OGH 4Ob149/02v

OGH4Ob149/02v20.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Haas und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Reinhard B*****, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Gesamtstreitwert 21.801,85 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Mai 2002, GZ 1 R 67/02h-36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Tatsachen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB sind Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm anhand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (stRsp ua SZ 69/113 = MR 1996, 146 - Giftanschlag; MR 1999, 280 - 200-Millionen-Pleite uva). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen (ÖBl 1993, 163 - Kelomat-Druckkochtopf mwM; MR 1999, 280 - 200-Millionenpleite ua). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind; MR 1999, 280 - 200-Millionen-Pleite uva).

Im Einklang mit den Grundsätzen dieser Rechtsprechung hat das Berufungsgericht die beanstandeten Äußerungen - nach dem maßgebenden, durch den Artikel des Beklagten vermittelten Gesamteindruck (MR 1998, 328 - Trivial Persuit uva) - als Tatsachenbehauptungen gewertet. Demnach hat der Beklagte die Behauptung aufgestellt, die Zeitung der Klägerin stecke mit einem mafiösen Gemeinderat unter einer Tuchent, ziehe daraus großen Nutzen, indem sie wöchentlich Gefälligkeitsinserate einer bestimmten Gemeinde und eine günstige Seniorenwohnung für den Redakteur bekomme; sie biete mit ihrem Blatt Desinformation, die ihr unter Hitlers Regime oder im Ostblock höchste Parteiehren und Pfründe gebracht hätte.

Dass diese Vorwürfe nicht nur kreditschädigend (§ 1330 Abs 2 ABGB), sondern auch ehrenrührig (§ 1330 Abs 1 ABGB) sind, liegt auf der Hand, wird der Klägerin doch, wenn nicht sogar kriminelles, so doch im höchsten Maße unseriöses und korruptes Verhalten nachgesagt. In einem solchen Fall ist es aber nach ständiger Rechtsprechung Sache des Beklagten, die Wahrheit seiner Behauptung zu beweisen (MR 2002, 88 - Schönheitschirurgie uva). Das in Art 10 Abs 2 MRK normierte Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertigt nicht die Herabsetzung anderer, auch wenn sie Politiker sind oder sonst die Bühne der Öffentlichkeit betreten haben, durch unwahre Tatsachenbehauptungen (MR 1993, 14 - Spitzelakt; ÖBl 1998, 195 - Luxuswohnung; MR 1999, 280 - 200-Millionen-Pleite uva). Da nach den Feststellungen der Vorinstanzen die beanstandeten Behauptungen der Tatsachengrundlage völlig entbehren, kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf Art 10 MRK berufen.

Auch die Bejahung der Wiederholungsgefahr durch das Berufungsgericht steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach derjenige, der im Prozess weiterhin die Auffassung vertritt, zur beanstandeten Handlung berechtigt zu sein, und seine rechtswidrige Handlung verteidigt, im Allgemeinen schon dadurch zu erkennen gibt, dass es ihm um die Vermeidung weiterer Eingriffe dieser Art nicht ernstlich zu tun ist (SZ 51/87 uva). Im Übrigen hängt die Frage der Wiederholungsgefahr so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie - vom hier nicht vorliegenden Fall einer groben Fehlbeurteilung abgesehen - nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist (SZ 60/187 uva).

Stichworte