Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den zweit- und drittbeklagten Parteien die mit EUR 1.978,88 (darin enthalten EUR 329,81 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstbeklagte ist die Mutter und war bzw ist die gesetzliche Vertreterin der Zweit- und Drittbeklagten, deren Vater 1994 verstorben ist.
Für ein ihr von der Klägerin 1999 gewährtes Darlehen verpfändete die Erstbeklagte eine Liegenschaft, die zur Hälfte in ihrem, zu je einem Viertel im Eigentum der Zweit- und Drittbeklagten steht. Die Pfandurkunde wurde von der Erstbeklagten als gesetzliche Vertreterin auch für die Zweit- und Drittbeklagten unterfertigt. Die Verpfändung wurde über Antrag der Erstbeklagten (die erklärte, das Darlehen für die Finanzierung eines auf Grund der beengten Wohnverhältnisse erforderlichen Zubaues zu benötigen) pflegschaftsgerichtlich genehmigt, ohne dass ein Kollisionskurator bestellt worden wäre. Als die Erstbeklagte in der Folge ihrer Darlehensrückzahlungspflicht nicht nachkam, stellte die Klägerin das Darlehen fällig. Mangels Zahlung begehrte sie mit der Klage die Zahlung von S 725.212,97 sA, hinsichtlich der Zweit- und Drittbeklagten jedoch nur bei Exekution in die Pfandliegenschaft.
Nachdem von den Beklagten keine Klagebeantwortung erstattet worden war, erließ das Erstgericht über Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil, das gegenüber der Erstbeklagten in Rechtskraft erwuchs. Hinsichtlich der Zweit- und Drittbeklagten bestellte das Erstgericht, da eine Interessenkollision mit der Erstbeklagten bestehe, einen Kollisionskurator, der gegen das Versäumungsurteil Widerspruch erhob und Klagebeantwortung erstattete. Er brachte darin vor, dass bereits für den Abschluss der dem Verfahren zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte ein Kollisionskurator bestellt hätte werden müssen, da ein Widerspruch zwischen den Interessen der Erst- und jenen der Zweit- und Drittbeklagten vorgelegen sei. Letztere seien durch die Pfandbestellung ausschließlich belastet, da ihnen kein Rechtsanspruch auf die Errichtung des geplanten Zubaues zugestanden sei. Tatsächlich sei der Zubau in der Folge gar nicht ausgeführt und das Geld anderweitig verbraucht worden. Der Zweitbeklagte ist nach Schließung des Verfahrens und Fällung des Ersturteils großjährig geworden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen die Zweit- und Drittbeklagten ab. Deren Interessen hätten mit jenen der Erstbeklagten sowohl formell als auch materiell kollidiert, weshalb ein Kurator gemäß § 271 ABGB zu bestellen gewesen wäre. Da nur die Erstbeklagte Kreditnehmerin gewesen sei, die Zweit- und Drittbeklagten hingegen ihre Liegenschaftsanteile verpfändet hätten, habe es die Erstbeklagte in der Hand gehabt, die Sachhaftung durch die Unterlassung der notwendigen Rückzahlungsraten schlagend werden zu lassen. Dies stelle eine grobe Benachteiligung der Zweit- und Drittbeklagten dar, die zudem keinen Rechtsanspruch auf einen werterhöhenden Zubau hätten. Da die pflegschaftsbehördliche Genehmigung die fehlende Gültigkeitsvoraussetzung der Bestellung eines Kollisionskurators nicht ersetze, sei das Rechtsgeschäft nichtig.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Rechtsgeschäfte der Darlehensaufnahme und der Liegenschaftsverpfändung könnten nicht dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zugeordnet werden, weshalb gemäß § 154 Abs 3 ABGB die Genehmigung des Gerichtes erforderlich gewesen sei. In qualifizierten Kollisionsfällen reiche diese allein jedoch nicht aus, sondern es sei vom Gericht gemäß § 271 ABGB ein besonderer Kurator zu bestellen. Kollision im Sinne des § 271 ABGB sei zunächst im formellen Sinn zu verstehen, wenn nämlich der für den Minderjährigen Vertretungsbefugte nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen Namen zu handeln habe. Für die Kuratorbestellung müsse allerdings zur formellen Kollision eine solche im materiellen Sinn hinzutreten, dh es müsse die Möglichkeit eines Interessenwiderspruches gegeben sein. Der Begriff des Rechtsgeschäftes nach § 271 ABGB sei so weit zu fassen, wie Kollision im materiellen Sinn drohe. Im vorliegenden Fall habe sich die Möglichkeit eines Interessenwiderspruchs schon daraus ergeben, dass für die Zweit- und Drittbeklagten kein Grund bestanden habe, das gegenständliche Geschäft überhaupt abzuschließen. Im Gegensatz zur Erstbeklagten, die dafür das Darlehen ausbezahlt erhalten habe, hätten sie ihre Liegenschaftsanteile ohne greifbare Gegenleistung verpfändet. Richtigerweise sei das Erstgericht vom Fehlen eines Rechtsanspruches auf die Errichtung eines Zubaues ausgegangen. Ein solcher konkreter Anspruch habe umso weniger bestanden, als das Darlehen keineswegs in irgendeiner Form gewidmet worden, sondern der Erstbeklagten zur freien Verfügung überlassen gewesen sei. Die Planung des Zubaues habe die Erstbeklagte lediglich als Begründung für den Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung angeführt. Dem für die Klägerin gewonnenen Vorteil der zusätzlichen Besicherung ihrer Darlehensvergabe durch die Liegenschaftsanteile der Zweit- und Drittbeklagten stehe keinerlei Gegenleistung an diese gegenüber. Auch die indirekt begünstigte Erstbeklagte, welcher die Klägerin ohne Verpfändung der Liegenschaftsanteile der Zweit- und Drittbeklagten möglicherweise kein Darlehen gewährt hätte, habe den Zweit- und Drittbeklagten keine gesicherte Rechtsposition verschafft. Die Darlehensaufnahme und insbesondere die damit verbundene Verpfändung sei somit in hohem Maße im Interesse der Erstbeklagten gelegen, während für die Zweit- und Drittbeklagten der Übernahme der Sachhaftung keine erkennbaren Vorteile gegenüber gestanden seien. Da unter diesen Umständen die Möglichkeit eines Interessenwiderspruches jedenfalls gegeben gewesen sei, hätte ein Kollisionskurator bestellt werden müssen. Mangels Bestellung eines solchen seien die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch mj Zweit- und Drittbeklagten nicht wirksam vertreten gewesen, sodass der Vertretungshandlung der Mutter zivilrechtlich keine Gültigkeit zugekommen sei. Der inzwischen volljährig gewordene Zweitbeklagte könnte nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung die mangels Bestellung eines besonderen Kurators gemäß § 271 ABGB unwirksamen Rechtsgeschäfte genehmigen. Da jedoch sowohl der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz als auch die erstgerichtliche Entscheidung vor dem Erreichen der Volljährigkeit durch den Zweitbeklagten (mit dem Inkrafttreten des KindRÄG 2001) am 1. 7. 2001 gelegen sei, brauche auf diese Möglichkeit nicht eingegangen zu werden. Hinzu komme, dass dem volljährigen Zweitbeklagten die Verfahrenshilfe zur Erstattung der Berufungsbeantwortung bewilligt worden sei und er die Berufungsbeantwortung gemeinsam mit dem Drittbeklagten eingebracht habe. Daraus lasse sich ersehen, dass der Zweitbeklagte keineswegs Willens sei, die gegenständlichen Vereinbarungen nachträglich zu genehmigen.
Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen gewesen, da das Berufungsgericht bei der Prüfung des gegenständlichen Sachverhaltes hinsichtlich der Voraussetzungen für die Bestellung eines Kollisionskurators den von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen gefolgt sei und im Übrigen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen gehabt habe. Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei, die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Zweit- und Drittbeklagten haben von der ihnen freigestellten Möglichkeit einer Revisionsbeantwortung Gebrauch gemacht. Sie beantragen darin, das Rechtsmittel der Klägerin "als unbegründet zurückzuweisen" (gemeint wohl: es entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihm, da unberechtigt, keine Folge zu geben).
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der Klägerin zwar zulässig, da aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsfortbildung eine grundsätzliche Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur von der Revisionswerberin angesprochenen, im Folgenden erörterten Problematik angezeigt erscheint; sie ist aber nicht berechtigt.
Einziger Streitpunkt ist auch im Revisionsverfahren weiterhin, ob in Ansehung der gegenständlichen Verpfändung des Liegenschaftsanteils der Zweit- und Drittbeklagten zwischen diesen einerseits und der Erstbeklagten andererseits eine Kollision im Sinne des § 271 ABGB vorliegt, die die Bestellung eines Kurators für die zum Zeitpunkt der Übernahme der Sachhaftung beide noch minderjährigen Zweit- und Drittbeklagten erfordert hätte.
Die Revisionswerberin räumt ausdrücklich ein, dass das Berufungsgericht der höchstgerichtlichen Judikatur zu § 271 ABGB (EFSlg 66.168 mwN; EFSlg 71.964; EFSlg 84.264; 8 Ob 137/99a mwN) gefolgt sei. Es liege aber, da die Verpfändung zur Sicherstellung eines Zwischendarlehens vor Gewährung eines Bauspardarlehens erfolgt sei, eine "gesetzlich gebundene" Darlehensgewährung und damit kein tatsächlicher Interessenwiderstreit vor. Es handle sich dabei um eine im Bauspargeschäft oft vorkommende Fallkonstellation und daher um keinen Einzelfall.
Für den Standpunkt der Revision, es liege keine qualifizierte, die Bestellung eines Kollisionskurators nach § 271 ABGB erforderlich machende Kollision vor, scheint die (von der Revisionswerberin allerdings nicht zitierte und auch von den Vorinstanzen nicht erwähnte) Entscheidung 1 Ob 180/63, EFSlg 1.396 = RpfSlgA 1964/4300 zu sprechen, in der die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators für minderjährige Kinder für die Genehmigung einer Darlehensaufnahme für den Fall verneint wurde, dass die Darlehensaufnahme zum Zweck der Reparatur und des Ausbaues der Liegenschaft erfolgte, die - wie hier - der Mutter und den Kindern gemeinsam gehörte. Eine Generalisierung dieses Falles in Form des der Veröffentlichung in RpfSlgA 1964/4300 vorangestellten Leitsatzes, bei gerichtlicher Genehmigung eines Darlehensvertrages bezüglich minderjähriger Beteiligter sei die Bestellung eines Kollisionskurators nicht erforderlich, ist allerdings nicht möglich. Zu betonen ist nämlich, dass die Verwendung des Darlehens zu dem angegebenen, (auch) im Interesse der Kinder gelegenen Zweck in der zitierten Entscheidung offenbar gesichert erschien. Damit unterscheidet sich dieser Fall aber wesentlich von der vorliegenden Causa, in der die Verwendung zu dem im Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Verpfändung angegebenen Zweck der Errichtung eines Zubaus (der auch den Kinder zugutegekommen wäre) nicht nur zweifelhaft, sondern bereits vereitelt erscheint:
steht doch fest, dass die Mutter (Erstbeklagte) das Darlehen bereits "sonst wie" verwendet hat. Dass diese tatsächliche Verwendung zum Wohle bzw Vorteil der Zweit- und Drittbeklagten und daher (auch) in deren Interesse geschehen wäre, wurde von der klagenden Partei nicht einmal behauptet.
Damit erweisen sich die Auffassung des Berufungsgerichtes, auf dessen übrige - zu Recht von der Revision nicht weiter bekämpfte - Ausführungen, insbesondere auch zu den Konsequenzen der nunmehrigen Großjährigkeit des Zweitbeklagten, im Einzelnen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO), dass eine Kollision im Sinne des § 271 ABGB vorgelegen habe, die die Bestellung eines Kollisionskurators erfordert hätte und die daraus abgeleitete rechtliche Konsequenz, dass die Übernahme der Sachhaftung durch die Zweit- und Drittbeklagten mangels Kuratorbestellung nicht gültig erfolgt sei, frei von Rechtsirrtum. Die gemäß § 154 Abs 3 ABGB jedenfalls erforderliche gerichtliche Genehmigung des Pfandvertrages, auf die die Revisionswerberin pocht, erscheint in einem Fall, wie dem vorliegenden, wegen der begrenzten Möglichkeiten des Gerichts nicht ausreichend. Das Gericht kann nämlich das Geschäft nur entweder genehmigen oder ablehnen, nicht jedoch modifizieren (vgl Dullinger,
Die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei Rechtsgeschäften, RZ 1986, 202 [206]). Einem Kollisionskurator wäre es hingegen - etwa durch entsprechende vertragliche bzw treuhändische Maßnahmen - möglich gewesen, als Voraussetzung der Verpfändung die Darlehensauszahlung von der Erfüllung eines im Interesse der Kinder gelegenen Darlehenszwecks abhängig zu machen (vgl neuerlich Dullinger aaO). Dass die pflegschaftsbehördliche Genehmigung nicht die - die Ungültigkeit des Vertrages bewirkende - mangelnde Bestellung eines Kollisionskurators ersetzen kann (EvBl 1971/106 = JBl 1971, 200 = EFSlg 13.557; MietSlg 34.008), wird auch von der Klägerin ohnehin nicht in Zweifel gezogen.
Ob allenfalls, wie die Revisionswerberin behauptet, die zweckgebundene Verwendung eines Bauspardarlehens für "wohnungswirtschaftliche Maßnahmen" iSd § 1 Abs 3 Bausparkassengesetz im Interesse der Zweit- und Drittbeklagten durchsetzbar und insofern beachtlich wäre, muss hier nicht weiter untersucht und erörtert werden, da die Behauptung, das gegenständliche Darlehen sei ein "gesetzlich gebundenes" Bauspardarlehen, von der Klägerin erstmals in der Revision erhoben wurde und zufolge des Neuerungsverbots des § 482 ZPO daher unbeachtlich ist.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass im vorliegenden Fall noch die vor dem Inkrafttreten des KindRÄG 2001 am 1. 7. 2001 in Geltung gestandene Fassung des § 271 ABGB maßgebend ist. Dies ist aber insofern ohne Bedeutung, als die bisherige Lehre und Rechtsprechung zu § 271 ABGB ungeachtet der Neufassung dieser Bestimmung im Ergebnis weiter gültig bleibt (NR GP 21. RV 296 S 79). Die Revision muss erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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