OGH 10ObS193/02h

OGH10ObS193/02h18.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alfred Klair (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede K*****, vertreten durch Dr. Johannes Juranek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Aufrechnung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 2002, GZ 9 Rs 332/01m-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. April 2001, GZ 4 Cgs 30/01g-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb auf die Richtigkeit dieser Ausführungen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Revisionsausführungen ist noch Folgendes zu entgegnen:

Nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SteuerreformG 2000 (BGBl I 1999/106) darf der Versicherungsträger auf die von ihm zu erbringenden Geldleistungen vom Anspruchsberechtigten einem Versicherungsträger nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz geschuldete fällige Beiträge (einschließlich Verzugszinsen, sonstiger Nebengebühren, Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren), soweit das Recht auf Einforderung nicht verjährt ist, aufrechnen. Diese Bestimmung ist gemäß § 582 Abs 1 ASVG idF Art XVIII Z 6 des SteuerreformG 2000 mit 1.10.1999 in Kraft getreten.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 10. 11. 2000 sprach die beklagte Partei gegenüber der Klägerin aus, dass der von der Wr Gebietskrankenkasse festgestellte Rückstand an Beiträgen zur Sozialversicherung von insgesamt S 25.611,87 (EUR 1.861,29) sA gemäß § 103 Abs 1 Z 1 ASVG auf die Pensionsleistung in Raten aufgerechnet werde, wobei die geschuldeten Beiträge ab 1. November 2000 in monatlichen Raten von derzeit S 500 (EUR 36,34) von der gebührenden Pensionsleistung in Abzug gebracht werden. Da die Erlassung bzw Zustellung dieses Bescheides erst nach dem In-Kraft-Treten der Bestimmung des § 103 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SteuerreformG 2000 erfolgte, ist bereits die durch diese Gesetzesänderung neu geschaffene Rechtslage (die eine trägerübergreifende Aufrechnung ermöglicht) auf den vorliegenden Fall anzuwenden, auch wenn die Beitragsschulden schon vor der Gesetzesänderung entstanden sind; für die Beurteilung der Zulässigkeit der Aufrechnung ist nämlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung bzw Zustellung des darüber ergangenen Bescheides maßgebend (stRsp; SSV-NF 12/2; 10 ObS 119/01z = ZASB 2002, 3; zuletzt: 10 ObS 10/02x mwN).

Den Zustellzeitpunkt hat die Klägerin aber bereits in ihrer Klage selbst festgehalten indem sie ausdrücklich vorbrachte, das ihr der (zunächst an ihren ehemaligen - mit Beschluss vom 9. 11. 1998 enthobenen - Sachwalter zugestellte, von diesem jedoch retournierte [ON 5]) Aufrechnungsbescheid am 15. 11. 2000 "ausgehändigt" (nämlich - auf ihr Betreiben - von der Beklagten "ausgefolgt") worden sei, und dass das BG Fünfhaus die [ihre Person betreffende] Sachwalterschaft [bereits] mit Beschluss vom 19. 10. 2000, GZ 2 P 510/97v-235 (Beilage B) eingestellt habe (AS 1).

Der geltend gemachte sekundäre Verfahrensmangel (dass das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, eine allenfalls gesetzwidrige Zustellung des Aufrechnungsbescheides sei geheilt, ohne die "rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Heilung" geprüft zu haben) liegt daher schon deshalb nicht vor, weil sich das Gericht zweiter Instanz insoweit auf die zitierten - unstrittigen - Klagebehauptungen stützen konnte, die auch durch den vorliegenden Einstellungsbeschluss (Beilage B) dokumentiert sind:

Aus der Beschlussausfertigung geht nämlich hervor, dass es dem Pflegschaftsgericht deshalb nicht erforderlich schien, die Sachwalterschaft aufrecht zu erhalten, weil es der Betroffenen derzeit zuzutrauen sei, ihre offenen Vermögens und Prozesssachen "mit der Umsicht eines ohne Sachwalterschaft stehenden Menschen" zu betreiben, und dass die Rechtskraft dieses Beschlusses am 22. 11. 2000 bestätigt wurde. Die - für seine Wirksamkeit erforderliche - Zustellung (Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren³ Rz 46) ist am 25. 10. 2000 erfolgt (vgl ON 235 in 2 P 510/97v des Bezirksgerichtes Fünfhaus).

Dem Einwand, die Klägerin sei "zum gegenständlichen Zeitpunkt", also beim "Zustellversuch" bzgl des Aufrechnungsbescheides, [noch] nicht geschäftsfähig gewesen (AS 19 und 91), war damit schon von vornherein die Grundlage entzogen. Davon ausgehend ist die unwirksame Zustellung an den ehemaligen Sachwalter der Klägerin durch die - ausdrücklich zugestandene - Ausfolgung des Aufrechnungsbescheides am 15. 11. 2000 jedenfalls geheilt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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