Spruch:
Ludwig L***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss gab der Gerichtshof zweiter Instanz den Beschwerden des seit 3. Februar 2002 in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten Ludwig L***** gegen die Haftfortsetzungsbeschlüsse der Untersuchungsrichterin vom 15. Mai 2002 (ON 77/III) sowie vom 3. Juni 2002 (ON 82/III) nicht Folge und sprach aus, dass die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 1 und 3 (lit a wurde nicht mehr angenommen) lit b und c StPO mit Wirksamkeit bis längstens 14. August 2002 fortzusetzen sei.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes ist Ludwig L***** (nur mehr) dringend verdächtig, das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB dadurch begangen zu haben, dass er (hier zusammengefasst wiedergegeben) gewerbsmäßig (§ 70 StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Täuschungsvorsatz, zahlungsfähig und zahlungswillig zu sein, (zu A 1. bis 7.) zwischen 28. April und 6. August 2001 in Graz und anderen Orten Österreichs sowie in Possenhofen/BRD sechs namentlich angeführte Hotelinhaber und einen Restaurantbetrieb zur Gewährung von Unterkunft und/oder Ausfolgung von Getränken und Speisen verleitet und solcherart um insgesamt 4.029,50 EUR vorsätzlich geschädigt, ferner (zu B 1. bis 3.) zwischen 25. Jänner und 10. Juli 2001 in Salzburg drei Telefonbetreiberfirmen zur Anmeldung und Freischaltung von Telefonanschlüssen verleitet und dadurch um insgesamt 3.365,44 EUR vorsätzlich gschädigt hat.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde, in der sich der Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit mehrfach (Punkte 3. a bis d der Beschwerdeschrift) verletzt erachtet, ist nicht im Recht.
Zu a) Ablauf der Haftfrist:
Entgegen dem Beschwerdestandpunkt findet die Bestimmung des § 221 Abs 1 StPO bei Haftverhandlungen keine Anwendung. Denn wegen der gebotenen Dringlichkeit von Haftentscheidungen hat der Gesetzgeber mit gutem Grund für solche Fälle keine bestimmte Vorbereitungsfrist vorgesehen. Gemäß § 182 Abs 1 StPO genügt es vielmehr, dass die dort genannten Personen (hier konkret: der Beschuldigte) vom Termin - unter Umständen auch erst verhältnismäßig kurzfristig vorher - verständigt werden (EvBl 1995/179 = RZ 1996/50; Foregger/Fabrizy StPO8 § 181 Rz 5). Da der Beschuldigte seit der Haftverhandlung vom 5. März 2002 vom vorläufig fixierten Ende der Haftfrist Kenntnis hatte, konnte er vom neuen Termin 15. Mai 2002 in einer seine Vorbereitung beeinträchtigenden Weise nicht überrascht werden. Den zentralen Beschwerdeeinwand hinwieder, der Haftfortsetzungsbeschluss vom 15. Mai 2002 (ON 77) sei nicht an diesem Tag, somit noch vor Ablauf der Haftfrist, sondern erst verspätet, demnach unzulässig (15 Os 139/97), am 23. Mai 2002 ergangen (gefasst worden), gründet die Beschwerde lediglich auf die apodiktische Behauptung "Diese Einlassung der Untersuchungsrichterin [wie sie auf Seite 1 j des Antrags- und Verfügungsbogens schriftlich festgehalten und in der Haftprüfungsverhandlung am 3. Juni 2002 korrespondierend dazu mündlich erläutert wurde] ist daher absolut tatsachenwidrig und unrichtig".
Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Denn zum einen trägt die im Akt erliegende Urschrift dieses Beschlusses das Datum 15. Mai 2002, zum anderen ist die von der Untersuchungsrichterin dazu gelieferte Erklärung, wonach bei (irrtümlich) fehlerhafter Computerprogrammierung in den Ausfertigungen nicht das "Beschlussdatum", sondern das spätere "Aus-[ersichtlich gemeint: das Ab-]fertigungsdatum" ausgedruckt werde, gerichtsbekanntermaßen technisch durchaus möglich und in der Praxis auch schon im Einzelfall vorgekommen. Da der Beschwerdeführer keine sonstigen objektiv fundierten Indizien für seine grundlose Anschuldigung ins Treffen zu führen hat, ist von der Richtigkeit der aktenkundigen Erklärung der Untersuchungsrichterin auszugehen, dass der schriftliche Beschluss tatsächlich rechtzeitig am 15. Mai 2002 ergangen ist (§ 181 Abs 5 StPO).
Im Übrigen ist für die Überprüfung eines Beschlusses ebenso wie eines Urteils nur dessen Urschrift von Bedeutung (vgl dazu Mayerhofer StPO4 § 270 E 36), was die Untersuchungsrichterin freilich nicht gehindert hätte, die den Parteien zugestellten Ausfertigungen über Antrag datumsmäßig an die Urschrift anzugleichen. Schließlich ist das Motiv des Beschuldigten für dessen erklärten Verzicht auf Durchführung der für den 15. Mai 2002 anberaumten Haftverhandlung (ON 70/III) unbeachtlich.
Zu b) Zum Tatverdacht:
Abgesehen davon, dass ein (zu Unrecht oder zu Recht angenommener) Tatverdacht immer zu Lasten des Betroffenen ausschlägt und die vom Beschuldigten kritisierte Tatsache, dass "Fakten und Schadenssummen (so u.a. auch durch das OLG Linz) sukzessive reduziert wurden", ihm zum Vorteil gereicht und geradezu für eine sorgfältige und verantwortungsvolle Bearbeitung der Haftsache durch die befassten Gerichte spricht, ist die Begründung des Gerichtshofs zweiter Instanz keineswegs "unklar, definitiv unrichtig, unsachlich und rechtlich sehr bedenklich".
Vielmehr hat das Beschwerdegericht - bei verständiger Leseart der gesamten Entscheidungsbegründung - den qualifizierten Tatverdacht bezüglich der in den Punkten A und B geschilderten Sachverhalte aktengetreu, eindeutig, zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und ohne Verstoß gegen Grundsätze logischen Denkens auf mehrere - in ihrem Zusammenhang betrachtet - tragfähige Prämissen gestützt, nämlich auf die umfangreichen sicherheitsbehördlichen Erhebungen (einschließlich sichergestellter Rechnungen und Mahnungen), die in einem Fall zur objektiven Tatseite geständigen Verantwortung (wobei die eingewendete "zivilrechtliche" Erledigung der Angelegenheit beim Bezirksgericht Bruck an der Mur vorweg nichts gegen den Betrugsverdacht aussagt), ferner auf seine zahlreichen, spezifisch einschlägigen Vorstrafen sowie auf die prekären finanziellen Verhältnisse (weil er seit Haftentlassung am 13. April 2001 keiner geregelten Beschäftigung nachging, daher bloß Arbeitslosenunterstützung bzw Notstandshilfe bezog).
Die vom Beschwerdeführer an die anlässlich der gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung sichergestellten Rechnungen geknüpfte Behauptung, dadurch sei gegen ihn erst "ein Strafverfahren konstruiert und auf die Adressaten Druck ausgeübt worden, gegen ihn Strafanzeige zu erstatten", entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Der Hinweis auf Art 2 Abs 2 PersFrSchG geht ins Leere, weil sich Ludwig L***** nicht deswegen in Untersuchungshaft befindet, "weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen", sondern wegen des dringenden Betrugsverdachts.
Zu c) Zu den angenommenen Haftgründen:
Zutreffend erblickt das Oberlandesgericht in der (gewerbsmäßigen) Faktenhäufung, den achtzehn einschlägigen Vorstrafen, im überaus raschen Rückfall nach Verbüßung einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe wegen Vermögensdelikten sowie in der oben erwähnten tristen fianziellen Situation und der problematischen Persönlichkeit (der gerichtspsychiatrische Sachverständige Univ. Prof. Dr. Bernhard Mitterauer bezeichnet die Tathandlungen des Beschuldigten als typisch für einen "Hochstapler") jene bestimmten Tatsachen für die Annahme der konkreten Gefahr, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weitere strafbare Handlungen im Sinne des § 180 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO verüben. Diesen Ausführungen setzt der Beschwerdeführer nur seine leugnende Verantwortung und teils unsachliche, teils spekulative Argumente entgegen.
Angesichts des gegebenen Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr erübrigt es sich, bei Prüfung der Frage einer Grundrechtsverletzung auch noch auf den weiteren Haftgrund der Fluchtgefahr einzugehen (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24 f; zuletzt 13 Os 76/02).
Zu d) Zur Verzögerung der Voruntersuchung:
Richtig ist zwar, dass Ludwig L***** nach der vorliegenden Aktenlage vom Untersuchungs-(Journal)Richter bisher nicht zu allen Betrugsvorwürfen, auch nicht zu einzelnen haftbegründenden Anschuldigungspunkten (A und B) gerichtlich vernommen worden ist (vgl ON 5/I), was - gegebenenfalls - unverzüglich nachzuholen sein wird. Eine grundrechtsrelevante Verzögerung oder Verschleppung, welche ausschließlich daran zu beurteilen ist, ob sie zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft geführt haben (Hager/Holzweber aaO E 1), ist dadurch - der Beschwerde zuwider - jedoch nicht eingetreten, zumal weitere Erhebungsergebnisse noch ausstehen (vgl ON 30/II). Sonstige im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens zu beanstandende Verzögerungen oder Verschleppungen des Verfahrens, die von der Beschwerde auch nicht konkretisiert werden, können vom Obersten Gerichtshof auf Aktengrundlage nicht festgestellt werden. Soweit sie berechtigt waren, hat bereits die gemäß § 113 StPO angerufene Ratskammer Abhilfe geschaffen. Dennoch wird auf einen ehebaldigen Abschluss der Voruntersuchung hinzuarbeiten sein.
Zu e) Zur Unverhältnismäßigkeit:
Die knapp viereinhalb Monate dauernde Untersuchungshaft (bezogen auf den Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung) ist bei verdachtskonformer Verurteilung angesichts der aktuellen Strafdrohung des ersten Strafsatzes des § 148 StGB von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und der wiederholt einschlägig vorbestraften Täterpersönlichkeit des Beschwerdeführers (noch) nicht unverhältnismäßig; dies auch nicht unter der (noch zu überprüfenden) Annahme, dass er sich vom 18. Oktober 2001 bis 8. Jänner 2002 tatsächlich in dieser Sache in (gemäß § 38 StGB anrechenbarer) "Abschiebehaft" befunden hat (vgl hiezu die nicht eindeutige Haftbestätigung vom 20. Februar 2002 S 121/III). In diesem Zusammenhang spielt die Verurteilung durch das Amtsgericht München am 17. Dezember 2001, GZ 852 DS 384JS47439/01, zu neun Monaten Freiheitsstrafe keine Rolle, weil für die Verhältnismäßigkeitsprüfung ausschließlich die im gegenständlichen Verfahren erlittene Haft maßgebend ist (Hager/Holzweber aaO E 3 f).
Soweit sich der Beschuldigte - der Sache nach (vergleiche: "Durch den unangefochtenen Beschluss werden sämtliche Voraussetzungen der Haft, ....... unrichtig beurteilt.") - zudem gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft knapp über sechs Monate hinaus (Ende der Haftfrist 14. August 2002) beschwert, rechtfertigt zumindest der besondere Umfang der Voruntersuchung, die eine Vielzahl von teilweise im Ausland geschehener Sachverhalte umfasst, im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr die getroffene Entscheidung (§ 194 Abs 3 StPO).
Da sohin Ludwig L***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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