Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Der Bedeutungsinhalt des Lügenvorwurfes der Beklagten ist im Gesamtzusammenhang, in dem diese Äußerung fiel, zu ermitteln (6 Ob 138/01i = MR 2001, 367). Im vorliegenden Fall bezieht sich der Vorwurf auf die in einem Flugblatt der Beklagten aufgestellte Tatsachenbehauptung, dass die Abgabe von Diesel zum Einkaufspreis und sinkende Dieselpreise in St. Pölten vor der Gemeinderatswahl zugesichert, die Billigdieselaktion nach der Wahl aber wieder beendet worden sei. Die Unrichtigkeit einer Tatsachenbehauptung kann sich auch aus der Unvollständigkeit des bekanntgegebenen Sachverhalts ergeben, die das den Betroffenen vorgeworfene Handeln in einem ganz
anderen Licht erscheinen lassen (6 Ob 244/98w = RdW 1999, 347; 6 Ob
284/00h = MR 2001, 29). Nach dem von den Vorinstanzen als bescheinigt
angenommenen Sachverhalt hat die Beklagte das zum Lügenvorwurf führende Verhalten der Kläger bzw der von ihnen repräsentierten Partei unvollständig dargestellt, weil der Grund für die Einstellung der Dieselabgabe zum Einstandspreis beim Städtischen Wirtschaftshof kurz nach den Wahlen, nämlich dass der Betrieb der Tankstelle auf Grund eines Antrages des Schutzverbandes gegen den unlauteren Wettbewerb durch eine gerichtliche einstweilige Verfügung verboten wurde, verschwiegen wurde. Dieses Verbot wurde nicht nur mit dem Fehlen der gewerbebehördlichen Genehmigung, sondern auch wegen der Preisgestaltung (Abgabe zum Einstandspreis unter Heranziehung öffentlicher Mittel) begründet. Es ist daher die Argumentation der Beklagten verfehlt, dass die Stadtgemeinde die Tankstelle trotz der einstweiligen Verfügung nach Ergehen des Bescheides des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 8. 11. 2001, aus dem sich das Vorliegen einer gewerbebehördlichen Genehmigung ergibt, zu Gunsten der Allgemeinheit wieder öffnen hätte können. Dem den Lügenvorwurf enthaltenden Flugblatt ist keine den Sachverhalt insoweit aufklärende Aussage zu entnehmen. Es ist daher nicht entscheidend, dass im politischen Meinungskampf auch besonders kritische, massiv in die Ehre des anderen eingreifende Werturteile von der Rechtsprechung des EGMR und der innerstaatlichen Rechtsprechung als zulässig angesehen werden. Auch für die Zulässigkeit wertender Äußerungen von und gegen Politiker ist Voraussetzung, dass das ehrverletzende Werturteil auf der Basis eines wahren Sachverhaltes geäußert wurde (6 Ob 284/00h mwN). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EGMR, der selbst im politischen Meinungsstreit prüft, ob die notwendige Tatsachenbasis für einen wertenden Vorwurf vorliegt, weil auch ein Werturteil ohne jede unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (EGMR 27. 2. 2001 [Jerusalem gegen Österreich] = MR 2001, 89; EGMR 26. 2. 2002
[Dichand ua gegen Österreich] = MR 2002, 84; EGMR 26. 2. 2002
[Unabhängige Informationsvielfalt gegen Österreich] = MR 2002, 149).
Der von der Revisionsrekurswerberin herangezogenen Entscheidung 6 Ob 138/01i (MR 2002, 367) lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde: Dort war zwar ebenfalls die Behauptung strittig, dass der Kläger lüge. Dieser Vorwurf fiel aber im Zusammenhang mit einer offen gelegten und als im Tatsachenkern zutreffend erkannten Sachverhaltsgrundlage, wodurch der Lügenvorwurf die Schärfe verlor, wie sie sich bei einer isolierten Auslegung dieses Begriffes nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt. In der Ansicht der Vorinstanzen, dass die im hier zu beurteilenden Lügenvorwurf enthaltene Anschuldigung, die Kläger hätten als Repräsentanten der von ihnen vertretenen Partei die Wähler getäuscht und seien unglaubwürdig, nicht mit dem bescheinigten Sachverhalt gerechtfertigt werden kann, ist ein Abweichen von den Grundsätzen der Rechtsprechung des OGH zu § 1330 ABGB nicht zu erkennen. Ob auch eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre, hat keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung und bildet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 244/01b).
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