OGH 9ObA117/02z

OGH9ObA117/02z22.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Gerhard Prochaska und MinRat Mag. Genser als weitere Richter in den verbundenen und auf die Ansprüche nachstehender Personen eingeschränkten Rechtssachen der klagenden Parteien 14. Alois B*****, 48. Regina G*****, 50. Wolfgang G*****,

73. Franz H*****, 75. Heinz-Dieter H*****, 76. Brigitte H*****, 80. Brigitte J*****, 107. Robert L*****, 108. Anneliese L*****, 124. Friederike M*****, 198. Elisabeth W*****, sämtliche vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Eisenberger-Herzog-Nierhaus-Forcher & Partner, Rechtsanwaltssozietät in Graz, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Jänner 2002, GZ 10 Ra 404/01g-28, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 30. August 2001, GZ 25 Cga 127/00d-23, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Partei ist Rechtsträgerin mehrerer Unfallkrankenhäuser und Rehabilitationszentren. Die klagenden Parteien sind als Mitarbeiter des Pflegedienstes in diesen Einrichtungen beschäftigt. Auf ihre Dienstverhältnisse ist die "Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs" (DO.A) anzuwenden.

§ 51 der DO.A lautet auszugsweise wie folgt:

"1) Gefahrenzulage

Zur Abgeltung einer durch Einwirkungen im Sinne des § 40 Abs 3, 5 und 6 ASchG hervorgerufenen Gesundheitsgefährdung gebührt eine Gefahrenzulage im Ausmaß der nachstehend angeführten Prozentsätze des Gehaltes nach Gehaltsgruppe B, Dienstklasse II Bezugsstufe C,

1. im Ausmaß von .............. 7,5 von 100

bei überwiegender Verwendung in einem der folgenden angeführten Bereiche:

  1. a) ...
  2. b) dem Pflegepersonal auf der Dialysestation und auf der Aufnahmestation des Hanusch-Krankenhauses der Wiener Gebietskrankenkasse, auf Intensivpflegestationen, septischen Stationen oder in Operationssälen,

    c) ..."

    In den Erläuterungen zu § 51 Abs 1 DO.A legten die Kollektivvertragspartner diese Bestimmung über die Gefahrenzulage einvernehmlich aus wie folgt:

    "Die Gefahrenzulage gemäß Abs 1 ist eine Abgeltung für die Gesundheitsgefährdung durch Einwirkungen im Sinne des § 40 Abs 3, 5 und 6 ASchG. Grundvoraussetzung für die Gewährung der Gefahrenzulage nach Abs 1 ist, dass die nach Z 1 oder 2 in Betracht kommenden Angestellten überwiegend in den dort angeführten Bereichen bzw zu den dort angeführten Tätigkeiten verwendet werden. Der Begriff "Bereich" ist nicht in organisatorischer, sondern in räumlicher Hinsicht auszulegen. Für die Beurteilung der überwiegenden Verwendung ist § 35 Abs 6 anzuwenden."

    (In der früher geltenden Fassung der DO.A bzw der Erläuterungen dazu wurde auf entsprechende Bestimmungen der Arbeitnehmerschutzverordnung verwiesen.)

    § 35 Abs 6 der DO.A lautet:

    Dienstbezüge gemäß Abs 2 Z 4 bis 10 und Abs 3, die von einer bestimmten Verwendung abhängig sind, gebühren nur für die Dauer der entsprechenden Verwendung. Maßgebender Zeitraum zur Feststellung einer überwiegenden oder ausschließlichen Verwendung ist der Kalendermonat, bei einer kürzeren Verwendung der Zeitraum der tatsächlichen Verwendung. Die Voraussetzung einer bestimmten überwiegenden Verwendung ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die betreffende Tätigkeit zu mehr als der Hälfte der individuell vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit ausgeübt wird.... Im allgemeinmedizinischen ("praktischen") Sprachgebrauch wird als septischer Patient ein Kranker mit einer tiefen (eitrigen) Wundinfektion oder Entzündung verstanden. Im engeren Sinn bezeichnet man als "septischen Patienten" einen Kranken mit Eitererregern im Blut, welcher infolge seines lebensbedrohlichen Zustandes - etwa durch Beeinträchtigung der Atmung oder der Nierenfunktion - einer intensivmedizinischen Behandlung bedarf.

    Vor und nach 1993 bestand bei der beklagten Partei keine Definition des Begriffes "septischer Patient" oder "septische Abteilung", der in einheitlicher Weise der Gewährung oder Versagung der Zulage gemäß § 51 DO.A zugrunde gelegt worden wäre. Auch in der DO.A findet sich keine Definition des Begriffes "septische Station". Man verstand darunter in eher diffuser Weise vorwiegend Patienten mit infizierten Wunden, aber auch mit Harnwegsinfektionen, mit Tracheostomie, mit mehr oder weniger generell von ihnen ausgehender Infektionsgefahr (HIV; MRSA; Hepatitis B und C). Weiters und zumindest teilweise (von Seiten des Personals) wurde aber auch in Patienten mit Querschnittslähmungen und der damit häufig auftretenden Inkontinenz ein Anlass und eine Grundlage für die Gewährung der Gefahrenzulage erblickt. Sofern Angestellte der beklagten Partei in Rehabilitationszentren Patienten mit offenen Wunden bzw Patienten mit Querschnittlähmungen und damit einhergehenden Druckgeschwüren (Dekubitus), welche so gut wie immer entzündlich infiziert sind, pflegten, wurde ebenfalls die Gefahrenzulage gewährt, solange diese Angestellten auf sogenannten "Querschnittsstationen" tätig waren. Bei Bewertung der Gesamtsituation in Bezug auf die Infektionsgefährdung des Personals ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

    Bei der Betreuung von Patienten mit Wundinfektionen ist das Gefährdungspotentional für das Personal durch Kolonisation und Infektion mit Eitererregern höher als bei der Betreuung "aseptischer" Patienten. Zwar kann das Infektionsrisiko durch Arbeitsschutzmaßnahmen minimiert, nicht aber komplett ausgeschlossen werden. Es betrifft insbesondere die Möglichkeit von Verletzungen zB bei der Wundversorgung, d.h. jedes Fehlverhalten ist bei Patienten mit Wundinfektionen mit einer höheren Infektionsgefährdung verbunden als bei Patienten mit aseptischen Wunden. Statistisch gesehen zieht sich jeder Beschäftigte beispielsweise etwa alle zwei Monate eine Stichverletzung zu. Geschieht dies in einem mikrobiell belasteten Umfeld, ist das Risiko der Infektion höher als in einem nicht so sehr belasteten.

    Die Gewährung der Gefahrenzulage nach § 51 der DO.A erfolgte durchwegs "automatisch" in der Form, dass sie ohne irgendwelche schriftliche oder mündliche Ergänzungen zum Dienstvertrag oder Dienstzettel ab Antritt der Arbeit auf der jeweiligen "septischen" (oder in anderer Weise bezeichneten) Abteilung auf das dienstnehmerische Gehaltskonto an- und auf dem Gehaltszettel ausgewiesen und somit vom Dienstnehmer zur Kenntnis genommen wurde. Bei den Dienstnehmern bestand ein Bewusstsein dahingehend, dass die Zulage bei der Verrichtung der Arbeit auf der jeweiligen Abteilung wegen der von "septischen Patienten" ausgehenden Infektionsgefahr gewährt würde. Ausschlaggebendes Kriterium für die Bezahlung der Zulage war somit der Arbeitsantritt auf bestimmten Abteilungen mit (im dargestellten Sinn) "septischen Patienten", in welchen eine Infektionsgefährdung erblickt wurde.

    Bezogen auf diese Abteilungen wurden keine Statistiken dahingehend geführt, wie hoch der Belag mit "septischen Patienten" tatsächlich war. In der Realität betrug er in manchen Anstalten, von jahreszeitlichen oder sonstigen Faktoren abhängig, zeitweilig unter, zeitweilig über 50 %, in einigen Anstalten generell unter 50 %, wobei aber Unsicherheiten wegen des keineswegs einheitlich gehandhabten Begriffes "septischer Patient" bestehen. Einen Einfluss auf die Gewährung oder Versagung der Zulage hatte dies aber nicht, weil es nur auf die Arbeitsverrichtung in der jeweiligen Station, nicht aber auf eine bestimmte Patientenanzahl oder Prozentzahl "septischer Patienten" ankam.

    Mit Dienstanweisung vom 25. 5. 1993 verfügte die beklagte Partei die Auflösung aller septischen Stationen und ordnete an, alle Patienten nach einheitlichen organisatorischen Prinzipien zu behandeln. Infolge dieser Dienstanweisung wurden in den Unfallkrankenhäusern der beklagten Partei die septischen Stationen aufgelöst und die "septischen Patienten" auf die übrigen Stationen (gemeinsam mit "gewöhnlichen" Patienten) aufgeteilt; im UKH Linz werden die schon bei der Einlieferung als "septisch" erkannten Patienten auf die nunmehr als "Station 1" bezeichnete Station gebracht, wobei diese nunmehr nur mit etwa 30 bis 40 % "septischen Patienten" - gegenüber früher mit 60 bis 70 % - belegt ist.

    Aufzeichnungen über die tatsächlich am Patienten (egal ob "septisch" oder "nicht septisch") verrichteten Arbeiten wurden auch nach Auflösung der septischen Stationen in keinem der Unfallkrankenhäuser oder Rehabilitationszentren geführt.

    Das Personal war nach wie vor mit der Betreuung aller Patienten der jeweiligen Station betraut; eine bestimmte Zuordnung zu "septischen" oder "nicht septischen" Patienten erfolgte nicht. Eine nähere oder zeitlich überwiegende Befassung mit "septischen" oder "nicht septischen" Patienten erfolgte nur im Rahmen der herkömmlichen Diensteinteilungen, wonach jeweils drei Patientenzimmer dem Personal wochenweise zur Betreuung zugewiesen wurden; während der Nachtdienste standen aber wiederum alle Patienten zur Versorgung heran. Generell ist aber die Pflege "septischer Patienten" sowohl von der fachlichen Qualifikation her, als auch nach zeitlichen Komponenten aufwändiger. So erfordert beispielsweise ein einziger Verbandwechsel bei einem Patienten mit großflächigen Verbrennungen den Arbeitseinsatz zweier Personen über einen Zeitraum von ca vier Stunden.

Im Jahr 1994 erhoben die Angestelltenbetriebsräte der

Unfallkrankenhäuser und Rehabilitationszentren der beklagten Partei

gegen diese eine Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG, in der sie

die Feststellung begehrten, dass alle jene ... Arbeitnehmer und

Arbeitnehmerinnen der beklagten Partei, auf deren Arbeitsverhältnis

der Kollektivvertrag DO.A ... anzuwenden ist, und die überwiegend

Patienten mit Wundinfektionen ("septische Patienten") betreuen, Anspruch auf eine Gefahrenzulage gemäß § 51 Abs 1 Z 1 lit b DO.A haben. Die klagestattgebende Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts Wien wurde vom Obersten Gerichtshof zu 8 ObA 211/99h bestätigt.

Die klagenden Parteien begehren nun die Zahlung der Gefahrenzulage für unterschiedliche Zeiträume nach dem 1. 7. 1993. Sie brachten dazu im Wesentlichen vor, dass der Oberste Gerichtshof bereits im "Vorverfahren" ausgesprochen habe, dass der Sinn der Gefahrenzulage, nämlich die Abgeltung eines erhöhten Gefährdungspotentials des Personals durch infektiöse Patienten, durch Auflösung der "septischen Stationen" nicht weggefallen sei; auf den "Querschnittsstationen" habe sich das Gefährdungspotential überhaupt nicht verändert. Nach der Auflösung der "septischen Stationen" müsse die Gefahrenzulage weiterhin all jenen Dienstnehmern gewährt werden, die überwiegend auf einer Abteilung tätig sind, auf der auch "septische Patienten" untergebracht sind. Die Gefahrenzulage sei vor 1993 unabhängig von der Anzahl der "septischen Patienten" im Verhältnis zur Gesamtpatientenanzahl gewährt worden; auch auf den "septischen Stationen" habe es praktisch nie eine Mehrzahl von "septischen Patienten" gegeben. Da die beklagte Partei nie auf eine etwaige unverbindliche, freiwillige oder jederzeit widerrufbare Zahlung hingewiesen habe, sei die Gewährung der Gefahrenzulage überdies in Anwendung des § 863 Abs 1 ABGB stillschweigend vereinbarter Gehaltsbestandteil geworden.

Die beklagte Partei wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass sich aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im "Vorverfahren" ergebe, dass Dienstnehmern nur dann die Gefahrenzulage zu bezahlen sei, wenn sie überwiegend Patienten mit Wundinfektionen betreuen. Eine derartige überwiegende Betreuung liege nur dann vor, wenn der Dienstnehmer mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit mit der Betreuung von septischen Patienten verbringe. Dies treffe auf keine der klagenden Parteien zu; keine von ihnen habe in der Zeit ab 1. 7. 1993 mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit der Betreuung septischer Patienten verbracht. Bei einer Erhebung im April 2000 habe sich herausgestellt, dass die Zahl der septischen Patienten durchwegs unter 50 % der Gesamtzahl der zu betreuenden Patienten liege. Auch gemessen an der Zahl der Patienten habe daher keiner der Dienstnehmer überwiegend septische Patienten betreut. Eine Betriebsübung, nach der unabhängig von einer Anspruchsberechtigung nach § 51 Abs 1 der DO.A ein Anspruch auf die Gefahrenzulage auch bei einem niedrigeren Infektionsrisiko bestehe, liege nicht vor. Die ursprünglich erhobene weitere Einwendung, allfällige aus betrieblicher Übung abgeleitete Ansprüche seien verjährt, verfristet bzw verfallen, wird im Rekursverfahren nicht mehr aufrecht erhalten.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren - in Ansehung jener klagenden Parteien, auf deren Ansprüche das Verfahren eingeschränkt worden war - statt. Es vertrat die Rechtsansicht, dass den klagenden Parteien die Gefahrenzulage schon auf Grund des Kollektivvertrages zustehe. Da schon vor 1993 die Gewährung der Zulage von keinem Element des Überwiegens abhängig gemacht worden sei und in der Praxis ein Überwiegen die Ausnahme und insbesondere in den Rehabilitationszentren überhaupt nie der Regelfall gewesen sei, könne auch eine weitere Ausdünnung des Bestandes "septischer Patienten" einer Abteilung bei weiterhin bestehender Gefährdung der Dienstnehmer keine tragfähige rechtliche Grundlage des Zulagenentzuges begründen. Hilfsweise könnten die Ansprüche auch auf eine betriebliche Übung gestützt werden. Die Dienstnehmer hätten dem Verhalten des Arbeitgebers, nämlich den Erklärungswillen beimessen dürfen, der Dienstgeber wolle die Zulage dann bezahlen, wenn auf einer Station septische Patienten vorhanden seien, von denen eine mehr oder weniger große Infektionsgefahr ausgehe. Dass weitere Voraussetzungen in zeitlicher oder organisatorischer Hinsicht (Arbeitszeit am Patienten, Zahl der Patienten) für die Gewährung der Zulage maßgeblich sein können, hätten die Dienstnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers keinesfalls entnehmen können.

Das Berufungsgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung infolge Berufung der klagenden Parteien auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es ging dabei von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG (8 ObA 211/99h) aus, wonach die Verwendung auf septischen Stationen ungeachtet der nach wie vor bestehenden Gefährdung nur ein der leichteren Handhabbarkeit der Norm dienendes Tatbestandselement dargestellt habe, welches nach Auflassung der septischen Stationen weggefallen sei. Das Berufungsgericht führte weiters aus, dass nach Wegfall der septischen Stationen nunmehr zu prüfen sei, ob der jeweilige Dienstnehmer überwiegend, also mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit, septische Patienten betreut habe. Mit der Betreuung seien Verrichtungen mit Kontakt zum Patienten gemeint, also das Erbringen von Pflegeleistungen am Patienten, die den allgemeinen persönlichen Lebensbereich umfassen oder aber auch medizinischer Natur sind (beispielsweise Verbandwechsel). Davon seien Maßnahmen zu unterscheiden, die nicht den unmittelbaren persönlichen Lebensbereich betreffen, wie etwa die Reinigung des Krankenzimmers, da damit nicht ein so hohes Gefährdungspotential für das Pflegepersonal verbunden sei wie mit unmittelbaren Verrichtungen am Patienten. Für die Gewährung der Gefahrenzulage komme es nunmehr nicht auf die bloße (überwiegende) Verwendung des Dienstnehmers auf einer Station an, auf der nunmehr auch "septische Patienten" betreut werden, sondern allein auf die zeitlich überwiegende Betreuung der septischen Patienten. Ein Abstellen allein auf die Verwendung auf einer derartigen Station - unabhängig davon, ob der Dienstnehmer auch tatsächlich überwiegend Betreuungsleistungen an septischen Patienten erbringt - sei mit den Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 8 ObA 211/99h nicht vereinbar.

Auf eine betriebliche Übung könnten die klagenden Parteien ihre Ansprüche nicht stützen. Für die Arbeitnehmer habe der begründete Eindruck entstehen können, dass der Erhalt der Gefahrenzulage an die Verwendung auf septischen Stationen bzw diesen gleichzuhaltenden Stationen (Querschnittsstationen) geknüpft sei. Weiters hätten sie den Eindruck gewinnen können, dass die Gefahrenzulage zur pauschalen Abgeltung der dort räumlich konzentriert auftretenden Gefährdung durch eine erhöhte Infektionsgefahr gedacht sei. Bei dieser Situation sei nicht erkennbar, inwiefern sich aus der Sicht der Dienstnehmer Anhaltspunkte für eine rechtsgrundlose Auszahlung der Gefahrenzulage hätten ergeben können. Die Dienstnehmer hätten auch aus den monatlichen Gehaltszetteln entnehmen können, dass sie die Gefahrenzulage "laut DO.A" erhalten. Es liege keine ausreichende Vertrauensposition der Arbeitnehmer darauf vor, dass sich der Arbeitgeber zur Leistung der Gefahrenzulage in aller Zukunft vorbehaltlos und unzweideutig - auch bei gänzlichem Wegfall des Gefahrenpotentials - verpflichten wolle.

Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles sei aber von einer Umkehr der objektiven Beweislast zur (anspruchsbegründenden) Element der überwiegenden Betreuung septischer Patienten auszugehen. Die beklagte Partei wäre leichter als die klagenden Parteien in der Lage gewesen, für eine Erfassung der Zeiträume zu sorgen, in denen die einzelnen Dienstnehmer Betreuungsleistungen an "septischen Patienten" erbracht haben. Insbesondere ergebe sich aus den gesetzlichen Verpflichtungen des Dienstgebers zur Führung von Arbeitsaufzeichnungen, dass dieser auf Grund seiner wirtschaftlich stärkeren Position im Arbeitsverhältnis die realistische Möglichkeit und auch die Verantwortung dafür habe, Arbeitszeitaufzeichnungen zu führen. Nur die Krankenanstalt treffe die Verpflichtung zur Patientendokumentation; nur dem Dienstgeber stünden Informationen zur Verfügung, welcher (beispielsweise chirurgische) Patient als "septischer Patient" einzustufen sei. Wenn die beklagte Partei dennoch jegliche geeignete Maßnahmen zur Erfassung der Betreuungszeiten an septischen Patienten unterlassen habe und nunmehr den Standpunkt einnehme, die Dienstnehmer treffe die Beweislast für diese (im Nachhinein mit unzumutbarem Zeit- und Kostenaufwand verbundenen) Beweise, könne diese Unterlassung nur dahin verstanden werden, dass die beklagte Partei den (prozessentscheidenden) Beweisnotstand der klagenden Parteien in Kauf genommen habe, was im Ergebnis einer Beweisvereitelung gleichkomme. Es habe daher eine Beweislastumkehr einzutreten, in deren Rahmen der "vereitelte Gegner" des Beweisführers nunmehr die Beweislast dafür trage, dass die durch den vereitelten Beweis nachzuweisende Tatsache nicht eingetreten sei. Es obliege somit der beklagten Partei, im fortgesetzten Verfahren nachzuweisen, dass die Kläger nicht überwiegend, also nicht mit mehr als die Hälfte der individuell vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit, Betreuungsleistungen an septischen Patienten erbracht haben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse beider Streitteile sind zulässig, weil das Berufungsgericht der Entscheidung 8 ObA 211/99h eine zu weitreichende Bedeutung beigemessen hat. Sie sind jedoch im Ergebnis nicht berechtigt, weil sich eine Verfahrensergänzung jedenfalls als unerlässlich erweist.

Bereits im "Vorverfahren" hat der Oberste Gerichtshof dargelegt, dass es Zweck der Regelung über die Gefahrenzulage gewesen sei, die erhöhte Gesundheitsgefährdung der betreffenden Arbeitnehmer durch den Kontakt mit in diesem Sinne gefährlichen, etwa "septischen", Patienten abzugelten. Da diese Patienten bei Abschluss des Kollektivvertrags auf eigenen septischen Stationen betreut wurden, sei im Sinne einer vernünftigen, zweckentsprechenden und praktisch durchführbaren Regelung als Kriterium die (überwiegende) Tätigkeit auf einer solchen Station herangezogen worden. Auch nach der Auflösung der "septischen Stationen" sei der Zweck der Gefahrenzulage nicht weggefallen, weil auch bei septischen Patienten (auch jenen der Wundkategorie B) eine Gefährdung des Betreuungspersonals dadurch gegeben sei, dass es Träger dieser Keime werde und dass diese im Falle abgeschwächter Immunabwehr gefährlich werden könnten. Die nachträglich eingetretene Sachverhaltsänderung hätten die Kollektivvertragsparteien offenbar nicht bedacht, weshalb eine ergänzende Rechtsfortbildung unter Zugrundelegung des noch immer aktuellen Normzwecks zu erfolgen habe.

Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an. Die daran anknüpfende Formulierung, den geänderten Verhältnissen werde bei Orientierung am immer noch aktuellen Normzweck dadurch am besten Rechnung getragen, dass auf die überwiegende Betreuung septischer Patienten abgestellt werde, beruht offenbar auf dem im damaligen Verfahren zu beurteilenden Begehren, das sich allein auf die Gefahrenzulage für solche Dienstnehmer bezog, die "überwiegend Patienten mit Wundinfektionen betreuen". Entgegen der Auffassung der beklagten Partei kann daraus aber keineswegs der Schluss gezogen werden, dass ausschließlich diese Dienstnehmer Anspruch auf die Gefahrenzulage haben. Mit einer solchen Abgrenzung würde man nämlich zahlreiche Dienstnehmer vom Bezug der Gefahrenzulage ausschließen, die vor Auflösung der "septischen Stationen" zweifelsfrei bezugsberechtigt waren und weiterhin einem gleichgebliebenen Risiko ausgesetzt sind.

Die beklagte Partei übersieht nämlich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der heranzuziehenden Vorschrift der DO.A bereits jene Dienstnehmer Anspruch auf die Gefahrenzulage hatten, die überwiegend, also mit mehr als der Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit, etwa auf einer "septischen Station" verwendet wurden. Die "überwiegende Betreuung septischer Patienten" könnte nur dann mit der (kollektivvertraglich geregelten) "überwiegenden Verwendung ... auf septischen Stationen" gleichgesetzt werden, wenn sich auf diesen Stationen ausschließlich "septische Patienten" befunden und die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers ausschließlich in der Betreuung dieser Patienten bestanden hätte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen befanden sich auf den "septischen Stationen" (bzw auf den "Querschnittsstationen") aber keineswegs ausschließlich "septische Patienten"; vielmehr lag der Anteil in manchen Anstalten generell unter 50 %. Ginge man nun etwa - für einen anschaulichen Beispielsfall - von einem Anteil derartiger Patienten von 50 % und einer (überwiegenden) Verwendung eines Dienstnehmers auf einer solchen Station im Ausmaß von 60 % seiner Arbeitszeit aus, so käme man - unter der Annahme, dass der Dienstnehmer auf dieser Station ausschließlich mit der Patientenbetreuung befasst ist - bezogen auf die Gesamtarbeitszeit auf eine Quote von 30 %, die auf die Betreuung septischer Patienten entfällt. Hatte ein Dienstnehmer unter den dargestellten Umständen - angesichts des (schon) mit einer derartigen Betreuungsquote verbundenen erhöhten Infektionsrisikos - unzweifelhaft Anspruch auf eine Gefahrenzulage, so kann sie nunmehr einem Dienstnehmer mit vergleichbarem Risiko nicht allein deshalb aberkannt werden, weil der bisherige formale Anknüpfungspunkt (Verwendung auf einer septischen Station) - durch alleinige Disposition der beklagten Partei als Dienstgeber - weggefallen ist. Andererseits gingen die Kollektivvertragsparteien zweifellos von einem gegenüber einer "Normalstation", auf der sich nur ausnahmsweise auch "septische Patienten" befinden, deutlich erhöhten Infektionsrisiko aus. Aus diesem Grund kann auch dem Rechtsstandpunkt der klagenden Parteien nicht gefolgt werden, die meinen, dass die Gefahrenzulage schon dann zuzuerkennen wäre, wenn der einzelne Dienstnehmer nur in irgendeinem (auch ganz untergeordneten) Ausmaß mit "septischen Patienten" befasst ist bzw an diesen Betreuungs- bzw Pflegehandlungen durchzuführen hat. Auch wenn es zutrifft, dass die Betreuung eines einzigen hoch infektiösen Patienten ein größeres Ansteckungsrisiko mit sich bringen kann als der Kontakt mit mehreren nur leicht infektiösen Patienten, so ist den klagenden Parteien doch entgegenzuhalten, dass der Wortlaut des § 51 Abs 1 der DO.A keine Basis dafür bietet, einem Dienstnehmer, der - außerhalb einer septischen Station - einzelne infektiöse Patienten betreut, den Anspruch auf eine Gefahrenzulage zuzubilligen. Entscheidend ist vielmehr der Gedanke, dass auf den "septischen Stationen" das Infektionsrisiko - auch auf Grund der räumlichen Konzentration derartiger Patienten - typischerweise gegenüber dem allgemeinen Infektionsrisiko auf anderen Stationen - mögen sich dort auch einzelne infektiöse Patienten aufhalten - nicht unwesentlich erhöht ist, was durch die besondere Zulage abgegolten werden soll. Auf diese Zielrichtung ist auch bei der sinngemäßen Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf die nunmehr geänderten Arbeitsbedingungen (Abschaffung der "septischen Stationen") Bedacht zu nehmen. Maßgebliches Kriterium für den Anspruch auf die Gefahrenzulage ist somit, dass der betreffende Dienstnehmer (weiterhin) einem Infektionsrisiko ausgesetzt ist, das etwa jenem entspricht, das bei Inkrafttreten der DO.A bei einer überwiegenden Tätigkeit im Bereich einer "septischen Station" bestanden hat. Da die beklagte Partei den Wegfall des praktikablen Anknüpfungspunktes für die Anspruchsberechtigung durch Auflösung der "septischen Stationen" zu vertreten hat, müssen allfällige Unklarheiten hinsichtlich dieses Infektionsrisikos in den fraglichen Zeiträumen zu ihren Lasten gehen. Den klagenden Parteien obliegt der Beweis, dass sie überwiegend in Bereichen eingesetzt waren, in denen (auch) "septische Patienten" zu betreuen waren und aus diesem Grund das Infektionsrisiko bei typisierender Betrachtung nicht unerheblich höher war als davor - also während des Bestehens "septischer Stationen" - auf jenen (allgemeinen) Stationen, die in der Aufzählung des § 51 Abs 1 Z 1 lit b DO.A nicht enthalten sind (vgl 9 ObA 2216/96i)

Soweit den klagenden Parteien der Beweis gelingt, dass sie in den maßgeblichen Zeiträumen einem nicht unerheblich höheren Infektionsrisiko ausgesetzt waren als vergleichbare Dienstnehmer auf sonstigen Stationen vor Auflösung der "septischen Stationen", liegt es an der beklagten Partei, nachzuweisen, dass das Ansteckungsrisiko im Einzelfall dennoch geringer war als jenes, das der kollektivvertraglichen Regelung der Gefahrenzulage zu Grunde gelegt wurde.

Da sich das Verfahren somit im aufgezeigten Sinn als ergänzungsbedürftig erweist, war den Rekursen der Streitteile im Ergebnis ein Erfolg zu versagen. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht die von den klagenden Parteien hilfsweise herangezogene Anspruchsgrundlage einer "Betriebsübung" verneint. Die klagenden Parteien gestehen in ihrem Rekurs selbst zu, dass ihnen zweifellos bekannt und bewusst war, dass die Auszahlung der Gefahrenzulage entsprechend den Bestimmungen der DO.A und dem dort normierten Anknüpfungspunkt der Verwendung auf "septischen Stationen" erfolgte. Sie können sich daher nicht gleichzeitig darauf berufen, dass ihnen die Gefahrenzulage auch dann gebührt, wenn das mit ihrer beruflichen Tätigkeit verbundene Infektionsrisiko geringer ist als jenes, das den einschlägigen kollektivvertraglichen Bestimmungen (als Untergrenze) zu Grunde gelegt wurde.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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