OGH 15Os112/02

OGH15Os112/0210.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 27. Juni 2002, GZ 13 Hv 105/02s-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl W***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II) sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV) und des Diebstahls nach § 127 StGB (V) schuldig erkannt.

Danach hat er in Völkermarkt

I. Ende September 2000 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei weiteren namentlich bisher nicht bekannten Personen als Mittäter Andrea W***** mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt, nämlich dadurch, dass sie die Genannte erfassten, über eine Strecke von mehreren Metern in eine in der Nähe befindliche Gasse zerrten, sie zu Boden stießen, an den Schultern fixierten, ihren Unterleib entkleideten und sie abwechselnd festhielten, genötigt, und zwar

a) zur Duldung des Beischlafes und des Oralverkehrs, sohin einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, mit Karl W*****,

b) zur Duldung des Beischlafes mit einem der namentlich nicht bekannten Mittäter;

II. Ende September 2000 unmittelbar nach der zu I. angeführten Tathandlung Andrea W***** durch Drohung mit dem Tod, nämlich die Äußerung: "Wenn du etwas sagst, bringe ich dich um!" zur Unterlassung der Anzeigeerstattung sowie der Bekanntgabe der Tat an ihre Eltern oder an eine andere Vertrauensperson genötigt;

III. am 7. Juli 2000 in Völkermarkt eine fremde bewegliche Sache, nämlich die Verglasung einer Parklaterne durch Einschlagen zerstört;

IV. am 24. Oktober 2000 in Völkermarkt Rene R***** durch Versetzen mehrerer Fußtritte gegen den Kopf und den Körper vorsätzlich am Körper verletzt, nämlich ihm eine Prellung des Kopfes, des zweiten Fingers rechts und des rechten Oberschenkels zugefügt;

V. Ende Oktober 2000 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Bernhard L***** und den gemäß § 6 Abs 1 JGG außer Verfolgung gesetzten Manfred L***** und Melanie G***** in wiederholten Angriffen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bekleidungsgegenstände in einem 2.000 Euro nicht übersteigenden Wert, der Edeltraut R***** mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Schuldsprüche I und II ausgeführte, auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO liegt nur dann vor, wenn eine der in dieser Bestimmung taxativ aufgezählten gesetzlichen Vorschriften der Strafprozessordnung (sowie von - hier allerdings nicht aktuellen - Nebengesetzen) in der Hauptverhandlung verletzt wird (Ratz, WK - StPO § 281 Rz 193; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 3 E 2 ff). Wie der Beschwerdeführer selbst zugesteht, wurde der allein in Frage kommende § 252 StPO nicht verletzt, weil das Protokoll über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Andrea W***** einverständlich verlesen wurde (S 459). Damit wurde der Grundsatz der Unmittelbarkeit nur in einer vom Gesetz gebilligten, in der Parteiendisposition stehenden Form durchbrochen. Die Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft die Abweisung der Beweisanträge auf persönliche Vernehmung der Zeugin Andrea W***** vor dem erkennenden Gericht, die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen, die Durchführung eines Ortsaugenscheines und die Vernehmung des Zeugen Karl G*****. Diese Anträge hat der Verteidiger in einem Schriftsatz vom 26. Juni 2002 (ON 25) gestellt. In der Hauptverhandlung hat er nur auf diesen Beweisantrag "verwiesen" und einen weiteren, allerdings nicht in der Nichtigkeitsbeschwerde monierten Zeugen beantragt (S 457). Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes setzt aber voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde. Auf einen Antrag, der vor der Hauptverhandlung überreicht, in der Verhandlung aber nicht wiederholt wurde, kann der Nichtigkeitsgrund nicht gestützt werden (Ratz aaO Rz 310 ff; Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 1 ff).

Da der Angeklagte seine schriftlich gestellten Beweisanträge nach dem (unbekämpft gebliebenen) Hauptverhandlungsprotokoll nicht wiederholt hat, ist er zur Beschwerde nicht legitimiert.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) liegt bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin Andrea W***** keine Scheinbegründung vor, sondern haben sich die Tatrichter mit ihrer Aussage insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie sich von ihr keinen persönlichen Eindruck verschaffen konnten, ausführlich auseinandergesetzt und dargestellt, warum sie dieser trotz einiger kleiner Widersprüche Glauben geschenkt haben (US 12 ff). Diese Begründung entspricht den Grundsätzen logischen Denkens und ist daher mängelfrei.

Die weiteren Einwände, das Erstgericht habe fehlende Beweisergebnisse zum Nachteil des Angeklagten ergänzt und den Grundsatz "in dubio pro reo" nicht beachtet, stellen eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar; sie greifen nämlich nur einzelne Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung heraus, ohne den vom Schöffengericht gesetzeskonform wahrgenommenen Gesamtzusammenhang der Beweismittel zu beachten. Dass aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich gewesen wären, vermag den Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 145, 147). Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist das Gericht auch berechtigt, auf Basis der Ergebnisse des Beweisverfahrens Tatsachenfeststellungen nicht nur aufgrund zwingender, sondern auch aufgrund von Wahrscheinlichkeitsschlüssen zu treffen (Mayerhofer aaO E 148). Dass die Erwägungen des Gerichtes den Grundsätzen der Logik widerstreiten würden, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Tatsachenrüge (Z 5a) bezeichnet neuerlich die Angaben der Zeugin W***** als unglaubwürdig und bemängelt, dass sich der Schöffensenat keinen persönlichen Eindruck von ihr machen konnte. Damit unternimmt sie nur neuerlich den Versuch, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes unzulässig nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen, ohne jedoch Umstände aus den Akten aufzuzeigen, welche erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen erzeugen könnten.

Im Hinblick auf das im Nichtigkeitsverfahren herrschende Neuerungsverbot sind nach der Urteilsverkündigung hervorgekommene Aussagen von Zeugen unbeachtlich und allenfalls für ein Wiederaufnahmeverfahren relevant.

Soweit die Rechtsmittelanträge (... das angefochtene Urteil aufzuheben ...) über den Umfang der Schuldsprüche I und II hinausgehen, fehlt es an der von der Strafprozessordnung vorgesehenen deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeitsgründen oder jener Tatsachen, die solche bilden sollen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO).

Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285e StPO).

Stichworte