OGH 7Ob245/01g

OGH7Ob245/01g17.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Hans Georg Z***** und 2. Günther Z*****, beide vertreten durch Z***** & Z*****, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Herbert F*****, zuletzt: R*****straße 41/6‑7*****, vertreten durch Dr. Peter Prikosozovits, Rechtsanwalt in Wien als Verlassenschaftskurator, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Maria Antonia C***** und 2. Maria Agnes A*****, beide: R*****straße 41/6‑7, ***** beide vertreten durch Dr. Corvin Hummer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil der Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Juli 2001, GZ 41 R 166/01t‑29, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. Februar 2001, GZ 30 C 1521/99x‑23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:0070OB00245.01G.0417.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

 

Begründung:

 

Das Bestandobjekt in *****, R*****straße 41/6‑7, wurde nach dem zwischen dem Rechtsvorgänger der Kläger und dem mittlerweile verstorbenen Mieter Herbert F***** abgeschlossenen Mietvetrag als "Wohnung und Büro" vermietet.

Nach dem ergänzten Klagevorbringen ist die Absicht der Parteien zum Zeitpunkt des Vetragsabschlusses (Wohnungs- oder Geschäftsraummiete) nicht mehr feststellbar, und es wurde auch eine nachträgliche Zweckwidmung nicht vereinbart (ON 21).

Im zweiten Rechtsgang hob das Erstgericht seine auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG (Tod des Wohnungsmieters) gestützte Aufkündigung (ON 2) auf und wies das Begehren auf geräumte Übergabe der im Haus R*****straße 41 gelegenen Wohnung Nr 6 bis 7 als unschlüssig ab. Unter Berücksichtigung der in § 33 Abs 1 MRG normierten Eventualmaxime sei die Aufkündigung ausschließlich auf den allein für Wohnungsmieten anwendbaren Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 5 MRG gestützt worden. Bei den Bestandräumen überwiege nach dem (im zweiten Rechtsgang) - bloß im Rahmen dieses Kündigungsgrundes ergänzten - Vorbringen der Kläger der Geschäftszweck bedeutend. Unter dieser Voraussetzung sei das Klagebegehren unschlüssig und überdies die von den Klägern gewählte einmonatige Kündigungsfrist verfehlt.

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dem Erstgericht sei in seiner - mit der schon im ersten Rechtsgang überbundenen Ansicht im Einklang stehenden - Beurteilung beizupflichten, dass der geltendgemachte Kündigungstatbestand bei Bestandräumen, die nach der Absicht der Vertragspartner zu Wohn- und Geschäftszwecken verwendet werden dürften, nur in Fällen des Überwiegens des Wohnzweckes vorliegen könne. Die Kläger hätten sich im zweiten Rechtsgang jedoch ausdrücklich auf ein bedeutendes Überwiegen des Geschäftszwecks bei der Vermietung des gegenständlichen Bestandobjekts berufen und dieses Vorbringen selbst nach rechtlicher Erörterung der Berufungsentscheidung im ersten Rechtsgang, aus der sich das Nichtvorliegen des Kündigungstatbestandes nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG in diesem Fall klar ergebe, aufrecht erhalten. Das Unschlüssigkeitsurteil sei daher - schon auf Basis dieses Vorbringens - nach einem mängelfreien Verfahren zu Recht ergangen.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an die Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei und die Nebenintervenientinnen beantragen der Revision nicht Folge zu geben bzw sie zurückzuweisen; hilfsweise stellt die beklagte Partei einen Aufhebungsantrag.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Zunächst ist das ergänzte Vorbringen der Kläger festzuhalten, aus dem die Vorinstanzen die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens abgeleitet haben:

Danach hat der verstorbene Mieter einen Großteil der gegenständlichen Wohnung angeblich jahrelang, insbesondere gegen Ende des Mietverhältnisses an Unterbestandnehmer vermietet. Die dabei erzielten beträchtlichen Einkünfte hätten den Hauptmietzins bei weitem überstiegen. Der verstorbene Bestandnehmer habe das Bestandobjekt daher offensichtlich geschäftlich genützt, wobei der Wohnzweck bereits so weit zurückgetreten sei, dass von einem bei weitem überwiegenden Geschäftszweck ausgegangen werden müsse (AS 95 = S 3 in ON 21).

 

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, dass es sich bei der zuletzt wiedergegebenen Beurteilung (überwiegende Verwendung der Wohnung zu Geschäftszwecken) um eine rechtliche Qualifikation handelt, wird hier Folgendes übersehen:

Es trifft zwar zu, dass die Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mietgegenstand, der sowohl für Wohn‑ als auch für Geschäftszwecke verwendet wird, als Wohnung oder als Geschäftslokal zu qualifizieren sei, nicht einhellig ist, wie dies in der bereits von der ao Revision referierten Entscheidung MietSlg 46.374 sowie in MietSlg 51.394 dargestellt wird. Allerdings ist es ‑ worauf bereits Würth in seiner Glosse zu 6 Ob 684/90 (WoBl 1992/13) verweist ‑ weit überwiegende Rechtsprechung, dass bei Berufen, die üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden (wie jene des Arztes, Rechtsanwalts oder Realitätenvermittlers), die zur Berufsausübung erforderlichen Räume als Wohnraum und nicht als Geschäftsraum anzusehen sind, weil in solchen Fällen das Wohnbedürfnis und der Berufszweck einander im Zweifel die Waage halten (MietSlg 16.423; MietSlg 20.441; MietSlg 25.320; SZ 47/4; MietSlg 30.404; MietSlg 35.369; MietSlg 47.416; WoBl 1992/13; MietSlg 50.323; WoBl 1999/79 ua). Ist ‑ wie offenbar hier ‑ das gemischt genutzte Objekt die einzige Wohnung, so stellt sich (wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst bekräftigt hat) die Frage, ob der Wohn‑ oder der Geschäftszweck überwiegt, daher von vornherein nicht, weil selbst bei weitestgehender räumlicher Beschränkung (die im Schriftsatz ON 21 ergänzend behauptet wird) die Wohnverwendung im Vordergrund steht (E v 24. 4. 2001, 1 Ob 177/00m mwN = ÖJZ LSK 2001/214 = immolex 2001/143 = RIS‑Justiz RS0115015).

Auch nach dem ergänzten (Tatsachen‑)Vorbringen der Kläger kann somit nicht von einem Überwiegen der Verwendung der gegenständlichen Wohnung für Geschäftszwecke ausgegangen werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist daher "eine Änderung in der zu beurteilenden tatsächlichen Grundlage" gar nicht eingetreten, sodass nach dem Tod des bisherigen Mieters weiterhin der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG zur Anwendung kommt (1 Ob 177/00m). Die von den Vorinstanzen erblickte Unschlüssigkeit und die darauf beruhende Spruchreife liegen demnach nicht vor.

Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Erstgericht zurückzuverweisen, welches zu prüfen haben wird, ob der geltendgemachte Kündigungsgrund vorliegt oder nicht.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte