OGH 10ObS158/02m

OGH10ObS158/02m30.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Herbert Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Bosiljka R*****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2002, GZ 23 Rs 3/02s-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. Oktober 2001, GZ 45 Cgs 20/00f-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin arbeitet seit 1968 in der Gastronomie in Österreich und war bis 1971 in Salzburg als Küchenhilfe tätig. Von 1971 bis 1981 arbeitete sie in diversen Hotelküchen als Beiköchin und wurde dabei von ihrem Ehemann, einem gelernten Koch, angelernt. Von März 1985 bis 11. Oktober 1999 war die Klägerin mit saisonalen Unterbrechungen im Restaurant Zirmalm-Inneralpbach als Beiköchin beschäftigt. In diesem Lokal wurde gutbürgerliche Küche mit Gerichten wie Cordon-bleu, Wiener Schnitzel, diverse Braten, Wild- und Fischgerichte, diverse Steaks und Hausmannskost angeboten. In der Küche waren zusätzlich drei Mitarbeiter beschäftigt. Die Aufgabe der Klägerin als Beiköchin bestand darin, einerseits ihren Ehemann, den Küchenchef, zu vertreten und andererseits die Anforderungen eines Beilagenkochs, eines Bratenkochs und eines Süßspeisenkochs zu erfüllen. Soweit die Klägerin den Küchenchef zu vertreten hatte, bereitete dieser in der Regel die Fleischwaren vor, wobei die Klägerin über sämtliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Kochfertigmachens von Rohwaren verfügt, dies unter Anwendung aller Kochverfahren nach dem betrieblichen Speiseangebot. Weiters verfügt sie über Kenntnisse und Fähigkeiten im Portionieren von Fleisch, Wild und Geflügel, im Anrichten bzw Herstellen von kalten und warmen Saucen und Vorspeisen, Süß- und Mehlspeisen, in der Durchführung von gastronomischen Veranstaltungen wie Hochzeiten und Familienfeiern sowie in der Menüzusammenstellung mit dazupassendem Getränk.

Die Klägerin verfügt nicht über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich des Einkaufs, der Preiskalkulation, der Speisekartenerstellung, der Fleischzerlegung, der küchentechnischen Organisation, eventuell in Verbindung mit einer EDV-Anwendung und der Zubereitung von Diät- und Schonkosten. Derartige Kenntnisse und Fähigkeiten werden allerdings in der Praxis von einem gelernten Koch, insbesondere von einem Beikoch nicht verlangt, da diese Aufgaben in erster Linie von einem Küchenchef oder dem Betriebsinhaber erledigt werden. Die Bezeichnung "Beikoch" hat sich für qualifizierte Köche eingebürgert, die unter einem Küchenchef arbeiten. Insgesamt verfügt die Klägerin über jene Kenntnisse und Fähigkeiten, die üblicherweise von einem ausgelernten Koch auf dem Arbeitsmarkt verlangt werden, wobei sich die Klägerin diese Kenntnisse und Fähigkeiten schon allein durch die Betriebsgröße und das damit verbundene Arbeitspensum (bis zu 200 Essen pro Tag) erwarb. Bezogen auf die Beitragsmonate übte die Klägerin während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend eine Kochtätigkeit im oben geschilderten Umfang aus. Die Tätigkeit eines Kochs erfordert unabhängig von einer allfälligen Spezialisierung jedenfalls regelmäßige Hebe- und Trageleistungen zwischen 10 und 20 kg. Darüber hinaus beträgt der Anteil an überdurchschnittlichem Zeitdruck in jedem Fall mehr als eine Stunde täglich. Auch die Tätigkeit einer Küchenkassierin ist im Rahmen der Warenannahme bzw Ausgabe mit denselben Hebe- und Trageleistungen wie die Tätigkeit eines Kochs verbunden. Aufgrund ihrer Leidenszustände ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, den Anforderungen in ihrer bisherigen Tätigkeit oder in anderen artverwandten qualifizierten Tätigkeiten zu genügen.

Mit Bescheid vom 10. 1. 2000 hat die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 4. 8. 1999 auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgelehnt.

Das Erstgericht sprach auch im zweiten Rechtsgang aus, dass der Anspruch auf Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 9. 1999 zu Recht bestehe und die Pension mit 12. 10. 1999 anfalle. Die Klägerin habe überwiegend während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag einen angelernten Beruf ausgeübt, sodass sie Berufsschutz genieße. Da sie nicht mehr in der Lage sei, ihren bisherigen Beruf oder andere artverwandte qualifizierte Tätigkeiten auszuüben, liege Invalidität vor. Allerdings sei die Klägerin bis 11. 10. 1999 beschäftigt gewesen, sodass die grundsätzlich ab dem Stichtag (1. 9. 1999) zustehende Invaliditätspension erst mit 12. 10. 1999 anfalle. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei wiederholt in der Revisionsschrift den Standpunkt, dass Merkmale eines qualifizierten umfassenden Wissens, wie es für den Bestand einer Qualifikation im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG für eine Berufsköchin notwendig wäre, nicht festgestellt werden hätten können. Vielmehr habe die Klägerin lediglich den Beruf einer unqualifizierten Hilfsköchin ausgeübt.

Nach der ständigen Rechtsprechung resultiert die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen aufgrund der aufgenommenen Beweise aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (RIS-Justiz RS0043061 [T11]). Nach diesen Feststellungen verfügt die Klägerin über jene wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die üblicherweise von einem ausgelernten Koch auf dem Arbeitsmarkt verlangt werden. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten hat sich die von 1971 bis 1981 durch praktische Arbeit angeeignet. Von März 1985 bis 11. 10. 1999 hat die Klägerin sodann - mit saisonalen Unterbrechungen - die Tätigkeiten einer qualifizierten Köchin verrichtet.

Der aufgrund dieser Feststellungen getroffenen Begründung der Vorinstanzen, dass die Klägerin Berufsschutz im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG genießt, ist beizutreten. Ein angelernter Beruf liegt nach dieser Gesetzesstelle vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten müssen den in einem Lehrberuf erworbenen besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten an Umfang und Qualität entsprechen. Dabei ist nicht der Nachweis des Vorliegens aller Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die nach den Ausbildungsvorschriften zum Berufsbild eines Lehrberufes zählen und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln sind. Es kommt vielmehr darauf an, dass ein angelernter Arbeiter über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppen) unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden (SSV-NF 7/108 [Universalschweißer] ua).

Demnach steht der Annahme des Berufsschutzes nicht entgegen, dass die Klägerin nicht über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich des Einkaufs, der Preiskalkulation, der Speisekartenerstellung, der Fleischzerlegung, der küchentechnischen Organisation und der Zubereitung von Diät- und Schonkosten verfügt, zumal derartige Kenntnisse und Fähigkeiten in der Praxis von einem gelernten Koch nicht verlangt werden. Dem entsprechend hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 10 ObS 247/93 (SSV-NF 7/129) zum Beruf einer angelernten Köchin dargestellt, dass die Führung eines Küchenbetriebes, in dem nur Hausmannskost zubereitet wird, berufsschutzbegründend sein kann, weil die überwiegende Zahl von gelernten Köchen in Betrieben tätig ist, in denen nur Speisen einfacher und durchschnittlicher Art ("Hausmannskost") bereitet werden; dies macht das Berufsbild der überwiegenden Zahl der gelernten Köche aus.

Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 2 ASVG bejaht haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

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