Spruch:
Hinsichtlich der den Haftzeitraum 23. Februar 2001 bis 11. April 2001 betreffenden, in § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen wird der Antragsteller auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. April 2002, AZ 11 Os 42/01, verwiesen (§ 11 GRBG).
Für diesen Zeitraum liegen die in § 3 lit a und b StEG genannten Ausschlussgründe nicht vor.
Zur Entscheidung über die darüberhinausgehenden Anträge auf Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit a (iVm § 3 lit a und b) StEG in Bezug auf den Anhaltezeitraum vom 1. Februar 2001 bis 22. Februar 2001 ist das Oberlandesgericht Linz zuständig, zur Entscheidung über die Anträge nach § 2 Abs 1 lit b (iVm § 3 lit a, b und c) StEG hingegen das Landesgericht Linz.
Text
Gründe:
Über den am 1. Februar 2001 18,00 Uhr aufgrund eines Haftbefehls des Landesgerichtes Wels festgenommenen Arif Z***** wurde vom Landesgericht Wels zum AZ 8 Ur 29/01 wegen des Verdachtes des Vergehens der Weitergabe nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 StGB die Untersuchungshaft verhängt.
Nach Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Linz zum AZ 16 Ur 40/01 (16 Vr 202/01, fortgeführt unter 16 Ur 155/01 = 16 Vr 965/01) wurde die Untersuchungshaft mit Beschluss des Untersuchungsrichters vom 15. Februar 2001 fortgesetzt (ON 47, jetzt ON 12). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 23. Februar 2001 nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft bis zum 23. April 2001 an (ON 56). Mit Erkenntnis vom 11. April 2002 stellte der Oberste Gerichtshof in Erledigung einer gegen den letztgenannten Beschluss eingebrachten Grundrechtsbeschwerde die Verletzung des Beschuldigten im Grundrecht auf persönliche Freiheit fest (ON 28). In den Gründen wurde die Dringlichkeit des Tatverdachtes bejaht, hingegen das Bestehen von Haftgründen, jenes des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 Z 3 lit b StPO unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 180 Abs 3 letzter Satz StPO (lediglich) mit der Begründung verneint, dass sich (gemeint: zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichtes) "die Verhältnisse, unter denen der Beschuldigte die ihm angelasteten Taten beging, entscheidend verändert" haben und sich "die Gefahr einer weiteren Tatbegehung in einem Maße gemindert" habe, dass der Haftgrund zu verneinen sei.
Arif Z***** wurde auf Grund dieser Entscheidung am 11. April 2001 11,30 Uhr aus der Haft entlassen (ON 26), das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren über Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 7. Mai 2001 gemäß § 109 Abs 1 StPO eingestellt (S 3 k des Antrags- und Verfügungsbogens).
Am 4. Dezember 2001 beantragte Arif Z***** in einer direkt an den Obersten Gerichtshof adressierten und dort am 10. Dezember eingelangten Eingabe die beschlussmäßige Feststellung seines Ersatzanspruches nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz durch das "gemäß § 6 Abs 1 StEG zuständige Gericht". Dieser Antrag wurde vom Obersten Gerichtshof unter Hinweis auf § 6 Abs 2 StEG iVm § 2 Abs 1 lit b StEG an das Landesgericht Linz zuständigkeitshalber weitergeleitet.
In der Folge legte das Landesgericht Linz die Akten mit einem weiteren Antrag vom 15. Februar 2002, in welchem Arif Z***** ausdrücklich die Feststellung des Nichtvorliegens der in § 3 lit a und b StEG angeführten Ausschlussgründe begehrte, dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Dieser hat dazu erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Vermögensrechtliche Nachteile, die jemand durch eine strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung erlitten hat, hat der Bund dem Geschädigten auf dessen Verlangen nach Maßgabe des strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes in Geld zu ersetzen (§ 1 StEG). Ob der Ersatzanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist, hat das nach § 6 Abs 1 und Abs 2 StEG zuständige Strafgericht unter Beachtung der in §§ 2 und 3 StEG angeführten Kriterien mit Beschluss zu entscheiden, welcher für das weitere Verfahren bindend ist (§ 6 Abs 7 StEG).
Wird der Entschädigungsanspruch auf eine gesetzwidrige Anhaltung (§ 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG) gestützt, so hat hierüber und über die Frage, ob einer der in § 3 lit a und b bezeichneten Ausschlussgründe (vorsätzliche Herbeiführung des Tatverdachtes und Anrechnung der Anhaltezeit auf eine Strafe) vorliegt, auf Antrag des Angehaltenen oder des Staatsanwaltes jener Gerichtshof zu erkennen, der dem Gericht, das die Anhaltung angeordnet, verlängert oder durch sein Auslieferungsersuchen veranlasst hat oder das zur Führung des Strafverfahrens zuständig gewesen wäre, übergeordnet ist. Wurde eine Person freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt oder milder verurteilt, hat das Gericht, welches diese Entscheidung getroffen hat, von Amts wegen oder auf Antrag des Angehaltenen oder Verurteilten oder des Staatsanwaltes durch Beschluss festzustellen, ob die in § 2 Abs 1 lit b oder c und Abs 2 und 3 bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind oder einer der in § 3 bezeichneten Ausschlussgründe vorliegt.
Insoweit der Ersatzanspruch nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz auf eine gesetzwidrige Anhaltung (§ 2 Abs 1 lit a StEG) gestützt wird, bedarf es, soweit der Oberste Gerichtshof aus Anlass einer Grundrechtsbeschwerde - wie hier - die durch die Anhaltung bewirkte Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit festgestellt hat, weder eines Antrages noch einer Beschlussfassung des nach § 6 Abs 1 StEG zuständigen Gerichtshofes (§ 11 GRBG). Die substituierende Wirkung des Grundrechtserkenntnisses ist allerdings (arg "soweit" in § 11 GRBG) in zweifacher Weise eingeschränkt: Zum Einen erfasst die zeitliche Reichweite der Grundrechtsbeschwerdeentscheidung nur die als grundrechtswidrig erkannte Haftzeit, vorliegend daher, weil die Grundrechtsverletzung nach dem Inhalt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes lediglich den (eine eigenständige Beurteilung der Haftfrage ex nunc vornehmenden) Beschluss des Oberlandesgerichtes vom 23. Februar 2001 betrifft, den Zeitraum von diesem Tag bis zur am 11. April 2001 erfolgten Enthaftung.
Zum anderen ersetzt das Grundrechtserkenntnis nur die Beschlussfassung nach dem StEG wegen des Ausspruches über die Gesetzwidrigkeit der Haft, also wegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 lit a StEG, nicht aber eine allenfalls erforderliche nach § 3 lit a und b StEG, weil das Bestehen der dort genannten Ausschlussgründe bei der Behandlung einer Grundrechtsbeschwerde nicht geprüft werden.
Daraus folgt, dass für die Beurteilung des Zeitraums von der Festnahme bis zum Beginn des von der Grundrechtsbeschwerdeentscheidung umfassten Zeitraums (1. Februar bis 22. Februar 2001) einerseits das Oberlandesgericht Linz als das dem die Anhaltung anordnenden und verlängernden Landesgericht Linz übergeordnete Gericht (§ 6 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 lit a StEG), andererseits das den Beschuldigten außer Verfolgung setzende Landesgericht Linz (§ 6 Abs 2 iVm § 2 Abs 1 lit b StEG) zuständig ist.
Über den insbesondere in der Eingabe vom 15. Februar 2002 ausdrücklich gestellten Antrag des Arif Z*****, auch das Nichtvorliegen der in § 3 lit a und b StEG genannten Ausschlussgründe festzustellen, hat hingegen (in Bezug auf die obgenannte Anhaltezeit) der Oberste Gerichtshof als dem Oberlandesgericht Linz, welches die Verlängerung der Untersuchungshaft angeordnet hatte, übergeordneter Gerichtshof (§ 6 Abs 1 StEG) zu entscheiden.
Nach § 3 StEG ist der Ersatzanspruch ua ausgeschlossen, wenn der Geschädigte den die Anhaltung oder Verurteilung begründenden Verdacht vorsätzlich herbeigeführt hat (lit a) oder, in den Fällen des § 2 Abs 1 lit a und b, soweit die Anhaltung auf eine Strafe angerechnet worden ist (lit b). Da solche Ausschlussgründe weder geltend gemacht wurden (s die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft S 179) noch erkennbar sind, war dem Antrag insoweit Folge zu geben.
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