OGH 6Ob244/01b

OGH6Ob244/01b8.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich S*****, vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, gegen die beklagte Partei Georg W*****, vertreten durch Dr. Klaus Rinner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung des Widerrufs, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. August 2001, GZ 2 R 156/01k-36, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. April 2001, GZ 6 Cg 38/99w-30, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung richten sich gleich der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder bloß eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandenden Äußerung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers, wobei die Ermittlung des Bedeutungsinhaltes einer Äußerung im Allgemeinen eine Rechtsfrage ist, die von den näheren Umständen des Einzelfalles, insbesondere der konkreten Formulierung und dem Zusammenhang, in dem sie gemacht wurde, abhängt. Das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt.

Eine Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit einer

Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist dem

Berufungsgericht nicht vorzuwerfen. In der Beurteilung der

Vorinstanzen, dass auf Grund der festgestellten Umstände die Vorwürfe

des "Pistenschwarzbaues", des Ignorierens behördlicher Auflagen und

der Entgegennahme von "Geschenken" als Werturteile auf der Grundlage

eines wahren Tatsachenkerns zu qualifzieren seien, ist kein Abweichen

von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu

§ 1330 ABGB zu erblicken. In diesem Zusammenhang ist insbesondere

hervorzuheben, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung

großzügig auszulegen ist, insbesondere wenn es um zur Debatte

stehende politische Verhaltensweisen oder insbesondere auch um

umweltpolitische Anliegen geht (6 Ob 2230/96a = MR 1997, 256).

Der vom Revisionswerber herangezogenen Entscheidung 6 Ob 284/00h (=

MR 2001, 29) lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde: Die dort strittige Behauptung, der Kläger gebe Personen, die Schwarzbauten errichten wollten, Tipps (der Kläger gebe also in Überschreitung seiner Beamtenpflicht gute Ratschläge, wie gesetzliche Vorschriften umgangen werden können), hielten einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit, wenn auch nur im Tatsachenkern, nicht stand.

Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

Die Behauptung, der Kläger habe eine Quelle unbrauchbar gemacht, entspricht schon deshalb nicht den Tatsachen, weil einerseits die Quelle auf Kosten der Seilbahngesellschaft und der Versicherung des bauausführenden Unternehmens saniert und ihre Funktionstüchtigkeit wiederhergestellt, ja sogar verbessert wurde, andererseits die Verunreinigung der Quelle auf ein Versehen der ausführenden Baufirma zurückzuführen war, worauf der Kläger keinen Einfluss hatte und woran auch der Seilbahngesellschaft als Auftraggeber der Bauarbeiten kein eigenes Verschulden angelastet werden konnte. Diese Tatsachen wurden in der Presseaussendung jedoch verschwiegen. Ihr ist keine den Sachverhalt insoweit aufklärende Aussage zu entnehmen. Es ist daher hier nicht entscheidend, ob es dem Beklagten um ein umweltpolitisches Anliegen ging und ob der Kläger auf Grund des medialen Interesses an seiner Person als Privatperson zu qualifizieren ist, die sich im Sinn der Entscheidung EGMR 27. 2. 2001, MR 2001, 89 (Jerusalem gegen Österreich) eine massivere Kritik gefallen lassen muss, weil sie "die politische Bühne" ("the area of public debate") betreten hat.

Auch insoweit hält sich die Rechtsansicht der zweiten Instanz im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Ob auch eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 75/00y).

Es sind daher die Revisionen beider Parteien gegen die sich im Rahmen der von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 1330 ABGB entwickelten Rechtsgrundsätzen haltenden Entscheidung des Berufungsgerichtes mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte