OGH 16Ok6/02

OGH16Ok6/021.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horst Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Birgit Langer und Dr. Manfred Vogel und die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Thomas Lachs als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragsstellerinnen 1. S***** GmbH & Co KG, *****, 2. S***** GmbH, *****, 3. K***** GmbH & Co KG, *****, und 4. H***** GmbH, *****, alle vertreten durch Saxinger, Chalupsky, Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung nach § 8a KartG (zwischenbetriebliche Zusammenarbeit iSd § 17 KartG), über den Rekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 5. Dezember 2001, GZ 25 Kt 358/01-9, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Gegenstand des Unternehmens der Erstantragstellerin, einer GmbH & Co KG, sind nach dem am 19. 6. 2001 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag ausschließlich die Transport-Logistik im Bereich von Steinbruchprodukten jeder Art (insbesondere die Vermittlung von Schottertransporten) durch Einrichtung und Einsatz von Förderungs-, Lade- und Lagereinrichtungen, sowie die Abrechnung des Vertriebs im Bereich von Steinhubprodukten durch Einrichtung und Einsatz von Buchungs- und Rechenanlagen. Vom Unternehmensgegenstand ausgenommen sind jedenfalls die Durchführung von Transporten durch die Gesellschaft selbst und jegliche Tätigkeiten im Bereich des Verkaufs, die über den beschriebenen Unternehmensgegenstand hinausgehen. Die Zweitantragstellerin, eine GmbH, ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Erstantragstellerin und lediglich deren Arbeitsgesellschafterin. Sowohl an der Erst- als auch an der Zweitantragstellerin sind die Dritt- und die Viertantragstellerinnen, die beide Schotterwerke betreiben und verschiedenen Unternehmensgruppen angehören, je zur Hälfte beteiligt; sie unterliegen keinem Wettbewerbsverbot.

Punkt 18 des Gesellschaftsvertrages der GmbH & Co KG lautet: "Die Gründung dieser Gesellschaft unterliegt im Hinblick auf ihren beschränkten Unternehmensgegenstand gemäß § 17 Abs 2 Z 2 und 5 KartG bzw den entsprechenden Bestimmungen der dazu ergangenen Durchführungsverordnung (Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 6. 4. 1989, BGBl 1989/185) keinem kartellrechtlichen Verbot. Aufgrund des eingeschränkten Unternehmensgegenstandes liegt auch im Hinblick auf Punkt II Z 2 lit a und Punkt II Z 4 der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen keine kartellrechtlich relevante Wettbewerbsbeschränkung vor".

Neben diesen Feststellungen legte das Erstgericht das unwidersprochen gebliebene Vorbringen der Antragstellerinnen zugrunde, nach dem der örtlich relevante Markt im Schotterbereich - auf dem die Gesellschafterinnen als Wettbewerber tätig sind - auf einen Radius von ca 50 km beschränkt ist. Das Vertragsgebiet umfasst große Teile des südlichen Burgenlands und angrenzende Gebiete in der Oststeiermark. Die Vereinbarung ist somit nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der EG bzw des EWR zu beeinflussen. Das europäische Kartellrecht findet auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung.

Die Antragstellerinnen begehren gemäß § 8a KartG die Feststellung, dass der "Zusammenschluss" der Zweit-, der Dritt- und der Viertantragstellerin zur Erstantragstellerin eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit iSd § 17 KartG sei, die nicht den Bestimmungen des Kartellgesetzes unterliege und von seiner Anwendung ausgenommen sei.

Sie brachten dazu vor, die Gründung der Erstantragstellerin verfolge die Zielsetzung, Synergien im Bereich der Transport-Logistik zu nützen. Die Gesellschaft solle die jeweiligen Frachtaufträge vermitteln, sodass Leerfahrten verringert bzw vermieden und die Transportwege so kurz wie möglich gehalten werden könnten. Innerhalb des Vertragsgebiets betrieben die Dritt- und die Viertantragstellerin je einen Steinbruch. Beide Steinbrüche kämen jeweils auf eine Schottergewinnung von ca 500.000 Jahrestonnen. Im Bereich des örtlich relevanten Markts werde eine Schottermenge von ca 2,000.000 Jahrestonnen gewonnen, in Österreich eine Schottermenge von ca 80,000.000 Jahrestonnen.

Beabsichtigt sei ein Rahmenvertrag, in dem sich die Gesellschafter für den Bereich Transport-Logistik verpflichteten, exklusiv die Erstantragstellerin heranzuziehen. Dies werde für ein durch die Vertragspartner festzulegendes Vertragsgebiet gelten, und zwar für die in diesem Gebiet bestehenden Steinbrüche der Gesellschafter. Im Rahmenvertrag solle - unabhängig von der Anzahl der Kilometer - die Art des Fahrzeugs und der Transportpreis festgelegt werden. Die Beauftragung und Bezahlung der Frächter erfolge direkt durch die Erstantragsstellerin, die dann die Frachtkosten den jeweiligen beauftragenden Gesellschaftern verrechnen solle, und zwar mit einer Vermittlungsprovision in Form eines Zuschlags von 7,5 %, was einem international angemessenen Provisionszuschlag entspreche. Die Erstantragstellerin solle auch eine gemeinsame Abrechnungssoftware und gemeinsame Abrechnungstechniken entwickeln, um in weiterer Folge für die Gesellschafter die Abrechnung ihres Betriebs im Vertragsgebiet vorzunehmen.

Auf Anfrage des Kartellgerichts teilten die Antragstellerinnen ergänzend mit, dass sich die Dritt- und die Viertantragstellerin für das Vertragsgebiet verpflichteten, exklusiv die Erstantragstellerin heranzuziehen. Das bedeute, dass die beiden Gesellschafterinnen für die im Transportgebiet bestehenden Steinbrüche keine Transportaufträge erteilen würden, also weder an Transportunternehmen noch an Logistik-Unternehmen. Die Gesellschafterinnen sollten jedoch berechtigt bleiben, allenfalls Transporte selbst mit eigenen Fahrzeugen durchzuführen. Wegen des beschränkten Fuhrparks werde diese Möglichkeit jedoch keine große praktische Bedeutung erlangen. Die gemeinsame Abrechnung betreffe die Lieferungen, also Schotter und Splitt. Die Abrechnung durch die Erstantragstellerin solle lediglich im Innenverhältnis erfolgen, also als Dienstleistung im Auftrag der Gesellschafterinnen. Die Abwicklung der Kundenbeziehungen und insbesondere auch die Festlegung der Preise erfolge nach wie vor durch die Gesellschafterinnen. Die Abrechnung beschränke sich auf faktische Tätigkeiten. Die Gesellschafterinnen verrechneten in Übereinstimmung mit den Branchengepflogenheiten Inklusivpreise, die bereits die Transportleistungen beinhalteten. Die Schotterpreise verstünden sich also als Preis des Schotters inklusive Lieferung frei Haus bzw auf die Baustelle.

Das Erstgericht wies den Feststellungsantrag ab und begründete dies zusammengefasst wie folgt:

Die Freistellungsverordnung BGBl 1989/185 sei in weiten Teilen der Kooperationsbekanntmachung der Europäischen Kommission vom 29. 7. 1968 (ABl C 75/3) nachempfunden; es sei daher geboten, bei der Auslegung dieser Verordnung auch auf die europäische Kooperationsbekanntmachung und die dazu entwickelte Praxis Bedacht zu nehmen.

Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der gemeinsamen Abrechnung falle unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Z 1 lit h der Freistellungsverordnung, die ihr Vorbild in P II 2 der Kooperationsbekanntmachung habe. Die vorgesehene Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Transport-Logistik falle unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Z 1 lit d der Freistellungsverordnung (Bildung und Benützung gemeinsamer Beförderungs-, Lade- und Ladeeinrichtungen sowie gemeinsamer Ausstellungsräume) und entspreche P II 4 der Kooperationsbekanntmachung; sie decke die vorgesehene Transport-Logistik jedoch nur insoweit ab, als diese nicht im Abschluss von Verträgen mit Frachtunternehmen bestehe, die als Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Einkaufs zu beurteilen sei. Nach § 1 Z 1 lit a der Freistellungsverordnung seien Vereinbarungen, die nur die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Einkaufs zum Gegenstand hätten, freigestellt, soweit weder eine ausschließliche Bindung an die Einkaufsquelle noch eine Pflicht zu einer Mindestabnahme, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit begründe, noch eine Bindung hinsichtlich der Preise oder der sonstigen Verkaufsbedingungen bestehe. Diesem Freistellungstatbestand habe der Text der europäischen Kooperationsbekanntmachung nicht als Vorbild gedient, weil die - allenfalls kartellfreien - Einkaufskooperationen in der europäischen Kooperationsbekanntmachung nicht erfasst seien; diese zähle indes die Formen kartellfreier Zusammenarbeit nicht erschöpfend auf. Aus der Nichterwähnung des gemeinsamen Einkaufs in der Kooperationsbekanntmachung könne nicht geschlossen werden, dass der gemeinsame Einkauf in der Regel gegen Art 81 Abs 1 EG verstoße. Nach der Praxis der Europäischen Kommission zur Zeit der Erlassung der österreichischen Freistellungsverordnung sei es entscheidend darauf angekommen, dass es den beteiligten Unternehmen freistehe, auch direkt und nicht über die gemeinsame Stelle einzukaufen. Läge Bezugszwang vor, und sei es nur für 25 % des Bedarfs, sei der gemeinsame Einkauf als gegen Art 85 Abs 1 (= Art 81 Abs 1 EG neu) verstoßend anzusehen, weil der Nachfragewettbewerb eingeschränkt werde. Als wichtig werde weiters angesehen, dass die beteiligten Unternehmen beim Weiterverkauf der Waren, die sie von der gemeinsamen Stelle beziehen, in der Gestaltung ihrer Abgabepreise und Bedingungen frei seien (hiezu Gleiss/Hirsch Komm zum EG-Kartellrecht4 I 192, 230 f). Der Text des § 1 Z 1 lit a der Freistellungsverordnung lege daher die Annahme nahe, dass auch hiefür die europäische Praxis als Vorbild gedient habe.

Eine ausschließliche Bindung der Mitglieder einer Einkaufskooperation an eine einzige Einkaufsquelle bestehe nicht, wenn jedem Mitglied der Bezug aufgrund eigener Vertragsverhandlungen zu selbst gewählten Konditionen weiterhin unbenommen bleibe (KG 8. 9. 1997, 26 Kt 299, 300/97). Diese Voraussetzung sei bei der geplanten Kooperation nicht erfüllt, weil nach dem ergänzenden Vorbringen der Antragstellerinnen die vorgesehene Exklusivvereinbarung vorsehe, dass die Dritt- und die Viertantragstellerin für die im Vertragsgebiet bestehenden Steinbrüche keine Transportaufträge, weder an Transport-Unternehmen, noch an Logistik-Unternehmen, erteilen dürften; der Transport durch eigene Fahrzeuge der Dritt- und Viertantragstellerin werde keine große praktische Bedeutung erlangen, sodass wegen der sich weitgehend auswirkenden Abnahmeverpflichtung eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Gesellschaft gegenüber der Einkaufskooperation begründet wäre. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss dahin abzuändern, dass ihrem Feststellungsantrag Folge gegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Soweit die Rekurswerberinnen behaupten, aus dem Wort "nur" im Einleitungssatz zu § 1 Z 1 der Freistellungsverordnung ("Vereinbarungen, die nur zum Gegenstand haben"), ergebe sich, dass die Tatbestände der Z 1 in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stünden, und dass dann, wenn die Erfüllung eines Freistellungstatbestands anerkannt sei, wettbewerbsrelevante Aspekte nicht an den Voraussetzungen anderer Freistellungstatbestände zu messen seien, kann dieser Ansicht nicht näher getreten werden. Es ist evident, dass dann, wenn die zu beurteilende Gesamtvereinbarung verschiedene der in § 1 Z 1 lit a bis l aufgezählten Vereinbarungen enthält, eine Feststellung, dass diese Vereinbarung insgesamt nicht dem KartG unterliege, nur dann erfolgen kann, wenn jede diese Vereinbarungen freigestellt ist.

Grundsätzlich fällt - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - die Transport-Logistik unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Z 1 lit d (gemeinsame Beförderungseinrichtungen). Die Antragstellerinnen haben aber in ihren Vertragsbedingungen zugleich auch eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Einkaufs von Transportleistungen (§ 1 Z 1 lit a) getroffen, die nach § 1 Z 1 lit a der Verordnung von der Anwendung des Kartellgesetzes nicht ausgenommen sind, weil eine Exklusivbindung für den Einkauf von Transportleistungen vereinbart wurde; die Dritt- und die Viertantragstellerin dürfen für das Vertragsgebiet weder an Transportunternehmen noch andere Logistik-Unternehmen Transportaufträge erteilen; es ist ihnen lediglich gestattet, Eigentransporte durchzuführen, denen aber nach eigenen Angaben mangels entsprechenden Fuhrparks keine besondere Bedeutung zukommen wird. Es liegt somit eine ausschließliche Bindung an die einzige Einkaufsquelle (die Erstantragstellerin) vor, die für die Dritt- und die Viertantragstellerin zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Erstantragstellerin führen muss, weil sie mangels (ausreichendem) eigenen Fuhrparks unbedingt Fremdtransportleistungen benötigen und diesen Bedarf nur bei der Erstantragstellerin decken dürfen. Eine solche Exklusivbindung an die einzige Einkaufsquelle von Transportleistungen stellt grundsätzlich eine kartellrechtlich relevante Einschränkung des Nachfragewettbewerbs dar. Selbst wenn man den Einkauf von Transportleistungen nicht als eigenen - infolge der Exklusivbindung nicht freigestellten - Tatbestand iSd § 1 Z 1 lit a der Freistellungsverordnung, sondern nur als Nebenbedingung zu § 1 Z 1 lit d dieser Verordnung ansehen würde, kann diese Exklusivbindung - entgegen der Ansicht der Rekurswerberinnen - nicht als "funktionsnotwendig" für die Realisierung der gemeinsamen Zweckverfolgung "Transport-Logistik" angesehen werden. Die Antragstellerinnen erstatteten hiezu in erster Instanz weder ein Vorbringen noch ein Beweisanbot und konnten auch im Rekursverfahren nicht schlüssig darlegen, dass diese Exklusivbindung unabdingbar für die Durchführung der geplanten, an sich wettbewerbsneutralen gemeinsamen Transportlogistik wäre (zur schwierigen Abgrenzung zwischen funktionsnotwendigen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln in einem an sich unbedenklichen Hauptvertrag [sog "ancillary restraints"], die von vornherein kartellrechtsimmun sind, und Beschränkungen, die "bloß" volkswirtschaftlich gerechtfertigt [und daher genehmigungsfähig] sind, anschaulich Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht 30 ff, insb 33; zuletzt KOG in ÖBl 2002, 27 - Steinbruch). Ist das nicht der Fall, kann dem Antrag auf Feststellung einer zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit iSd § 17 KartG, die nicht den Bestimmungen des KartG unterliegt und von seiner Anwendung ausgenommen ist, nicht Folge gegeben werden. Die Frage, ob ein Bagatellkartell vorliegt oder ob die Vereinbarung in der vorliegenden Form genehmigungsfähig wäre, ist nicht Verfahrensgegenstand.

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