OGH 10ObS84/02d

OGH10ObS84/02d26.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Veronika J*****, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. November 2001, GZ 8 Rs 263/01g-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. März 2001, GZ 7 Cgs 211/99d-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 29. 10. 1948 geborene Klägerin ist seit Geburt taubstumm. Sie hat den Beruf einer Schneiderin (Damen- und Herrenkleidermacherin) erlernt und war bis 1973 in diesem Beruf tätig. Von 1982 bis 1994 arbeitete sie in der Zentralwäscherei des Ordens der Barmherzigen Brüder. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag hat die Klägerin 122 Beitragsmonate als Wäschereiarbeiterin erworben. Die Klägerin war bei den Barmherzigen Brüdern für die Wäsche der Patienten zuständig, hat diese eingesammelt, gewaschen, gebügelt, repariert und wieder ausgeliefert. Fallweise hat sie Krägen ausgebessert, geflickt und Knöpfe angenäht. Nähen und Bügeln war überwiegend zu verrichten. Näharbeiten fielen fallweise an. Von den reinen Näharbeiten wollte die Klägerin dann aber weg, als ihre Augenprobleme zunahmen. Mit ihren Vorgesetzten verständigte sich die Klägerin durch Gesten; sie konnte auch Lippenlesen. Die Klägerin wäre in der Lage, mit dem ihr verbliebenen Leistungskalkül als Sortiererin oder Verpackerin zu arbeiten. In diesen Verweisungsberufen gibt es am allgemeinen Arbeitsmarkt in Österreich mehr als 100 Arbeitsplätze. Als Änderungsschneiderin wäre die Klägerin nur dann einsetzbar, wenn sie nicht mit Kunden zu tun hat, also nur die Änderungsarbeit durchführt und die Vorarbeiten (Abstecken etc) vom Verkaufspersonal durchgeführt werden, was in vielen Betrieben üblich ist. Arbeitsplätze für Änderungsschneiderinnen (dieser Art) gibt es auf dem österreichischen Arbeitsmarkt ebenfalls mehr als 100.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 7. 10. 1999 wurde der Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der mit 31. Oktober 1999 befristeten Invaliditätspension mit der Begründung abgelehnt, dass Invalidität über den 31. 10. 1999 hinaus nicht weiter bestehe, weil die Klägerin, der kein Berufsschutz zukomme, imstande sei, eine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewertete Tätigkeit auszuüben.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31. 10. 1999 hinaus ab. Die Klägerin wäre imstande, sowohl als Hilfsarbeiterin in einer Wäscherei als auch - unter Annahme eines ihr aber nicht zustehenden Berufsschutzes - als Änderungsschneiderin zu arbeiten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung und sah die Rechtsrüge nicht als berechtigt an.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Den von der Klägerin neuerlich gerügten Mangel des Verfahrens erster Instanz (Erforschung der berufsschutzerhaltenden qualifizierten Tätigkeit durch Einvernahme eines Zeugen) hat bereits das Berufungsgericht verneint, sodass dieser in der Revision wiederholte Verfahrensmangel erster Instanz nach ständiger Rechtsprechung - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg gerügt werden kann (Kodek in Rechberger2 Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; SSV-NF 11/15; 7/74; 5/116 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Davon abgesehen resultiert die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen aufgrund der aufgenommenen Beweise aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (RIS-Justiz RS0043061 [T11]). Die Ausführungen der Mängelrüge stellen daher den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (10 ObS 409/98i; 10 ObS 3/99k). Ausgehend von diesen Feststellungen wäre die Klägerin imstande, sowohl als Hilfsarbeiterin in einer Wäscherei als auch - unter Annahme des behaupteten Berufsschutzes - als Änderungsschneiderin (ohne Kundenkontakt) zu arbeiten. Die dem entgegen stehenden Revisionsausführungen entfernen sich von den vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin setzt die Weitergewährung einer ursprünglich befristet zuerkannten Invaliditätspension keine Änderung der Verhältnisse voraus, sondern es ist aufgrund eines Weitergewährungsantrags neu zu prüfen, ob nach Ablauf der Frist Invalidität weiter besteht (SSV-NF 8/46, 10/46).

Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer Invaliditätspension verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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