Spruch:
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der bezeichneten Auslieferungssache gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschlüssen vom 19. und 26. November 2001 den Beschwerden des Mohammad Abd El Rahman B***** gegen die Erlassung eines Haftbefehles und die Verhängung der Auslieferungshaft (AZ 22 Bs 356, 357/01 = ON 78 des Vr-Aktes) sowie gegen die Fortsetzung der Auslieferungshaft (AZ 22 Bs 375/01 = ON 84) nicht Folge. Diese Beschlüsse wurden dem vom Auszuliefernden gewählten Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Herbert P***** (ON 11) am 26. November 2001 (S 333/II) und 3. Dezember 2001 (S 363/II) zugestellt.
Nach der bereits am 12. November 2001 durchgeführten öffentlichen Verhandlung erklärte das Oberlandesgericht Wien mit mündlich verkündeter Entscheidung die Auslieferung des Mohammad Abd El Rahman B***** nach § 33 ARHG für zulässig (ON 71).
Mit zwei am 10. Dezember 2001 nach 17 Uhr gefaxten Schreiben stellte der Wahlverteidiger beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Krems an der Donau einen Antrag "auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 42 (gemeint offenbar: § 41 Abs 2) StPO zur Einbringung einer Grundrechtsbeschwerde" (beide als ON 88 einjournalisiert, obwohl sie nicht ident sind). Darin kündigte der Wahlverteidiger seine Absicht, gegen die abweislichen Beschwerdebeschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien Grundrechtsbeschwerden zu erheben, an, beantragte ausdrücklich nur hiefür die Bewilligung von Verfahrenshilfe und ersuchte, dass er selbst als Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werde. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2001 beauftragte der Untersuchungsrichter die Rechtsanwaltskammer für Niederösterreich mit der Beigebung eines Verfahrenshelfers "zur Erhebung einer Grundrechtsbeschwerde und das Grundrechtsbeschwerdeverfahren" (S 1o und ON 89), welche am selben Tag (unter "Ignorierung" des Wunsches auf Bestellung des Wahlverteidigers Dr. Herbert P*****) Rechtsanwalt Dr. Frank R***** für die Vertretung "in der Strafsache" beigab (S 390 und 391/II), wovon der Genannte am 14. Dezember 2001 verständigt wurde.
Über Anfrage des Untersuchungsrichters teilte der Wahlverteidiger Rechtsanwalt Dr. Herbert P***** mit Schreiben vom 11. Dezember 2001 mit, dass sich sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nur auf das Grundrechtsbeschwerdeverfahren beziehe und im Übrigen seine Wahlverteidigung aufrecht bleibe (ON 90).
Am 22. Dezember 2001 brachte der Wahlverteidiger als Substitut des Verfahrenshilfeverteidigers beim Landesgericht Krems an der Donau, Oberlandesgericht Wien und Obersten Gerichtshof jeweils per Fax eine Grundrechtsbeschwerde ein, womit der Auszuliefernde die Beschwerdebeschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien vom 19. November 2001 und 19. (richtig: 26.) November 2001 bekämpft; diese verfehlt jedoch schon aus formellen Gründen ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Bestimmung des § 3 Abs 1 letzter Satz GRBG ist der Tag, der für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblich ist (§ 4 Abs 1), nicht angeführt. Der im Schriftsatz erwähnte Zustellungstag des Bescheides der Rechtsanwaltskammer für Niederösterreich, überdies ohne fristauslösendes Aktenstück, ist nicht entscheidend. Hingegen werden die im konkreten Fall relevanten Tage im Sinne des § 4 Abs 1 GRBG, nämlich die jeweiligen Zustellungen der angefochtenen Beschlüsse an den Wahlverteidiger am 26. November und 3. Dezember 2001 in der Grundrechtsbeschwerde nicht genannt.
Die zwar nicht ausdrücklich, aber doch ersichtlich vertretene Auffassung, dass vorliegend ein Neubeginn des Fristenlaufes zur Erhebung der Grundrechtsbeschwerde nach § 43a StPO eingetreten sei, entspricht nicht der Strafprozessordnung. Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung ist es, die Frist für die Ausführung eines Rechtsmittels oder für eine sonstige Prozesshandlung durch die Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO nicht faktisch zu verkürzen (vgl Foregger/Fabrizy StPO8 § 43a Rz 1), nicht allerdings (wie hier), solche Fristen für einen durchgehend von einem Wahlverteidiger vertretenen Beschwerdeführer zu verlängern. Demnach bewirkte weder der am letzten Tag der Ausführungsfrist des erstangefochtenen Beschlusses (10. Dezember 2001) gestellte Verfahrenshilfeantrag des Wahlverteidigers, der an der Einbringung der Grundrechtsbeschwerde nicht gehindert war und selbst keinen Wechsel in der Person des Verteidigers anstrebte, noch die nachfolgende (verfehlte) Beigebung eines Verfahrenshelfers den Beginn eines neuen Fristenlaufes, was auch für den zweitangefochtenen, am 3. Dezember 2001 zugestellten Beschluss gilt.
Grundsätzlich übersehen sowohl der gewählte Verteidiger als auch der Untersuchungsrichter, dass das Einbringen einer Grundrechtsbeschwerde in einem Straf- oder Auslieferungsverfahren kein "neues (anderes) Verfahren" nach sich zieht, sondern bloß eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über diesen Rechtsbehelf im selben Verfahren ist. Somit stellt das Ergreifen einer Grundrechtsbeschwerde eine innerhalb des Vollmachtsverhältnisses zwischen dem Beschuldigten (Angeklagten, hier: Auszuliefernden) und dem gewählten Verteidiger gedeckte einzelne Prozesshandlung dar, die keiner eigenen Vollmacht (§ 44 Abs 1 StPO) und auch keiner gesonderten Verteidigerbestellung bedarf (vgl 13 Os 142/97 = ÖJZ 1998/107).
Vorliegend erklärte der Wahlverteidiger in seinem Schriftsatz vom 11. Dezember 2001 sogar ausdrücklich, dass "in umseits bezeichneter Straf- (gemeint: Auslieferungs-)sache die Wahlverteidigung durch Rechtsanwalt Dr. Herbert P***** aufrecht bleibe" (S 395/II). Die vom gewählten, für das gesamte Verfahren bestellten Verteidiger (und offenbar auch vom Untersuchungsrichter) vertretene Meinung, dass nur zu einer einzelnen Prozesshandlung wie der Einbringung einer Grundrechtsbeschwerde oder "das Grundrechtsbeschwerdeverfahren" die zusätzliche Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers zulässig sei, widerspricht der Systematik der Verfahrenshilfe nach § 41 StPO, weil ein gleichzeitiges Einschreiten von Verfahrenshilfe- und Wahlverteidiger ausgeschlossen ist (§§ 41 Abs 6, 44 Abs 2 StPO). Da der Beschwerdeführer, dessen grundsätzliches Recht, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Verfahrenshilfe in Anspruch zu nehmen, nicht in Frage steht, im Auslieferungsverfahren durchgehend von einem Wahlverteidiger vertreten wurde (was nicht nur durch dessen Schriftsatz vom 11. Dezember 2001, sondern auch durch zwischenzeitig von ihm vorgenommene Prozesshandlungen wie das Einbringen einer weiteren Grundrechtsbeschwerde gegen einen anderen Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien deutlich dokumentiert wird), sind die in der vorliegenden Grundrechtsbeschwerde nicht angeführten, jedoch für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblichen Tage der 26. November bzw 3. Dezember 2001, weshalb die am 22. Dezember 2001 eingebrachte Grundrechtsbeschwerde (als verspätet) zurückzuweisen war.
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