Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Zwischen den Streitteilen besteht ein am 20. 9. 1995 begründetes befristetes Bestandverhältnis an bestimmten Geschäftsräumen in einem Salzburger Einkaufszentrum zum Betrieb einer Bankfiliale der beklagten Partei. Diese trifft nach den getroffenen Vereinbarungen eine Betriebspflicht innerhalb bestimmter Geschäftszeiten. Im Jänner 2000 wandelte die beklagte Partei ihre zunächst mit Mitarbeitern besetzte Filiale in eine nur mehr mit Automaten für bestimmte Bankdienstleistungen ausgestattete reine Selbstbedienungsfiliale um.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, wonach die beklagte Partei ihren Filialbetrieb unter Anbietung bestimmter Bankdienstleistungen in Verbindung mit dem Einsatz von Personal zur Bedienung, Betreuung und Beratung der Kunden führen und für die Verletzung der vertragsgemäßen Betriebspflicht eine Konventionalstrafe zahlen müsse, weitgehend statt und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der klagenden Partei Folge, was im Vergleich zum Ersturteil zur Erweiterung des Umfangs der von der beklagten Partei anzubietenden Bankdienstleistungen führte. Die Abweisung des danach verbleibenden Mehrbegehrens wurde bestätigt und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
1. Die beklagte Partei vertritt in der Zulassungsbeschwerde die Ansicht, das Berufungsgericht habe durch die Verletzung der für die Auslegung von Verträgen gemäß §§ 914 f ABGB maßgebenden Grundsätze ein untragbares Ergebnis erzielt; dieses sei einer "schikanösen Rechtsausübung durch die klagende Partei" gleichzuhalten. Außerdem habe sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage nach dem Wegfall der Geschäftsgrundlage als Voraussetzung für die angestrebte Vertragsanpassung befasst, sodass das angefochtene Urteil auch aus diesem Grund fehlerhaft sei. In den Revisionsausführungen bemüht sich die beklagte Partei auf vielen Seiten um die Erläuterung ihres Standpunkts, die Umgestaltung der Filiale im Einkaufszentrum in einen reinen Selbstbedienungsbetrieb nach betriebswirtschaftlichen Kriterien entspreche entweder ohnehin den vertraglichen Absprachen oder erlaube zumindest eine Vertragsanpassung nach Kriterien des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
2. Die Erörterungen der beklagten Partei zu den die Vertragsauslegung regelnden Grundsätzen stützen deren Prozessstandpunkt nicht, lässt sich doch damit nicht der Umstand bemänteln, dass die beklagte Partei ohnehin nur zur Anbietung von Bankdienstleistungen verurteilt wurde, deren Umfang die getroffenen, nach der Übung des redlichen Verkehrs ausgelegten vertraglichen Absprachen nicht sprengt. Zur Begründung dieses Ergebnisses bedurfte es - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - keiner Erörterung der Lehrmeinung Rummels (in Rummel, ABGB³ § 914 Rz 13), nach der der Begriff der "Übung des redlichen Verkehrs" in § 914 ABGB in eine "Erklärungssitte", eine "echte Verkehrssitte" und eine "Vertragssitte" zu gliedern sei. Im Anlassfall ging es zweifellos um die Beurteilung einer "echten Verkehrssitte" im Sinne Rummels, wurden doch die Details der im Bestandvertrag vereinbarten Betriebspflicht nach dem Verständnishorizont der beteiligten Verkehrskreise beurteilt. Dieser Horizont inkludiert - vor dem Hintergrund des Vertragswortlauts - nicht den vollautomatisierten Betrieb einer Bankfiliale ohne den Einsatz von Personal für ein bestimmtes enges Segment an Bankdienstleistungen. Nach diesen Gesichtspunkten ist nicht erkennbar, dass das Berufungsgericht Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Fragen der Vertragsauslegung in unvertretbarer Weise angewendet und dabei ein im Einzelfall untragbares Ergebnis erzielt hätte. Eines Rückgriffs auf die subsidiäre Auslegungsregel des § 915 ABGB bedurfte es nicht, weil der Geschäftswille der Parteien schon aufgrund von Erwägungen zur Vertragsauslegung nach § 914 ABGB ermittelt werden konnte und es daher an einer "undeutlichen Äußerung" mangelt, die nach § 915 ABGB zum Nachteil der klagenden Partei hätte ausschlagen können.
3. Die beklagte Partei brachte zur angestrebten Vertragsanpassung im Verfahren erster Instanz vor, die "Änderungen der Geschäftsgrundlage" seien "nicht in einer eigenen Sphäre" eingetreten und "zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar" gewesen (ON 4 S. 3). Den maßgebenden Feststellungen ist jedoch nicht entnehmbar, dass die Entwicklung des von der Revisionswerberin für ihren Prozessstandpunkt ins Treffen geführten rein betriebswirtschaftlichen Erfordernisses der Umwandlung der mit Bedienungs- und Beratungspersonal besetzten Bankfiliale in einen vollautomatisierten Betrieb zur Besorgung eines seither viel engeren Spektrums an Bankdienstleistungen nicht vorhersehbar gewesen sei. Eine solche Feststellung hätte sich nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch gar nicht treffen lassen, erläuterte doch der Sachverständige aus dem Bankfach, dass sich "in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts ... die Tendenz zum Ersatz von Personal durch technischen Einsatz" verstärkt habe (ON 29 S. 33). Die Tendenz, im Bankgeschäft vermehrt Automaten zur Erbringung bestimmter Arten von Bankdienstleistungen einzusetzen, ist gerichtsnotorisch. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Entwicklung, die etwa erst nach Abschluss des Bestandvertrags gegen Ende 1995 und somit jedenfalls nicht vor 1998 eingesetzt hätte, als die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei erstmals äußerte, sie werde ihre Filiale im Einkaufszentrum künftig als Selbstbedienungsfiliale führen. Diese Tendenz zur stets weiterführenden Rationalisierung bestimmter Bankdienstleistungen durch den Einsatz von Automaten anstelle von Personal war für die beklagte Partei daher schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhersehbar. Sie hätte daher vertragliche Vorsorgen treffen können, um so die nach betriebswirtschaftlichen Kriterien für erforderlich gehaltene Rationalisierung des Filialbetriebs zu ermöglichen. Welche Grundsätze für die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bedeutsam wären (siehe zum Stand der Lehre etwa Koziol/Welser I12 148 ff) und wie sich diese nach dem Wegfall der Geschäftsgrundlage bei einem Bestandverhältnis auswirken müssten (siehe zu solchen Fragen etwa MietSlg 50.099, 50.170/26), muss hier nicht erörtert werden, kann sich doch die beklagte Partei schon wegen der Vorhersehbarkeit der fortschreitenden Automatisierung eines bestimmten Spektrums an Bankdienstleistungen nicht erfolgreich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage stützen.
4. Der erkennende Senat sprach in der Entscheidung 1 Ob 105/99v (= RdW 2000, 21) aus, der Eintritt eines materiellen Schadens sei keine Voraussetzung für den Verfall einer Konventionalstrafe, sei doch deren Grundlage gerade dann, wenn sie (nicht bloß sekundär auch) der Befestigung bzw Verstärkung übernommener Vertragspflichten diene, der bei einer ex-ante-Betrachtung als möglich denkbare Schaden. Eine solche Konventionalstrafe bezwecke eben nicht nur den vereinfachten Ausgleich der durch eine Vertragsverletzung entstandenen oder aufgrund bekannter Umstände des jeweiligen Einzelfalls (möglicherweise) noch entstehenden - materiellen und immateriellen - Gläubigernachteile, sondern gleichermaßen auch den rechtlich schutzwürdigen zusätzlichen Erfüllungsdruck im Gläubigerinteresse. Dieser Druck solle schon jene Gefahren einer konkreten Schädigung des Gläubigers abwenden, die bei einer ex-ante-Betrachtung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls als Folge der Nichterfüllung bzw nicht gehörigen Erfüllung der maßgeblichen Vertragspflicht typisch seien. Insofern sei also nur das mögliche und nicht das tatsächliche Interesse an der Vertragserfüllung ausschlaggebend. Deshalb habe sich in solchen Fällen die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Konventionalstrafe in Ermangelung eines Schadenseintritts auf den Zeitpunkt deren Vereinbarung und auf den damals als Folge einer allfälligen Vertragsverletzung möglichen Schaden zu beschränken. Vor diesem dogmatischen Hintergrund sei jene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs konsequent, nach der die Frage nach der Höhe eines wirklichen Schadens - als sonst bedeutsame Determinante einer bestimmten Mäßigungsgrenze und -relation - nicht von Belang sei, wenn ein solcher Gläubigernachteil nicht feststehe. Eine wirksame Sicherung erheblicher wirtschaftlicher Interessen setze den durch eine hohe - im Falle einer Vertragsverletzung auch realisierbare - Vertragsstrafdrohung bewirkten Erfüllungsdruck voraus.
4. 1. An der soeben referierten Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie ist in ihren Kerngedanken auch für die Prüfung der allfälligen Sittenwidrigkeit einer von einem Vollkaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochenen Vertragsstrafe von Bedeutung. Die beklagte Partei hält die vereinbarte Konventionalstrafe für sittenwidrig, ohne dass sie im Verfahren erster Instanz vorgebracht hätte, welche wirtschaftlichen Tatsachen innnerhalb ihrer Sphäre die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vertragsstrafe wegen deren Höhe indizieren könnten (siehe dazu etwa Krejci in Rummel aaO § 879 Rz 120a). Im Lichte der unter 4. erläuterten Leitlinien ist überdies nicht erkennbar, dass eine Konventionalstrafe von "1/10 des monatlichen Mindestbestandzinses pro angefangenem Tag der Verletzung der Betriebspflicht" an sich unmäßig und daher sittenwidrig wäre. Angesichts der vom Erstgericht festgestellten Zielsetzung der Geschäftstätigkeit aller Unternehmer im konkreten Einkaufszentrum, aber auch der Stellung der beklagten Partei als bedeutenden Bankunternehmens bedurfte es der Vereinbarung einer hohen - im Falle einer Vertragsverletzung auch realisierbaren - Vertragsstrafdrohung, um den beabsichtigten Erfüllungsdruck ausüben zu können. Die Behauptung, dass "die Hinzurechnung der Umsatzsteuer zur Bemessungsgrundlage nicht dem Vertrag" entspreche, ist nach Teil A Pkt. 2. 1. 2. iVm Teil B Pkt. 10. 3. des Bestandvertrags unzutreffend.
5. Der Umstand, dass die beklagte Partei das angefochtene Urteil nach der Euro-Umstellung teilweise nicht mehr für vollstreckbar hält, ist im Revisionsverfahren unbeachtlich. Ob und wieweit ein vollstreckbarer Anspruch durch eine nicht rückwirkende Änderung der materiellen Rechtslage nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Titelprozess nachträglich erloschen sein könnte, ist nicht im Rechtsmittelverfahren des Titelprozesses zu prüfen.
Das angefochtene Urteil ist als Exekutionstitel - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - auch nicht unbestimmt. Bei Erfüllung der Betriebspflicht der beklagten Partei kommt es nicht auf eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten in der Bankfiliale, sondern nur darauf an, dass die spruchgemäßen Leistungen "über Kundenwunsch auch unter Mitwirkung von Personal abgewickelt werden" können. Nicht von Belang sind auch die stets variablen Größen der "Dauer der in Kauf zu nehmenden Wartezeiten bei Kassentransaktionen" bzw der damit verknüpften "Anzahl der offen zu haltenden Kassen". Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Exekutionstitels dürfen nicht überspannt werden (Jakusch in Angst, EO § 7 Rz 35).
6. Die klagende Partei behauptet im Revisionsverfahren neuerlich Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Rüge im Berufungsverfahren erfolglos blieb. Eine solche Rüge kann nach ständiger Rechtsprechung in dritter Instanz nicht erfolgreich wiederholt werden (Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 3 mN aus der Rsp). Das Berufungsgericht verwirklichte durch die von ihm gewählte Fassung des Urteilsspruchs auch nicht die von der beklagten Partei behauptete Überschreitung des Klagebegehrens. Dass sich die Betriebspflicht der beklagten Partei auch auf die "sofortige Umwechslung" bestimmter Fremdwährungen bezieht, ist nicht mehr als eine Verdeutlichung des Urteilsbegehrens, kann doch nicht sinnvoll angenommen werden, die klagende Partei hätte die Umwechslung gängiger Fremdwährungen nicht als Soforttransaktion, sondern als Geschäftsfall angesehen, der Stunden oder Tage in Anspruch nehmen könnte.
Es liegen ferner auch die von der beklagten Partei gerügten Feststellungsmängel nicht vor, weil sich das im angefochtenen Urteil erzielte Ergebnis - zumindest ohne gravierende Fehlbeurteilung - bereits aus den getroffenen Feststellungen ableiten ließ. Auch in ihren sonstigen Revisionsausführungen zeigt die beklagte Partei keine erhebliche Rechtsfrage auf, die einer Lösung durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.
7. Die außerordentliche Revision ist somit nach allen bisherigen Erwägungen gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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