktanteil und nicht auf die Tageshörerzahl Bezug nehme. Ebenso sei jedem in der Werbebranche Erfahrenen, der die Reichweite von Funkmedien als Entscheidungshilfe dafür heranziehe, wo er Anzeigen schalte, der Unterschied zwischen dem Marktanteil und der Tagesreichweite bekannt.

Zum zweiten Teil des Sicherungsbegehrens lasse sich aus dem Gesamtzusammenhang erkennen, dass die Wendung "Antenne Steiermarkt liegt, nachdem sie noch vor vier Jahren Spitzenwerte aufgewiesen hat, beinahe vernichtet am Boden" als eine Wertung des Autors anzusehen sei, für die er nach dem Doppelpunkt sogleich die Begründung abgebe. Ein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Aussage Informationen zugrunde lägen, die nicht in dem Bericht offengelegt worden seien, ergebe sich nach den Umständen - es handle sich ja auch erkennbar um eine "Selbstbeweisräucherung" des "Krone Hit Radios" - nicht. Daher bleibe zu prüfen, ob diese Aussage im Zusammenhang mit der Darstellung eines zerrissenen Logos unsachlich, beleidigend und überzogen und deshalb sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG zu bewerten sei. Dies sei im Hinblick auf den bekannt heftigen Wettbewerb der Privatradios um Hörer und Anzeigenkunden, sowie auch deshalb, weil dieser redaktionelle Bericht nicht aus dem Rahmen der sonstigen Berichterstattung in der "Neuen Kronen-Zeitung" falle, zu verneinen. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Zunächst sei nicht erkennbar, dass sich der beanstandete Artikel nur an (kleinere) Werbekunden wenden sollte. Auszugehen sei davon, dass die im Artikel enthaltene Grafik die Entwicklung des Marktanteils der Klägerin zutreffend darstelle und auch dementsprechend ausweise:

"Marktanteil MO-FR, 14-49". Auch im Artikel werde ausdrücklich vom Marktanteil in der Zielgruppe der 14-49-jährigen Hörer gesprochen. Dem Erstgericht sei zuzustimmen, dass der durchschnittliche Leser der "Kronen-Zeitung" nicht zwischen Marktanteil und Tagesreichweite differenzieren werde. Der Werbewirtschaft sei durch die Bezugnahme auf die Grafik deutlich erkennbar, dass es um die Entwicklung der Marktanteile gehe. Schließlich bestimmten die Hörer sowohl den Marktanteil wie auch die Reichweite - im einen Fall durch ihre Hördauer, im anderen durch ihre Anzahl. Wenn die Beklagte im Artikel von einem Hörerverlust spreche, könnten ihre Ausführungen nicht als unrichtig, sondern allenfalls als unpräzise bezeichnet werden. Diese Ungenauigkeit erfahre aber durch die Bezugnahme auf die die Entwicklung der Marktanteile zutreffend wiedergebende Grafik eine hinreichende Präzisierung. Gerade in ihrem Gesamtzusammenhang erwiesen sich die Behauptungen der Beklagten als in ihrem Kern zutreffend und die darauf aufbauenden Wertungen als hinreichend begründet.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist entgegen dem, - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch der Vorinstanz zulässig, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung der Mehrdeutigkeit der beanstandeten Behauptungen und der übertriebenen Aggressivität der die Klägerin herabsetzenden wörtlichen und bildlichen Darstellungen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht beachtete. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt:

Dass die Beklagte aufgrund der festgestellten gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zur Betreiberin des Privatradiosenders "Krone Hit Radio" mit dem beanstandeten Artikel vom 21. 7. 2001 sowohl im geschäftlichen Verkehr als auch zu Zwecken des Wettbewerbs handelte, haben die Vorinstanzen insoweit zutreffend - und von der Beklagten im Revisionsrekursverfahren auch nicht mehr weiter bekämpft - angenommen. Dies folgt vor allem auch aus der Passage des Artikels, in welcher der Verlust von zwei Dritteln der Hörer als deftiger Rückschlag bezeichnet und daraus gefolgert wird:

"... denn an diesen Zahlen des Radiotests orientiert sich vor allem die für Privatradios überlebenswichtige Werbewirtschaft; wer Hörer verliert, verliert auch Werbekunden und damit die finanzielle Basis seines Unternehmens. So einfach - und brutal - ist die Rechnung." Es kommt somit bei der Beurteilung des vorliegenden Falles nicht entscheidend darauf an, ob sich der Artikel an "sogenannte einfache Kronen-Zeitung Leser" oder an kleinere Werbeunternehmen als Zielgruppe richtete, weil die der Darstellung der tristen Situation des am Boden zerstörten Mitbewerbers (des von der Klägerin betriebene Privatradios "Antenne Steiermark") folgende "Eigenwerbung" für das "Krone Hit Radio" jedenfalls an die für Inserate in Privatradiosendern interessierten Personen gerichtet wurde. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Beklagten ist die gegenständliche Werbeaktion der Beklagten in beiden beanstandeten Punkten wettbewerbswidrig.

Zunächst ist an der gesicherten Rechtsprechung festzuhalten, dass mehrdeutige und damit "unklare" Behauptungen über das Unternehmen eines Mitbewerbers nach der sogenannten Unklarheiten-/Zweifels-Regel stets zum Nachteil des Behauptenden auszulegen sind (für viele 4 Ob 152/02k mwN). Demnach kann die Beklagte die nach den Feststellungen unzutreffende Behauptung, das Privatradio der Klägerin habe in der fraglichen Zeit zwei Drittel seiner Hörer verloren, während dies in Wahrheit zwar für den Marktanteil, nicht aber für die Hörerzahl (Tagesreichweite) zutraf, nicht dadurch ungeschehen machen, dass sie diese Behauptung durch wörtliche und bildliche Darstellungen (nur) für die Werbewirtschaft eindeutig klargestellt hätte. Jeder dabei verbleibende - und auch im vorliegenden Fall verbliebene - Zweifel geht danach zu Lasten der Beklagten, weshalb ihr von der Klägerin zu Punkt 1. das Unterlassungs-/Sicherungsbegehrens zu Recht der Vorwurf irreführender Angaben angelastet wird. Gerade durch die Art der wörtlichen und bildlichen Darstellung des Niedergangs des Privatradios der Klägerin ("Antenne Steiermark liegt beinahe vernichtet am Boden", Darstellung eines zerrissenen Logos der "Antenne Steiermark") hat die Beklagte nicht etwa die im Text vorkommenden Unklarheiten restlos bereinigt, sondern vielmehr in dem beanstandeten "Eigenwerbeartikel" zugleich das Maß einer sachlichen, an den Fakten orientierten vergleichenden Berichterstattung über das Konkurrenzunternehmen bei weitem überschritten und gerade bei der auch von ihr angesprochenen Werbewirtschaft (Interessenten für Inserate in Privatradios) die Klägerin in ihrem Kredit geschädigt und angeschwärzt, weshalb - erneut - entgegen der Auffassung der Vorinstanz(en) - auch Punkt 2. des Unterlassungs-/Sicherungs-Begehrens wegen Verstoßes gegen § 7 UWG berechtigt ist (vgl die Entscheidungen zu RIS-Justiz RS0102852; uva). Aus diesen Erwägungen war die beantragte einstweilige Verfügung in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen zu erlassen. Die Kostenentscheidung beruht für die Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, für die Beklagte auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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