OGH 10ObS247/93

OGH10ObS247/9321.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Margarethe Peters aus dem Kreis der Arbeitgeber und Dipl.Ing. Raimund Tschulik aus dem Kreis der Arbeitnehmer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A***** G*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Steinacher und Dr.Michael Gärtner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.August 1993, GZ 12 Rs 49/93-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Februar 1993, GZ 20 Cgs 87/92-15, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteiles bekämpft, zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die am 23.3. 1940 geborene Klägerin arbeitete nach Absolvierung einer Lehre als Wäscheschneiderin und einjähriger Beschäftigung in diesem Beruf bei verschiedenen Firmen als Hilfsarbeiterin. Seit 1973 ist sie in einem Jugendhort beschäftigt, wo sie vorerst als Reinigungsfrau eingesetzt war. Seit etwa 10 Jahren ist sie in der Küche beschäftigt. Dort war eine gelernte Köchin tätig, die die Klägerin einschulte. Nach der Pensionierung der Köchin wurde eine ungelernte Kraft aufgenommen, die von der Klägerin eingeschult wurde. In der Küche wird das Mittagessen (Suppe, Hauptspeise, Nachspeise) für ca 120 bis 130 Kinder zubereitet, wobei österreichische Hausmannskost gekocht wird. Der Speiseplan wurde im Einvernehmen mit der Hortleiterin von den Köchinnen wöchentlich erstellt und die benötigten Warenmengen festgelegt. Den Einkauf besorgte die Hortleiterin. Die Mahlzeiten wurden in der Zeit von 7.00 Uhr bis 11.30 Uhr zubereitet; sie wurden in der Zeit bis 13.30 Uhr in mehreren Etappen ausgegeben. Anschließend wurde das Geschirr in mehreren Arbeitsgängen zum Teil im Geschirrspüler, zum Teil händisch gereinigt. Am Nachmittag war die Küche zu reinigen. In geringem Umfang wurde die Klägerin bei Personalausfall auch für Reinigungsarbeiten im Hort eingesetzt. Mit der Tätigkeit der Klägerin waren sehr hohe Hebe- und Tragebelastungen verbunden; die Gefäße, in denen große Lebensmittelmengen wie Suppe, Kartoffel etc gekocht wurden, wogen bis zu 50 kg und mehr.

Die wesentliche Tätigkeit des Kochs ist die verschiedene Behandlung von Rohnahrungsmittel durch Kochen, Braten, Dünsten, Dämpfen, Grillieren, Backen, Rösten etc. Die Nahrungsmittel sind entsprechend vorzubereiten. Er stellt die Speisekarte sowie etwaige Menüfolgen zusammen. Dabei muß er die örtlichen Gepflogenheiten, Art und Ansprüche der zu erwartenden Gäste (Laufkundschaft, Stammgäste, Kinder, Jugendliche usw), das saisonale Lebensmittelangebot (Wildpretzeit, Gemüseernte etc) Art, Größe und Qualität des Betriebes berücksichtigen. Er berechnet die erforderlichen Nahrungsmittelmengen, erstellt die Kalkulation und damit die Preise, besorgt selbst den Einkauf und die Bestellung bei den Lieferfirmen, besorgt die Übernahme und Kontrolle der Waren und sichert die richtige Lagerung der Rohstoffe und Hilfsmittel, er teilt den Mitarbeitern die Arbeiten zu, weist sie an und kontrolliert ihre Tätigkeit. Neben Hauptgerichten aus Fleisch, Fisch und Gemüse sowie sonstigen Beilagen stellt der Koch auch Grundbrühen her, die bei der Zubereitung von Saucen und Verzierungen Verwendung finden, benützt Brühen und Saucen bei der Herstellung kalter und warmer Platten, er verfertigt kalte Platten, exquisite Salate und eine Vielzahl warmer und kalter Desserts. Die überwiegende Zahl der Köche ist mit der Herstellung von Speisen und Speisenteilen einfacher bis durchschnittlich guter Art befaßt, wie sie vom einfachen Gasthof bis zum Dreisternrestaurant allgemein angeboten werden. Die Auswahl der Speisen kann zwar vielfältig sein, die Speisen sind aber in der breiten Konsumentenschaft allgemein bekannt und wiederholen sich auf der Speisekarte immer wieder. Auch die Nebenspeisen sind eher wenig abwechslungsreich (Kartoffelsalat, Krautsalat, gebundene Saucen, russisches Ei usw).

Die Tätigkeit eines Kochs erfordert dauerndes Stehen, von Gehen unterbrochen sowie Steigen von Stiegen und auf Leitern, Sitzen ist ausnahmsweise bis zu einer Dauer von 10 Minuten möglich. Mit der Tätigkeit sind mittlere muskuläre Dauerleistungen und das Heben, Tragen und Schieben leichteter und mittelschwerer Lasten bis 15 kg, gelegentlich auch schwerer Lasten bis etwa 30 kg verbunden. Welche Anforderungen im Einzelfall an den Koch gestellt werden, hängt von der Größe, Art und Qualität des Küchenbetriebes ab. In küchenexquisiten Häusern gibt es mit Rücksicht auf die Qualität und Vielzahl des Speisenangebotes eine sehr große Zahl von Köchen (30 bis 40 Fachkräfte), die mit ihren Hilfskräften zu sogenannten Brigaden zusammengefaßt sind und weitgehend spezialisiert und arbeitsteilig arbeiten. Die verschiedenen Speisegruppen wie Suppen, Saucen, Salate, kalte Vorspeisen, Platten usw werden von eigens hiefür vorgesehenen gelernten Köchen hergestellt; diese Erzeugnisse finden dann auf vielfältige Weise für die Zusammenstellung von Speisefolgen Verwendung. Von diesen Firstclass-Betrieben, deren Zahl verhältnismäßig gering ist, abgesehen werden in vielen großen Küchenbetrieben (Betriebsküchen, Küchen in Altersheimen, Kaufhäusern, Jugendheimen usw) immer eigene Kräfte für die Bereitung von Salaten, kalten Imbissen, warmen Getränken, Gemüseplatten udgl beschäftigt, um durch Arbeitsteilung in den Aufgaben dem vielfältigen Bedarf einer großen Zahl von Gästen kurzfristig gerecht zu werden. In diesen Fällen werden diese Arbeiten aber von ungelernten Kräften besorgt, die speziell für diese Tätigkeiten eingeschult werden und nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten eines gelernten oder angelernten Kochs benötigen, wie dies in Firstclass-Betrieben für solche Aufgaben erforderlich ist. Als Verweisungstätigkeiten im Berufsbild Koch/Köchin kommen in Betracht:

Kaltmamsell (Gardemanager):

Es handelt sich um eine Köchin, die ausschließlich kalte, zumeist pikante Speisen wie zB garnierte Vorspeisen aus Eiern, Fleisch, Wurst und Fisch, Schinken, Mayonaisen udgl herstellt, sowie kalte Platten und belegte Brötchen zubereitet. Die Hauptaufgabe der Kaltmamsell besteht darin, eine geschmacklich abgestellte Kombination der einzelnen Zutaten vorzunehmen und sie für ein das Auge und den Gaumen befriedigendes Ganzes zusammenzufügen. Diese Arbeit erfordert Phantasie, schöpferische Ideen, Geschmack und eine gewisse künstlerische Begabung, Eigenschaften, wie sie auch sonst zu den Voraussetzungen der Gastronomiearbeit zählen. Bei dieser Arbeit kann oftmalig oder auf längere Zeit Sitzhaltung eingehalten werden. Die körperliche Belastung geht nicht über mittelschwere Anforderungen hinaus, es sind keine schwereren Lasten als 10 kg zu heben und nicht mehr als 5 kg zu tragen. Die Kaltmamsell wird in größeren Hotel- und Restaurantküchen, aber auch in Buffets und Feinkostgeschäften, die kalte Speisen anbieten, beschäftigt.

Salaterin:

Es handelt sich um eine Köchin (Hilfsköchin), der es obliegt, aus den verschiedenartigsten Rohstoffen, aber auch aus gekochtem oder gebratenem Gemüse und Früchten verschiedene Salate als Beilage zu Fleisch oder als Hauptgericht herzustellen. Das Schwergewicht liegt allerdings auf der Bereitung von Rohkost, sodaß die beim Koch üblichen Garmethoden keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Salaterin hat ihren Arbeitsplatz üblicherweise nicht am Herd. Die Vorbereitung der Rohstoffe (Putzen, Zerkleinern) macht sie selbst oder mit Unterstützung einer Hilfskraft. Die Salaterin ist körperlich weit weniger belastet als der allgemeine Koch. Heben bis 10 kg (ehe selten) und Tragen bis ca 5 kg bedeuten geringen muskulären Einsatz, viel Stehen, unterbrochen von Gehen, aber auch öfteres Sitzen bis etwa 20 Minuten Dauer. Die Verwendung von Küchenmaschinen erspart viel händische Arbeit.

Daneben gibt es noch weitere spezielle Küchentätigkeiten, die von Köchen verrichtet werden, wie Suppen- und Gemüsekoch, Saucenkoch usw. Diese Arbeiten beziehen sich also nur auf die komplette Herstellung von Menüteilen oder Ergänzung von Speisen. Sie haben viel Ähnlichkeit mit den zuvor beschriebenen Tätigkeiten, unterscheiden sich aber vom verarbeiteten Material und der Art der Zubereitung her. Die Anforderungen sind ähnlich wie bei der Kaltmamsell und der Salaterin. Diese Teiltätigkeiten des Berufsbildes Koch bedingen eine Umstellungsfähigkeit, ein Einordnungsvermögen in ein neues Arbeitsgebiet und die Bereitschaft, sich einem Chef unterzuordnen. Bei den Tätigkeiten der Kaltmamsell, Salaterin, dem Suppenkoch, Gemüsekoch und Saucenkoch handelt es sich um Teiltätigkeiten, die üblicherweise von einem gelernten Koch verlangt werden. Ein gelernter Koch ist in der Lage, sich diese Spezialtätigkeiten innerhalb einer kurzen Frist von 4 bis 6 Wochen durch Besuch von Kursen anzueignen. Die Tätigkeit der Klägerin entsprach der, die von einem ausgelernten Koch zu Beginn seiner Tätigkeit verrichtet wird.

Die Klägerin ist zufolge von Beeinträchtigungen im Stützapparat nur mehr in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen während eines 8-Stundentages ohne zusätzliche Pausen zu verrichten, soweit diese vorwiegend in geschlossenen Räumen zu besorgen sind. Sie kann nicht mehr als 10 kg, fallweise 15 kg heben. Häufiges Bücken oder das Einhalten einer vorgeneigten Körperposition ist ebenso wie das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten zu vermeiden. Der Weg zur Arbeitsstelle ist nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 20.12. 1991 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Invaliditätspension ab, da die Klägerin nicht invalid im Sinne des Gesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage, mit der die Klägerin ursprünglich begehrte, die beklagte Partei zur Gewährung der Invaliditätspension zu verpflichten. Im Hinblick auf die am Stichtag aufrechte Pflichtversicherung schränkte sie ihr Begehren auf die Feststellung der Invalidität gemäß § 255 a ASVG (idF vor der 51. ASVGNov) ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Klägerin lediglich als Betriebsköchin in eingeschränktem Umfang tätig gewesen sei und Kenntnisse nur in einem Teilbereich des Lehrberufes Koch erworben habe, komme ihr Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG nicht zu. Ihre Invalidität sei daher nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen. Da sie in der Lage sei, verschiedene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Tätigkeiten wie Geschirrspülerin, Verpackungsarbeiterin aber auch Teiltätigkeiten des Lehrberufs Koch zu verrichten, sei sie nicht invalid im Sinne des § 255 ASVG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei davon auszugehen, daß die Klägerin einen angelernten Beruf im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG ausgeübt habe. Die Befähigung, ein 3-gängiges Menü für 130 Personen nach einem wöchentlich wechselnden Speiseplan zu gestalten, die Einkaufsliste zu erstellen und die Menüs gemeinsam mit einer zweiten Köchin zuzubereiten, decke die wesentlichen Bereiche des Lehrberufes Koch ab. Hieraus sei aber für die Klägerin letztlich nichts gewonnen, weil sie im Rahmen dieses Berufes verweisbar sei. Sie sei nämlich in der Lage, spezialisierte Teiltätigkeiten des Kochberufes wie etwa als Kaltmamsell oder Salaterin weiter auszuüben. Diese Teiltätigkeiten würden regelmäßig von gelernten Köchen verrichtet und seien vom Sozialprestige dem Beruf des Kochs gleichwertig. Dem Begehren der Klägerin komme aus diesem Grund keine Berechtigung zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist unzulässig, soweit damit die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Kosten des Verfahrens bekämpft wird. Da im § 46 ASGG hiefür nichts anderes angeordnet ist und gemäß § 47 Abs 1 ASGG nur die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 1 Z 1 und 5 ZPO nicht gelten, ist § 528 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwenden. Die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt kann daher weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden (SSV-NF 2/82).

Im übrigen ist die Revision berechtigt.

Die Feststellungen reichen zur abschließenden rechtlichen Beurteilung der Sache nicht aus.

Strittig ist vorerst die Frage, ob die Klägerin Berufsschutz im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG genießt. Der Begründung des Berufungsgerichtes, daß ausgehend vom festgestellten Tätigkeitsinhalt der Klägerin die Voraussetzungen für die Annahme eines angelernten Berufes erfüllt sind, ist beizutreten. Die Klägerin hat einen Küchenbetrieb, dem die regelmäßige Versorgung von 130 Personen oblag, weitgehend selbständig geführt und alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten verrichtet. Wohl wurde in diesem Betrieb nur Hausmannskost zubereitet, doch besteht darin kein wesentlicher Unterscheid zur Tätigkeit einer Vielzahl von gelernten Köchen. Nach den Feststellungen ist die überwiegende Zahl von gelernten Köchen in Betrieben tätig, wo nur Speisen einfacher und durchschnittlicher Art, die der breiten Konsumentenschaft allgemein bekannt sind, zubereitet werden, womit im wesentlichen der Begriff der Hausmannskost umschrieben wird. Auch gelernte Köche, die in Jugendheimen, Altersheimen, Erholungsheimen, Internaten etc beschäftigt sind, beschränken sich auf die Tätigkeiten, die von der Klägerin verrichtet wurden. Sie hat daher eine Tätigkeit ausgeübt, für die Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die das Berufsbild der überwiegenden Zahl der gelernten Köche ausmachen.

Es steht allerdings nicht fest, ob die Klägerin diese Tätigkeit in der überwiegenden Zahl der Beitragsmonate in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübt hat. Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen zugrunde gelegt, daß die Klägerin nach ihrem anfänglichen Einsatz im Reinigungsdienst in den letzten 10 Jahren in der Küche beschäftigt war, wo sie vorerst die damals dort beschäftigte Küchenleiterin, eine gelernte Köchin, unterstützte. Erst nach deren Pensionierung übernahm sie nach dem Sinn der bisher getroffenen Feststellungen die Leitung der Küche. Da die Klägerin den Beruf nicht erlernt hat, ist davon auszugehen, daß sie eine entsprechende Anlernzeit benötigte, die nicht als Zeit einer qualifizierten Tätigkeit zu werten ist. Ein angelernter Beruf wird erst ab dem Zeitpunkt ausgeübt, ab dem die Anlernung abgeschlossen ist und der Versicherte über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die den in einem Lehrberuf erworbenen gleichzuhalten sind. Wann die Anlernung der Klägerin abgeschlossen war, steht nicht fest. Überdies genügt es nicht, daß der Versicherte über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die für die Annahme eines angelernten Berufes erforderlich sind; diese müssen vielmehr für die von ihm ausgeübte Tätigkeit auch erforderlich sein (SSV-NF 2/98). Aus den Feststellungen ergibt sich sinngemäß der Tätigkeitsumfang der Klägerin ab dem Zeitpunkt, zu dem die frühere Küchenleiterin in Pension ging. Es steht nicht fest, wann dies der Fall war und welche Tätigkeit die Klägerin bis dahin verrichtete. Hätte sie nämlich bis zur Pensionierung ihrer Vorgängerin unter deren Anleitung nur Hilfsdienste verrichtet, so hätte sie, selbst wenn sie über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt hätte, keinen angelernten Beruf ausgeübt. Maßgeblich ist daher die Zahl der Beitragsmonate, die die Klägerin in den letzten 15 Jahren erwarb sowie die Zahl der Beitragsmonate (nicht auch Ersatzmonate - idS SSV-NF 7/17) während der die Klägerin in den letzten 15 Jahren mit einer Tätigkeit betraut war, für die Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG erforderlich waren. Vom Bestehen eines Berufsschutzes könnte nur ausgegangen werden, wenn die letztgenannten Beitragsmonate überwiegen.

Sollte das weitere Verfahren zu dem Ergebnis führen, daß die Klägerin Berufsschutz genießt, so erweisen sich die Feststellungen auch hinsichtlich der vom Berufungsgericht herangezogenen Verweisungsberufe ergänzungsbedürftig. Festgestellt wurde, daß die verschiedenen Speisegruppen wie Suppen, Saucen, Salate, kalte Vorspeisen und Platten in Firstclasshäusern von eigens hiefür vorgesehenen gelernten Köchen hergestellt werden, die Zahl dieser Betriebe jedoch gering ist. In anderen größeren Küchenbetrieben werden wohl auch regelmäßig eigene Kräfte für diese Bereiche eingesetzt, doch handelt es sich dabei üblicherweise um ungelernte Kräfte, die für diese Tätigkeiten speziell eingeschult werden. Genießt jedoch ein Versicherter Berufsschutz, so darf er nicht auf Tätigkeiten verwiesen werden, durch die er den Berufsschutz verlieren würde (SSV-NF 5/40). Werden in den letztgenannten Fällen keine Anforderungen gestellt, die Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern, die an die eines Lehrberufes heranreichen, so könnte die Klägerin, wenn ihr Berufsschutz zukommt, auch auf diese Tätigkeiten nicht verwiesen werden, weil sie dadurch den Berufsschutz verlieren würde. Zu prüfen wäre daher, wieviele Arbeitsplätze für Salaterinnen und Kaltmamsellen österreichweit zur Verfügung stehen, in denen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die denen des Lehrberufes Koch entsprechen; dabei ist nur die Zahl der Ganzjahresarbeitsplätze entscheidend, zumal eine Verweisung auf Saisonarbeitsplätze ausscheidet (SSV-NF 6/4). Allenfalls wäre zu prüfen, ob die Klägerin als Küchenkassierin tätig sein kann, bejahendenfalls wieviel Arbeitsplätze in diesem Beruf zur Verfügung stehen.

Ergänzungsbedürftig erweist sich auch das medizinische Leistungskalkül. Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen zugrunde gelegt, daß die Klägerin nur mehr Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen verrichten kann. Wesentliche Bedeutung kommt aber der Frage zu, wie oft aus medizinischen Gründen ein Haltungswechsel erforderlich ist bzw wie lange die Klägerin jeweils in einer Arbeitshaltung durchgehend arbeiten kann. Wenn dies geklärt ist, wird zu prüfen sein, ob die in Frage kommenden Verweisungsberufe die medizinisch angezeigten Haltungswechsel zulassen.

Da sohin Feststellungen zu wesentlichen Fragen fehlen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Bei der neuerlichen Entscheidung wird die durch die 51. ASVGNov eingetretene Gesetzesänderung zu berücksichtigen sein. Der Nichtbestand einer Pflichtversicherung am Stichtag ist nach dieser Novelle seit 1.7. 1993 keine Anspruchsvoraussetzung für die Invaliditätspension. Aus diesem Grund wurde die Bestimmung des § 255 a ASVG über die Feststellung der Invalidität in einem gesonderten Verfahren aufgehoben (sa SozSi 1993, 284 ff [290]). Diese neue Gesetzeslage wird mit der Klägerin zu erörtern und ihr Gelegenheit zur allfälligen Modifizierung ihres Begehrens zu geben sein.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

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