OGH 15Os55/02

OGH15Os55/0227.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kubina als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Frano D***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 Satz zwei, erster und zweiter Fall StGB über 1. die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemäß § 285b Abs 1 StPO gefassten Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichtes vom 28. Februar 2002, GZ 35 Hv 1061/01v-52, sowie

2. die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 21. Dezember 2001, GZ 35 Hv 1061/01v-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

  1. 1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
  2. 2. Mit der am 10. Mai 2002 vom gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

    3. Zur Entscheidung über die (angemeldete) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 21. Dezember 2001 wurde der durch den gewählten Verteidiger Dr. Leopold Hirsch vertretene (damals auf freiem Fuß befindliche) Angeklagte Frano D***** des Verbrechens des (richtig - US 4) gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 Satz 2, erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem höheren Strafsatz des § 130 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehenen (zusätzlichen) Freiheitsstrafe verurteilt (ON 47). Nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung behielt sich der Angeklagte (nach Rücksprache mit seinem Verteidiger) drei Tage Bedenkzeit vor (S 312). In einem am 24. Dezember 2001 vom Wahlverteidiger persönlich dem Erstgericht überreichten Schriftsatz meldete er "Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde" an, ohne darin einen der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen (ON 48). Am 22. Jänner 2002 übernahm der Wahlverteidiger in seiner Kanzlei (unbeanstandet) eine Urteilsausfertigung (S 323). Am 19. Februar 2002, dem letzten Tag der vierwöchigen Frist zur Rechtsmittelausführung (§ 285 Abs 1 StPO), ersuchte der (seit 1. Februar 2002 in einem anderen Strafverfahren in Untersuchungshaft einsitzende) Frano D***** in einer von ihm unterfertigten Eingabe, ihm einen Verteidiger nach § 41 Abs 2 StPO zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde beizugeben (ON 51). Auf den ihm noch am selben Tag übermittelten Hinweis des Vorsitzenden, "dass er mit Dr. Hirsch bereits einen Verteidiger mit aufrechter Vollmacht hat" (S 1k des Antrags - und Verfügungsbogens), erfolgte von keiner Seite eine Reaktion, insbesondere keine Mitteilung über eine allenfalls erfolgte Beendigung des Vollmachtsverhältnisses.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Vorsitzende nach ungenütztem Verstreichen der vierwöchigen Frist zur Rechtsmittelausführung die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285a Z 2 StPO zurück (ON 52). Dieser Beschluss, welcher sowohl dem Wahlverteidiger (Dr. Hirsch) als auch dem Angeklagten jeweils zu eigenen Handen (mit RS blau) am 5. März 2002 zugestellt worden war (S 335), blieb innerhalb der vierzehntägigen Beschwerdefrist (§ 285b Abs 2 StPO) unbekämpft. Nach Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über die angemeldete Berufung des Angeklagten gab der Gerichtshof zweiter Instanz mit Note vom 29. März 2002 dem Erstgericht bekannt, dass "der bisher tätig gewordenen Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Leopold Hirsch, Salzburg, nach einer vom gefertigten Gericht telefonisch eingeholten Auskunft das Vertretungsverhältnis beendet hat und daher auch die angemeldete, bisher aber nicht ausgeführte Strafberufung nicht ausführen werde". Gleichzeitig forderte das Berufungsgericht den Vorsitzenden auf, "über den Antrag des Angeklagten Frano D***** in ON 51 auf Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO zu entscheiden" (ON 55).

Daraufhin wurde mit Beschluss vom 8. April 2002 (ON 56) dem Angeklagten ein Verfahrenshilfeverteidiger nach § 41 Abs 2 StPO "zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil vom 21. Dezember 2001, ON 47" beigegeben. Zugleich verfügte der Vorsitzende die Zustellung einer Urteilsausfertigung an den vom Ausschuss der Salzburger Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom 10. April 2002 bestellten Verteidiger Dr. Robert Pressl (ON 56 iVm S 3l verso), welcher sie am 11. April 2001 übernahm (S 323). In einem beim Erstgericht am 26. April 2002 eingelangten Schriftsatz stellte der gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebene Verteidiger den Antrag, ihm den Zurückweisungsbeschluss, von dem er erst durch Akteneinsicht am 15. April 2002 Kenntnis erlangt habe, zuzustellen. Gleichzeitig erhob er Beschwerde gegen diesen Beschluss mit der wesentlichen Begründung, dass der Angeklagte das Vollmachtsverhältnis mit seinem Verteidiger (Dr. Hirsch) innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist aufgelöst und deshalb am 18. Februar 2002 einen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gestellt habe. Die seinerzeitige Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses an den nicht mehr bevollmächtigten Verteidiger Dr. Hirsch sei daher nicht rechtswirksam erfolgt. Am 10. Mai 2002 langte beim Erstgeicht eine von Dr. Pressl ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde ein.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet der (verfehlten) Bestellung des Dr. Robert Pressl zum Verteidiger gemäß § 41 Abs 2 StPO zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde sind die von ihm ausgeführten Rechtsmittel der Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde verspätet.

Ein vor Ablauf der Frist zur Rechtsmittelausführung gestellter Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wirkt nur dann fristverlängernd gemäß der Vorschrift des § 43a StPO, wenn der Antrag von einem unvertretenen Angeklagten gestellt wird (15 Os 179/01, in diesem Sinn auch 13 Os 182/01, 2/02; anders noch 11 Os 5/94). Aufgrund der dem Erstgericht vorliegenden Aktenlage war der Angeklagte jedoch am 19. Februar 2002 bei Antragstellung auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs 2 StPO weiterhin durch den Wahlverteidiger Dr. Hirsch vertreten. Davon konnte der Vorsitzende auch noch am 28. Februar 2002 bei Fassung des angefochtenen Zurückweisungsbeschlusses (ON 52) ausgehen (vgl dazu Mayerhofer StPO4 § 44 E 23 und 25; § 79 E 10 f und 14). Dies umso mehr, als trotz seiner Verständigung vom aktenkundigen aufrechten Bestehen des Vollmachtsverhältnisses weder der Angeklagte selbst noch sein Wahlverteidiger dem Gericht eine gegenteilige Äußerung übermittelten. Demzufolge erwuchs der vom Vorsitzenden gemäß § 285b Abs 1 iVm § 285a Z 2 StPO gefasste und rechtswirksam zugestellte Beschluss nach ungenütztem Ablauf der 14tägigen Beschwerdefrist am 19. März 2002 in Rechtskraft, weshalb die erst am 26. April 2002 vom Verfahrenshilfeverteidiger dagegen erhobene Beschwerde als verspätet zurückzuweisen und der Angeklagte mit der vom Verfahrenshilfeverteidiger gleichfalls verspätet ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen war, zumal dem bekämpften Urteil kein von Amtswegen wahrzunehmender materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund anhaftet und sich auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem erstgerichtlichen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen ergeben (§ 362 Abs 1 StPO). Gemäß § 285i StPO wird das Oberlandesgericht Linz über die angemeldete Berufung des Angeklagten zu entscheiden haben.

Stichworte