Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit EUR 2.559,42 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 426,57, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt von den beklagten Parteien (mit der zweitbeklagten Partei wurde Ruhen des Verfahrens vereinbart) die Zahlung von S 4,101.000 sA sowie die Feststellung ihrer Haftung für alle künftigen Schäden aus dem zwischen ihnen abgeschlossenen Gesamtvertrag. Er brachte vor, die erstbeklagte Ärztekammer habe bei Abschluss des Gesamtvertrages vom 2. 5. 1990 mit der zweitbeklagten Partei (einer Gebietskrankenkasse) seine Interessen dadurch verletzt, dass sie durch eine äußerst scharfe Degressionsregelung bei der Punktebewertung für Laborleistungen seine betriebswirtschaftliche Lage in existenzgefährdender Weise verschlechtert habe. Aus dem Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten habe sich für den Kläger für die Jahre 1990 und 1991 ein Verlust in der Höhe von S 4,101.000 ergeben, er müsse mit weiteren Schäden rechnen.
Die Fachgruppe für Labormediziner sei von der erstbeklagten Partei verspätet über die Gefahr beträchtlicher Honorarkürzungen informiert worden. Die vereinbarte Degressionsregelung stelle noch eine wesentliche Verschlechterung gegenüber dem Vorschlag der Gebietskrankenkasse dar. Die erstbeklagte Partei habe Informationen des Klägers und der Fachgruppe für Labormediziner vor Abschluss des Vertrages nicht berücksichtigt, der Vertragsabschluss sei ohne fachspezifisches betriebswirtschaftliches Fachwissen erfolgt. Es sei auch die in der Folge durchgeführte Nachverrechnung rechtswidrig. Diese sei nach einem "Gießkannenprinzip" durchgeführt worden und nicht in der Form, dass ein allfälliges Guthaben in erster Linie jenen Labors zugute komme, die durch Inkaufnahme der extremen Punktewertabsenkung infolge der Degression die meisten Honorareinbußen erlitten hätten. Die Erstbeklagte hätte den Vertrag vom 2. 5. 1990 nicht abschließen müssen bzw die ursprünglich von der Gebietskrankenkasse angebotene Honorarstaffelungen vereinbaren können, sie hätte aber nicht der schließlich beschlossenen Degressionsregelung zustimmen müssen. Zusätzlich hätte die Honorarvereinbarung nicht rückwirkend abgeschlossen werden dürfen und hätte der Nachrechnungsbetrag gerecht und billig aufgeteilt werden müssen.
Die beklagte Partei wendete ein, sie hätte die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Kammermitglieder wahrzunehmen gehabt und sei dementsprechend verpflichtet gewesen, einen sonst drohenden vertragslosen Zustand zu vermeiden. Es hätte bei den Honorarverhandlungen nicht auf Größe und Struktur der einzelnen Ordinationen Bedacht genommen werden können. Das Schicksal des Klägers sei ein Einzelschicksal. Der Nichtabschluss des Gesamtvertrages vom 2. 5. 1990 hätte zu einem vertragslosen Zustand geführt und bewirkt, dass Ärzte die Patienten in die Spitäler zu Laboruntersuchungen überwiesen hätten. Eine andere, als die tatsächlich abgeschlossene Vertragshonorierung sei nicht möglich gewesen. Die vermeintliche Rückwirkung der Honorarvereinbarung sei nur scheinbar erfolgt, weil die Ausarbeitung des Vertrages durch die Einbindung der Fachgruppen einige Monate in Anspruch genommen habe. Die vom Kläger begehrte Nachverrechnung hätte dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz widersprochen.
Das Erstgericht sprach mit Teil-Zwischenurteil aus, das Klagebegehren bestehe dem Grunde nach zu Recht; die Entscheidung über das Feststellungsbegehren sowie die Kostenentscheidung wurden der Endentscheidung vorbehalten.
Dabei wurden folgende Feststellungen (soweit sie vom Berufungsgericht übernommen wurden) getroffen:
Der Kläger war Vertragsfacharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik in Wien 22; er stand zur zweitbeklagten Partei in einem Kassenarztverhältnis. Seine Leistungen wurden vor dem gegenständlichen Vertragsabschluss nach dem seit 1. 4. 1986 geltenden Honorartarif entlohnt. Danach hatte er im Jahre 1989 Einnahmen von S 27,182.553,63, woraus er einen Gewinn von S 2,480.084,17, d.s sind 8,5 %, zog. Davon entfielen auf die zweitbeklagte Partei Einnahmen von S 18,474.701,20, der Rest auf kleinere Kassen und sonstige Einnahmen. Im Jahr 1989 kam es zwischen den beklagten Parteien zu Verhandlungen über eine neue Honorarordnung. Diese verfolgten den Zweck, 12 % des Gesamtumsatzes von 1989, sohin S 482,000.000 einzusparen und diesen Betrag beschlussmäßig für andere Fachgruppen, insbesondere für die Fachgruppe der praktischen Ärzte, freizumachen. Als Deckelbetrag war seitens der zweitbeklagten Partei ein Betrag von S 380,000.000 für die Gruppe Laborfachärzte vorgesehen. Es musste daher zwangsläufig eine Honorarsenkung erfolgen. Dies war der erstbeklagten Partei spätestens seit 25. 8. 1989 bekannt. Der Fachgruppe der Wiener Laborärzte wurde das Schreiben der Gebietskrankenkasse jedoch erst am 7. 12. 1989 übergeben. Die Fachgruppe wendete sich massiv dagegen, dass der Deckelungsbetrag auf S 380,000.000 herabgesetzt werden sollte; sie betrachtete dies als politisch motivierten Umverteilungsversuch und sah sich dem wirtschaftlichen Ruin preisgegeben. Zusätzlich sollte die Kostendämpfung durch eine verschärfte Degressionsregel erzielt werden, gegen die sich die Fachgruppe der Wiener Laborärzte scharf wehrte. Die zweitbeklagte Partei machte am 7. 8. 1989 ein Anbot, wonach die Degression der Punktebewertung wie folgt vorgenommen werden sollte: Pro Quartal werden vergütet
der 1. bis 1,000.000. Punkt mit je S 1,5
der 1,000.001. bis 2,000.000. Punkt mit je S 1
ab dem 2,000.001. Punkt je S 0,90.
Die davor geltende Honorarordnung sah folgende Degression vor: Pro
Quartal werden vergütet
der 1. bis 1,000.000. Punkt mit je S 1,46
der 1,000.001.bis 2,000.000. Punkt mit je S 1,41
ab dem 2,000.001. Punkt je S 1,30.
Die neue vorgesehene Degressionsregelung sah Folgendes vor: Pro
Quartal werden vergütet
der 1. bis 1,000.000. Punkt mit je S 1,10
der 1,000.001. bis 1,500.000. Punkt mit je S 1,05
der 1,500.001. bis 2,000.000. Punkt mit je S 0,90
der 2,000.001. bis 2,500.000. Punkt mit je S 0,70
ab dem 2,500.001. Punkt je S 0,50.
Dies brachte mit sich, dass die Großlabors, wie jenes des Klägers, die geringste Vergütung bezogen, nämlich für den zweiten Leistungsbereich Mikrobiologie, wobei die Punktedegression für diesen Bereich sehr niedrige Vergütungen bewirkte, denen aber sprungfixe Kosten zur Einrichtung und zum Betrieb dieses zusätzlichen Bereiches gegenüberstehen.
Ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger in Kenntnis von der in Aussicht gestellten reduzierten Deckelungssumme von S 380,000.000 und des scharfen Degressionsmodells war, wies er die erstbeklagte Partei in zahlreichen Schreiben darauf hin, dass er sein Labor nur noch mit Verlust führen könne. Auch die Fachgruppe der Laborfachärzte erarbeitete eine Resolution, in der sie auf die ruinösen Folgen hinwies. Dieses Schreiben ist vom 1. 12. 1989 datiert und wurde von nahezu allen Mitgliedern der Fachgruppe unterfertigt und kam der erstbeklagten Partei auch zu. Weder auf diese Resolution, noch auf die Schreiben des Klägers erfolgten durch die erstbeklagte Partei Reaktionen. Vielmehr erfolgte der Vertragsabschluss am 2. 5. 1990 rückwirkend zum 1. 1. 1990. Dabei wurde eine Deckelungssumme für die Gesamtgruppe der Laborfachärzte von S 380,000.000 beschlossen, wobei die letztgenannte scharfe degressive Punktebewertung festgelegt wurde. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vertragsabschluss mit der zweitbeklagten Partei auch dann möglich gewesen wäre, wenn sich die erstbeklagte Partei nicht mit der Deckelungssumme von S 380,000.000 einverstanden erklärt hätte. Wäre es zu einem Vertragschluss nicht gekommen, wäre ein "vertragsloser Zustand" die Folge gewesen; die Versicherungsnehmer der zweitbeklagten Partei, der größten Krankenkasse, hätten Laborfachleistungen aus Eigenem vorstrecken und dann versuchen müssen, sie ganz oder zum Teil refundiert zu erhalten. Das hätte letztlich dazu geführt, dass finanzschwache Patienten, da Laborleistungen im oberen Honorarbereich anzusiedeln sind, derartige Leistungen wenn, dann nur im Spital und nicht aber bei den niedergelassenen Laborfachärzten, in Anspruch genommen hätten. Dies wäre ein Zustand gewesen, der sicher nicht im Interesse der Wiener Laborfachärzte lag. Die zweitbeklagte Partei nahm auch hinsichtlich der internen Verteilung der Deckelungssumme Einfluss und Anteil. Die vereinbarte Degressionsstafel führte dazu, dass Großlabors, die Punktewerte über S 2,500.000 erzielten, umfangreiche Umstruktuierungsmaßnahmen durchführen mussten, so etwa durch Abbau von Mitarbeitern oder durch Auslagerung einzelner Untersuchungen und erhöhtem persönlichen Arbeitseinsatz. Aufgrund dieser Vereinbarung bilanzierte der Kläger 1990 und 1991 ausgeglichen, wobei er versuchte, den Personal- und Sachaufwand zu reduzieren. Somit stimmten die vom Kläger der erstbeklagten Partei gegegebenen Prognosen mit der tatsächlichen Entwicklung überein. Dies hätte die erstbeklagte Partei unter Beiziehung sachkundiger Fachleute auch feststellen können. Da die verrechnete Punktezahl den Deckelungsbetrag von S 380,000.000 für das Jahr 1990 nicht ergab, wurde der Restbetrag auf diese Summe, ein Betrag von S 40,000.000 bis 45,000.000 nach der gleichen Degressionsstafel nachverteilt. Eine andere Nachverteilung als die beschlossene hätte dem beschlossenen Degressionsmodell nicht entsprochen. Sonst wäre im Wege der Nachverteilung das beschlossene Degressionsmodell im Nachhinein verändert worden.
Der Kläger verkaufte in der Folge sein Labor um S 15,000.000. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei von der bindenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, 2 Ob 20/92, auszugehen, wonach dem Kläger ein berechtigtes Interesse daran zugebilligt werden müsse, kostendeckend honoriert zu werden. Die gegenständliche Honorarordnung honoriere ihn nicht kostendeckend, wodurch ihm ein Schaden entstanden sei. Ein Schadenersatzanspruch setze auch die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens der erstbeklagten Partei und ein Verschulden voraus. Die rechtswidrige Kausalität sei zu bejahen, weil es die erstbeklagte Partei unterlassen habe, anlässlich des Vertragsabschlusses mit der zweitbeklagten Partei ein Degressionsmodell, das eine kostendeckende Honorierung der Arbeit des Klägers zugelassen hätte, abzuschließen. Hinsichtlich des Verschuldens treffe die erstbeklagte Partei die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB, sei sie doch gemäß § 38 Abs 1 ÄrzteG (in der damals geltenden Fassung) berufen gewesen, die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Belange der Ärzte wahrzunehmen und zu fördern. Die Verletzung dieser Bestimmung stelle die Verletzung eines Schutzgesetzes dar. Der erstbeklagten Partei sei es nicht gelungen zu beweisen, dass sie die sie treffende Sorgfaltspflichten erfüllt habe. Der Schadenersatzanspruch bestehe daher dem Grunde nach zu Recht, doch könne über die Berechtigung des Feststellungsbegehrens derzeit noch nicht abgesprochen werden.
Das von der erstbeklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es das Zahlungsbegehren des Klägers abwies; es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.
Das Berufungsgericht traf folgende ergänzende Feststellungen:
Das Großlabor des Klägers wies Besonderheiten auf, die es von den anderen Labors unterschied. So etwa deshalb, weil der Kläger auch Internist war und andere Arbeitsgruppen im Labor betrieben bzw verstärkt betrieben hat (zB EKG). Diese spezielle Anforderung, etwa im EKG, hat sich im Vergleich als nicht generell typisch erwiesen. Im Vergleich (innerhalb der Fachgruppe) hatte der Kläger auch einen überdurchschnittlichen Anteil im mikrobiologischen Analysenbereich. Weiters hatte der Kläger ein zytologisch-histologisches Arbeitsprogramm und entsprechende Ausfertigungsmöglichkeiten geschaffen, all das für die Labors in Wien atypische Schwerpunkte. Jene Komponenten, die nicht allgemein typisch waren, sondern nur beim Kläger Bedeutung hatten, erzeugten hohe Kosten. Nur durch Änderung der Laborstruktur, d.h. durch Auflassung einzelner Arbeitsgruppen wäre es möglich gewesen, eine andere Kostenstruktur im Vergleich zum Umsatz zu erzeugen. Hätte der Kläger auf eine Struktur umgestellt und die entsprechenden Kündigungen vorgenommen, dann hätte sich seine relative Betriebssituation verbessert.
Der Kläger konnte in den Jahren 1990 und 1991 deshalb ausgeglichen bilanzieren, weil er Überschüsse bei den kleinen Kassen in der selben Höhe wie Verluste bei der zweitbeklagten Partei erzielte. Die Perspektive der Fusionierung wurde an den Kläger nicht herangetragen, er war darauf fixiert, als Ordination "zu überleben". Vor Abschluss des gegenständlichen Vertrages sind die Staffelungen der einzelnen Punktebewertungen mit Einverständnis der Fachgruppe Labormedizin verhandelt worden. Auch die Nachverrechnung wurde in der Fachgruppe diskutiert und die Bewertungen von dieser festgelegt. Im Verhandlungsteam waren vier Ärzte für Labormedizin. Es handelte sich um die Vertreter der Fachgruppe. Aufgrund der Resolution kam es noch zu Nachbesprechungen und Nachverhandlungen mit der Sozialversicherung. Trotz der Vereinbarung für alle übrigen Fachärzte wurde die Labormedizin erst im Folgejahr unterfertigt, weil es noch längere Zeit brauchte, um alles zu berücksichtigen, nämlich auch die vorgetragenen Nöte der Laborärzte. Keinesfalls wollte man sich auf einen vertragslosen Zustand einlassen. Ein solcher hätte dazu geführt, dass kein Wiener Kassenarzt die Patienten über Krankenscheine abrechnen hätte können. Da die Kosten, die ein Patient im Falle eines Laborbesuches zu tragen hat, wesentlich höher sind, als die bei einem praktischen Arzt, hätten die einzelnen Patienten einen entsprechend hohen Barbetrag ausgeben müssen. Die vom Kläger gewünschte Nachverrechnung, die aufgrund seiner persönlichen Überlegungen verlangt worden war, wäre zu Lasten der übrigen Laborärzte oder der gesamten niedergelassenen Ärzteschaft ausgegangen. Der Grund der mit der Honorarordnung vorgenommenen Umverteilung war, dass sich die Sozialversicherung mit ihren finanziellen Mitteln überdurchschnittlich und überproportional in der Enge befand. Der politische Hintergrund war die Sicherung der Existenz aller Vertragsärzte. Für den Kläger standen zahlreiche Termine bereit, er trug seine Ansichten auch dem Präsidenten der erstbeklagten Partei vor. Dieser erklärte ihm, es müsse die Gesamtsicht berücksichtigt werden, es sei eine isolierte Betrachtung bloß eines Standpunktes durch die Vertretung der erstbeklagten Partei nicht möglich.
In der Fachgruppe gab es einen weitgehenden Konsens über die Art der Staffelung. Resolutionen, wie jene der Fachgruppe vom 11. 12. 1989, sind nicht einmalig. Die Stellungnahme zum Problem, wonach die Laborärzte nicht mehr wirtschaftlich überlebensfähig seien, wenn die Kürzung so erfolge, wie sie die zweitbeklagte Partei anbiete (entspricht der Resolution vom 11. 12. 1989), erfolgt bei jeder Honorarvereinbarung. Die Vereinbarung vom Mai 1990 war, verglichen mit späteren Vereinbarungen, weit weniger gravierend zu Lasten der Laborärzte.
Den Ärzten stellte sich der Standpunkt der beklagten Parteien bei Vertragsabschluss so dar, dass aus sozialen Gründen die Kleineren leichter die Chance haben sollten zu überleben, die Größeren aber ohnehin überleben könnten.
Die Degression war ein Versuch, die Kleinen zu schützen, weil die Großen damit leben könnten. Bei der Festlegung der Degression wurde eher auf die kleineren oder mittleren Labors Rücksicht genommen, als auf die großen. Die erstbeklagte Partei war der Meinung, dass die Möglichkeit der Anpassung eines großen Labors eher gegeben sei. Es gab das Bestreben, gerecht zu verwalten und denen, die in der Honorierung weiter zurücklagen, mehr zu geben. Der Vertrag wird so vorbereitet, dass die Facharztgruppen, die Sektionsfachärzte ihre Vorstellungen deponieren, dann wird ein Forderungsprogramm erarbeitet, das Programm an die Kassen weitergeleitet und dann verhandelt. Generell wird dann versucht, gegenüber den Kassen bestmögliche Ergebnisse unter Berücksichtigung auch dieser Wünsche zu erzielen, welche Vorgangsweise auch im Fall des gegenständlichen Vertragsabschlusses so gehandhabt wurde. Die Struktur der Labors ist eher der zweitbeklagten als der erstbeklagten Partei bekannt. Die zweitbeklagte Partei nahm im Detail Einfluss auf die Aufteilung. Verglichen mit einem Kinderarzt oder einem Urologen hatten die Laborärzte in der Vergangenheit unverhältnismäßig viel verdient. Dass das auf die Dauer nicht gehalten werden könne, war ihnen klar. Die Laborärzte verdienten damals - vor Abschluss der gegenständlichen Honorarordnung - "zu viel"; Prof. Dr. S***** (der ebenfalls ein Labor betrieb) hatte immer deponiert, man müsse mit den Tarifen heruntergehen. Das wurde aber von den Laborärzten nicht akzeptiert, dann kam es zu dem entscheidenden Schnitt.
Es ist kein Laborarzt bekannt geworden, der durch die gegenständliche Honorarordnung wirtschaftlich ruiniert worden wäre. Die Befürchtungen laut Resolution traten nicht ein, der Gewinn war aber geringer, auch bisher großzügig gehandhabte Gehaltserhöhungen mussten geringer gehalten werden. Laborärzte mussten Umstrukturierungen treffen, wie zB Kündigung von Mitarbeitern. Einzelne Laborärzte beurteilten die Honorarreduzierung wirtschaftlich so, dass die zweitbeklagte Partei ihre Fixkosten zahlte und sie an den anderen Versicherung verdiente. Die in der Resolution vom 11. 12. 1989 angestellte Prognose des wirtschaftlichen Ruins der Laborärzte erwies sich retrospektiv als unrichtig, allerdings sank der Gewinn.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, es bedürfe im Sinne der Entscheidung 2 Ob 20/92 einer Auseinandersetzung mit dem Begriff der kostendeckenden Honorierung. Dieses Recht gewähre nicht einen unabdingbaren Anspruch jedes einzelnen Arztes auf immerwährendes Verharren in der einmal selbst gewählten Struktur seiner Ordination bei "Garantie" stetiger und ununterbrochener kostendeckender Honorierung. Dieser der Klage innewohnende Gedanke hätte zur Folge, dass eine einzige extrem kostenintensiv gestaltete Ordination zum Maßstab des Honorierungssystems der Gesamtverträge werden müsste, was im unvereinbaren Widerspruch zum Gesetzesauftrag des ASVG stünde, dass die Sozialversicherungsträger zur sparsamen Verwendung der vorhandenen Mittel verpflichtet seien. § 342 ASVG normiere ausdrücklich die Vorsorge der Gesamtverträge für eine wirtschaftliche Behandlung und Vorschreibweise. Gemäß § 38 ÄrzteG (in der damals geltenden Fassung) seien die Ärztekammern berufen, die gemeinsamen beruflichen sozialen und wirtschaftlichen Belange der Ärzte wahrzunehmen und zu fördern. Diese Aufgabenstellung schließe es aus, den Gesamtvertrag an den Kosten der Praxis eines einzelnen Arztes zu orientieren, vielmehr sei darauf abzustellen, ob die Honorierung die Kosten der Ärzte der betreffenden Fachgruppe decke. Die erstbeklagte Partei habe nicht die individuellen Interessen einzelner Mitglieder, sondern die Gesamtbelange der Ärzte wahrzunehmen, wozu auch der Abschluss der Gesamtverträge zähle. Es gebe also durchaus Interessen von Mitgliedern, die von der erstbeklagten Partei nicht wahrgenommen werden müssten, ja sogar unter Umständen angesichts höherrangiger gemeinsamer Interessen nicht berücksichtigt zu werden brauchten. Allerdings dürfe weder eine Minderheit noch ein einzelnes Mitglied in Verfolgung des Gesamtinteresses auf rechtswidrige Weise "geopfert" werden. Die Berufung auf das Gesamtinteresse rechtfertige nicht den Abschluss sittenwidriger Honorarregelungen. Die Gesamtvertragsparteien dürften nicht von den speziellen Gegebenheiten eines einzelnen Vertragsarztes ausgehen, sondern müssten eine generelle Gesamtlösung anstreben. Diese könne sich nur an typischen und durchschnittlichen Daten orientieren. Eine Honorarordnung sei daher nicht schon dann unzulässig, wenn sie aufgrund atypischer Besonderheiten in einem Einzelfall keine Kostendeckung erreichen sollte. In solchen Fällen habe sich der Vertragsarzt den sonst üblichen Gegebenheiten anzupassen. Wessen Ordination derartige Besonderheiten aufweise, dürfe sich nicht darauf berufen, in seinem Vertrauen auf die Kontinuität des bisherigen Honorierungssystems enttäuscht worden zu sein. Im vorliegenden Fall handle es sich bei der Praxisstruktur des Klägers um einen Einzelfall. Der Anspruch auf kostendeckende Honorierung müsse länger- bzw mittelfristig verstanden werden, da allein durch die laufenden Änderungen der Honorarordnungen bei untypischen Praxisstrukturen einzelner Vertragsärzte Anpassungen vorzunehmen seien, die meistens zwingend mit vorübergehenden Honorareinbußen verbunden seien. Das Beweisverfahren habe nicht den Mangel einer typischen Unterdeckung der Honorarordnung ergeben, sondern vielmehr lediglich in der besonderen Situation des Klägers. Es sei daher zu prüfen, ob die Gesamtvertragsparteien bei Änderung der Honorarordnung unter ausgewogener und sachlicher Rücksichtnahme auf die Interessenlagen der Parteien und ohne Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben vorgegangen seien. Halte man sich die zu berücksichtigenden Aufgaben der beklagten Parteien vor Augen, nämlich Schutz des Gesamtinteresses der Sozialversicherungsträger, der Interessen der einzelnen Krankenversicherungsträger und des Gesamtinteresses der Ärzteschaft, so werde deutlich, dass die Nichtberücksichtigung des Interesses eines einzelnen Arztes mit spezieller Ordinationsstruktur keinen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben darstellen könne. Dies treffe im besonderen Maß auf den vorliegenden Fall zu, in dem die gesamte Fachgruppe des Klägers in der Vergangenheit unverhältnismäßig hoch honoriert worden sei. Der von der betroffenen Fachgruppe als solcher anerkannte sachgerechte Ausgleich ihrer Begünstigung in der Vergangenheit sei im unvereinbaren Widerspruch mit dem Anliegen des Klägers, sein in einzigartiger Weise kostenaufwändiges Honorar zum Maßstab der Honorarordnung zu machen.
Die Zielsetzung, die Bevorzugung der Vergangenheit durch Reduzierung bzw Umverteilung innerhalb der Fachgruppen auszugleichen, dies unter Berücksichtigung des gesetzlichen Auftrages zur Sparsamkeit, schließe einen Verstoß der Gesamtvertragspartner gegen den Grundsatz von Treu und Glauben auch dann aus, wenn sie bei Vertragsabschluss voraussehbare vorübergehende Honorareinbußen eines einzelnen Arztes in Kauf genommen hätten. Der Standpunkt des Klägers, seine Einnahmen aus den Verträgen mit den anderen Trägern der sozialen Krankenversicherung und seine Einnahmen von Privatpatienten hätten außer Betracht zu bleiben, stehe in Widerspruch zu den Pflichten jedes Vertragsarztes, sich bei atypischen Besonderheiten seiner Ordination dann, wenn in seinem Einzelfall eine Honorarordnung keine Kostendeckung erreichen sollte, den sonst üblichen Gegebenheiten anzupassen, weil er sonst damit rechnen müsse, dass sich seine Sondersituation für ihn nachteilig auswirken könne, weil sich die Honorarordnung gerade nicht an speziellen Einzelfällen orientieren könne. Die Pflicht des in einer atypischen Einzelsituation befindlichen Arztes umfasse auch die Verpflichtung, vorübergehende Honorareinbußen aus einem Kassenvertrag durch die Einnahmen aus anderen Honorarquellen zu kompensieren. Eine solche vorübergehende Umschichtung hätte der Kläger wohl hinnehmen müssen. Damit erübrige sich aber auch die Befassung mit der Frage, ob der Gesamtvertrag auf der Basis eines für den Kläger bzw seine Fachgruppe günstigeren - für andere Fachgruppen damit ungünstigeren - Degressionsmodells hätte abgeschlossen werden können.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Interessenlage zwischen Kassenarzt, Ärztekammer und Krankenkasse höchstgerichtliche Judikatur nicht vorliege. Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die erstbeklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft, sie sind nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht sei auf die Frage, ob und inwieweit die strittige Honorarordnung nicht kostendeckend sei bzw eine finanzielle Diskriminierung der Arbeitsleistungen der Laborärzte zur Folge habe, nicht näher eingegangen. Das vom Obersten Gerichtshof in 2 Ob 20/92 bestätigte Prinzip der Kostendeckung sei ganz allgemein anerkannt, es sei für die betroffenen Vertragsärzte unzumutbar, aus eigenem Vermögen die Sozialversicherung zu subventionieren. Das Berufungsgericht habe keine Erwägungen darüber angestellt, was die Kostendeckung im vorliegenden Zusammenhang bedeute, es habe nicht geprüft, ob die Honorarsätze unter Beachtung der Degressionsregelung kostendeckend gewesen seien. Das Berufungsgericht habe es unterlassen, die von ihm für geboten erachteten Rationalisierungsmaßnahmen näher auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin zu prüfen, es sei die Unzulässigkeit von Quersubventionierung defizitärer Tätigkeitsbereiche durch Überschüsse insbesondere aus "kleinen Kassen" übersehen worden. Es sei dem Rechtsmittelgericht entgangen, dass die betroffenen Labors ihre Kosten dadurch gesenkt hätten, dass sie kostenintensive Untersuchungen "auslagerten". Damit werde aber im Ergebnis die von der Rechtsprechung abgelehnte "Rosinentheorie" wieder eingeführt. Das Berufungsgericht habe es als begrüßenswerte Reaktion der Laborärzte betrachtet, ihre Ordinationen überhaupt aufzugeben bzw mit anderen zu subventionieren. Es habe damit Eingriffe der Honorarordnung in die Erwerbsgrundlage eines selbständigen Vertragsarztes anerkannt und akzeptiert, dass man Laborordinationen über den Weg der Honorarkürzung "wegrationalisieren" dürfe.
Vorweg hätte das Berufungsgericht klären müssen, was unter einer "kostendeckenden Honorierung" zu verstehen sei. Diese könne sich nicht an den Kosten der jeweils konkreten Vertragsarztordination insgesamt orientieren. Gegenstand der Honorarordnung seien jene Leistungen, die der Vertragsarzt für die honorierende Krankenkasse erbringe. Der Vertragsarzt müsse für die den Versicherten der honorierenden Krankenkasse zu erbringenden Leistungen eine Entlohnung enthalten, die zumindest dem Aufwand, der für die Erbringung dieser Leistung erforderlich sei, entspreche. Der Gesetzgeber selbst gehe vom Grundsatz der Honorierung nach Einzelleistungen aus. Man müsse daher den für die Einzelleistungen erforderlichen Material-, Geräte- und Zeitaufwand berücksichtigen, dies einschließlich eines gewissen, die persönliche Leistung des Arztes betreffenden Lohnanteils. Eine Honorarordnung sei allerdings dann nicht kostendeckend, wenn die Honorare typischerweise für bestimmte Ärztegruppen bzw bestimmte Ordinationsgrößen in erheblichem Maße nicht ausreichten, den mit der Erbringung der honorierten Leistung verbundenen Aufwand an Material, Einrichtungen, Arbeiten und Zeit auszugleichen, wobei auch ein angemessener Gewinn zu berücksichtigen sei. Es sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht auf die Frage der Existenzgefährdung abzustellen, sondern auf jene der Kostendeckung. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die betroffenen Laborärzte müssten ihre Einnahmen durch die Verträge mit anderen Kassen und aus Privatpatienten aufbessern, sei schon im Ansatz verfehlt. Es gehe bei der Kostendeckung nicht um die gesamte Tätigkeit des Vertragsarztes, sondern ausschließlich um Leistungen, die aufgrund der Honorarordnungen erbracht werden. Auch "gut zahlende" Kassen seien nicht dazu da, "zu wenig zahlende" Kassen durch die Gewährung überhöhter Honorare zu subventionieren. Ungeprüft geblieben sei die Frage, ob die strittige Honorarordnung angesichts der getroffenen Degressionsregel "offenbar unbillig" sei. Zu Unrecht gehe das Berufungsgericht davon aus, dass im vorliegenden Fall lediglich individuelle, konkrete Schäden des Klägers, die ausschließlich aufgrund der besonderen Struktur seines Ordination entstanden seien, geltend gemacht worden seien. Es sei in keiner Weise dargetan worden, worin sich die individuellen Besonderheiten der Ordination des Klägers in den von ihm geltend gemachten Ansprüchen, soweit sie vom Erstgericht dem Grunde nach zugesprochen worden seien, niedergeschlagen hätten. Aus den vorliegenden Berechnungen ergebe sich, dass die Degressionsregel für Ordinationen einer bestimmten Größe eine typische Unterdeckung mit sich gebracht habe. Die scharfe Degressionsregelung habe sich also weder auf kleine noch auf sehr große Labors unterdeckend ausgewirkt, sehr wohl aber auf solche, die weder groß noch klein genug gewesen seien. Eine nicht diskriminierende Abwägung des "Gesamtinteresses" hätte trotz Honorarkürzung zu einer erträglichen Lösung geführt. Auch wenn die Gesamtvertragspartner bestrebt gewesen seien, die Einkommenssituation der "Kleinen" auf Kosten der "Großen" zu verbessern, sei es geboten gewesen, sich um ein solches Degressionsmodell zu bemühen, das eine bestimmte Größenordnung von Ordinationen nicht finanziell diskriminiere. Wenn man anerkenne, die Entgelte für die Leistungen der medizinischen und chemischen Labordiagnostik müssten zugunsten anderer Ärztegruppen verringert werden, so dürfe eine diesbezügliche Kürzung nur unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Auch das Recht des Kassenarztes, seinen Vertrag bei überraschenden Honoraränderungen zu kündigen, rechtfertige nicht die Annahme, die Gesamtvertragsparteien dürften nach Belieben die gewachsene Honorarordnung schlagartig so ändern, dass den Vertragsärzten die Fortsetzung ihrer Einzelverträge abrupt vergällt werde. Die Kassenärzte hätten in ihre Ordinationen im Vertrauen darauf investiert, dass sich das Kassenarztsystem und damit auch das Honorierungssystem mehr oder weniger kontinuierlich und stabil weiterentwickle. Sofern ein gravierender Umbau des Honorierungssystems in Angriff genommen werde, müssten Übergangsregelungen getroffen werden, um Vertrauensschäden der betroffenen Vertragsärzte möglichst zu vermeiden. Andernfalls läge auch hier eine unbillige Ermessenausübung durch die Gesamtvertragsparteien vor. Eine den Grundsatz der Kostendeckung verlassende Honorarkürzung als "Hebel" für eine grundlegende Änderung des bisherigen Kassensystems (hier: des Stellenplans für Laborärzte) einzusetzen, sei ein inadäquates und unverhältnismäßiges Druckmittel zur Durchsetzung eines auf Änderung des Stellenplans gerichteten Gestaltungswillens der Gesamtvertragsparteien. In einer solchen Vorgangsweise könne eine rechtswidrige Umgehung der Vorschriften über den Stellenplan und zugleich eine rechtswidrige Umgehung der kassenarztrechtlichen Bestandschutzregeln gesehen werden. Honorarkürzungen, die dazu führten, dass die betroffenen Ärzte ihre Ordinationen letzten Endes aufgeben müssten, seien offenbar unbillig. Überdies habe die erstbeklagte Partei die Fachgruppe für Labormedizin zu spät über die Gefahr der in Verhandlung befindlichen Honorarkürzungen informiert. Sie habe die einschlägigen Informationen vor Abschluss des Vertrages nicht berücksichtigt und sei ein Vertragsabschluss ohne fachspezifischen betriebswirtschaftlichen Sachverstand erfolgt. Ferner hätte die Honorarordnung nicht rückwirkend abgeschlossen werden dürfen. Auch die Nachverrechnung sei rechtswidrig gewesen. Gerade der Gleichheitsgrundsatz hätte geboten, bei der Nachverrechnung jene Laborärzte zu bevorzugen, die durch die extreme Degressionsregelung weitaus mehr Nachteile zu tragen hätten, als die übrigen Laborärzte.
Hiezu wurde erwogen:
Auszugehen ist davon, dass der erkennende Senat an die im anhängigen
Verfahren im Aufhebungsbeschluss vom 16. 12. 1992, 2 Ob 20/92 (=
ecolex 1993, 337 = RdW 1993, 330 = VersRdSch 1993, 137) geäußerte
Rechtsansicht gebunden ist (Kodek in Rechberger, ZPO², § 511 Rz 1 mwN). Es hat daher auch eine Auseinandersetzung mit der an dieser Entscheidung geäußerten Kritik (Tomandl, Schadenersatz wegen "inkorrekter" ärztlicher Honorarordnung? ecolex 1993, 328) zu unterbleiben. In der zitierten Entscheidung wurde (zusammengefasst) dargelegt, je weniger ein Vertrag durch privatautonome Gestaltung inhaltlich legitimiert werde, desto mehr seien andere rechtliche Instrumente zur Inhaltskontrolle heranzuziehen, wie insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Sachlichkeitsgebot. Erfolge die inhaltliche Gestaltung der wesentlichen Vertragsbestimmung nicht durch die Vertragspartner unmittelbar, sondern durch Dritte, so dürfe eine solche Fremdbestimmung nur nach billigem Ermessen vorgenommen werden. Der Oberste Gerichtshof habe sich bereits mehrfach mit Fragen der vom Vertragspartner oder Dritten vorgenommenen Leistungsbestimmung befasst und ausgeführt, ein solches Gestaltungsrecht schaffe zwischen den Parteien verbindliches Recht, soferne der Gestaltungsberechtigte nicht die im schon durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen überschreite oder das Ergebnis offenbar unbillig sei. Offenbar unbillig wäre ein solches Ergebnis dann, wenn die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröblichster Weise verletzt worden seien. Diese auf die Leistungsbestimmung durch Vertragspartner oder Dritte fußenden Grundsätze seien sinngemäß auch auf die Fälle einer Fremdbestimmung durch die Vertragspartner eines Gesamtvertrages anzuwenden. Die Interessenlage zwischen Kassenarzt, Ärztekammer und Krankenkasse sei vielschichtig. Auszugehen sei jedenfalls davon, dass dem Kläger ein berechtigtes Interesse daran zugebilligt werden müsse, im Sinne des § 342 Abs 1 Z 3 ASVG kostendeckend honoriert zu werden. Demgegenüber hätten die Ärztekammern als Interessenvertretung der Ärzte unter Bedachtnahme auf die Grundsätze von Treu und Glauben gegenüber jedem einzelnen Arzt bei der Mitarbeit an der Honorarordnung das Gesamtinteresse der Ärzte zu wahren (§ 38 Abs 1 ÄrzteG) und müssten schließlich die Träger der Sozialversicherung in die Lage versetzt sein, gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag zur Besorgung öffentlicher Aufgaben notfalls auch vom Instrumentarium einer regressiven Honorierung dann Gebrauch zu machen, wenn dies im Interesse ihrer Hauptaufgabe, der Vollziehung der Sozialversicherungsgesetze im Hinblick auf den einzelnen Versicherten erforderlich sei.
Erfolge der Abschluss des Gesamtvertrages korrekt, d.h. im Einklang mit den Grundsätzen von Treu und Glauben und unter ausgewogener und sachlicher Rücksichtnahme auf die dargestellte Interessenlage, sei ein Schadenersatzanspruch des Klägers ausgeschlossen. Sei aber durch Außerachtlassung dieser Sorgfaltspflichten dem Kläger dergestalt ein Schaden zugefügt worden, dass die Wirkungen des Vertrages und der Honorarordnung eine finanzielle Diskriminierung seiner Arbeitsleistungen zufolge sachlich nicht gerechtfertigter Unausgewogenheit der Degression der Punktebewertung für Laborleistungen zur Folge hätten, wäre sein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht von der Hand zu weisen. Die im rechtsgeschäftlichen Verkehr anerkannten Sorgfaltspflichten bei Abschluss von Verträgen bestünden nicht nur im Verhältnis der Gesamtvertragsparteien zueinander, sondern erstreckten sich auch auf alle jene Personen, die vom Gesamtvertrag zwingend mitumfasst seien.
Nach Ansicht des erkennenden Senates braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend beurteilt zu werden, ob die im strittigen Gesamtvertrag vereinbarte Honorierung völlig sachlich ausgewogen im Sinne des Aufhebungsbeschlusses vom 16. 12. 1992 ist oder nicht. Auch die Verletzung vorvertraglicher Pflichten - die im Sinne des Aufhebungsbeschlusses Rechtsgrundlage eines Schadenersatzanspruches des Klägers sein könnte - führt noch nicht zwingend zur Annahme einer Rechtswidrigkeit des Verhaltens der erstbeklagten Partei. Das Urteil der Rechtswidrigkeit bezieht sich nämlich nach ganz herrschender Auffassung nur auf menschliches Verhalten (Verhaltensunrecht), nicht aber auf den nachteiligen Erfolg. Das Rechtswidrigkeitsurteil ist aus der Verletzung von konkret für die betreffende Situation ausformulierten, ex ante die "erforderliche Sorgfalt" bestimmenden Verhaltensgeboten abgeleitet und ist darauf zu achten, dass dem Schädiger nicht völlig unerfüllbare Sorgfaltsgebote auferlegt werden (RIS-Justiz RS0081771; ZVR 1996/78 unter Berufung auf Karollus, Praktische Probleme der Schutzgesetzhaftung, insbesondere im Verkehrshaftpflichtrecht, ZVR 1994, 129 [131]). Im vorliegenden Fall war die Situation der erstbeklagten Partei bei Abschluss des Gesamtvertrages außerordentlich kompliziert. Sie hatte einerseits die berechtigten Interessen der Laborärzte und des Klägers zu berücksichtigen, das Gesamtinteresse aller Ärzte zu wahren und schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Träger der Sozialversicherung in die Lage versetzt sind, ihrem gesetzlichen Auftrag zur Besorgung öffentlicher Aufgaben nachzukommen. Auf der anderen Seite drohte bei Nichtabschluss eines Gesamtvertrages ein vertragsloser Zustand, der den berechtigten Interessen aller Beteiligten widersprochen hätte. Es war auch damals die Rechtsfrage, inwieweit die Interessen einzelner Ärzte oder Ärztegruppen zu berücksichtigen sind, keinesfalls klar, sie ist es auch heute nicht; diese Frage ist Gegenstand einer kontroversiell geführten Diskussion in der juristischen Fachliteratur (s einerseits Krejci, Über unerlaubte Honorarordnungen für Kassenärzte, FS-Schwarz, 401 = VersRdSch 1991, 145; ders, Kassenärzte: Honorarordnungen rechts- und sittenwidrig; andererseits Tomandl, Schadenersatz wegen "inkorrekter" ärztlicher Honorarordnung? ecolex 1993, 328). Weiters wurden vor Abschluss des gegenständlichen Vertrages die Staffelungen der einzelnen Punktebewertungen mit Einverständnis der Fachgruppen Labormedizin verhandelt (s S 22 Abs 4 der Ausfertigung des Berufungsurteiles), und war den Laborärzten auch klar, dass bei ihnen eingespart werden müsse (s S 25 der Ausfertigung des Berufungsurteiles). Schließlich betrieb der Kläger eine Ordination, die, wie sich aus den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichtes ergibt, Besonderheiten aufwies, die es von anderen Labors unterschied. Berücksichtigt man all diese Umstände, dann hieße es der beklagten Partei unerfüllbare Sorgfaltsgebote aufzuerlegen, verlangte man von ihr, noch weiter zu prüfen, ob und inwieweit eine Honorarordnung vereinbart werden könnte, die dem ohnehin nur schwer zu erzielenden Interessenausgleich besser gerecht wird.
Daraus folgt, dass das Verhalten der erstbeklagten Partei nicht rechtswidrig war, weshalb auch dem Kläger daraus kein Schadenersatzanspruch zusteht.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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