OGH 10ObS3/99k

OGH10ObS3/99k30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Meisterhofer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Löwe (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Athanasios H*****, vertreten durch Dr. Martin Hembach, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1998, GZ 9 Rs 198/98y-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Dezember 1997, GZ 3 Cgs 64/97g-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodaß auf deren Richtigkeit hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Vom Berufungsgericht bereits verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können in der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 503; SSV-NF 7/74 ua). Im übrigen führte das Berufungsgericht richtig aus, daß es bei der Beurteilung des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht entscheidend auf die Feststellung der einzelnen Leidenszustände ankommt, sondern vielmehr auf das zusammenfassende medizinische Leistungskalkül (SSV-NF 3/135 ua). Dieses ist den Tatsachenfeststellungen zuzurechnen, die mit Revision nicht erfolgreich bekämpft werden können (Kodek aaO Rz 1 zu § 503).

In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß das Verweisungsfeld für Versicherte, die - wie der Kläger - nicht überwiegend in einem erlernten (angelernten) Beruf tätig waren, mit dem Arbeitsmarkt ident ist (§ 255 Abs 3 ASVG; SSV-NF 2/34, 6/12 ua). Es kommen daher als Verweisungsberufe alle Tätigkeiten in Betracht, für die es einen Arbeitsmarkt gibt. Richtig weist der Revisionswerber auf die in § 255 Abs 3 ASVG enthaltene Zumutbarkeitsformel hin ("durch eine Tätigkeit ..... die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann ....."). Er bemängelt, daß keine Überlegungen angestellt worden seien, ob nicht mit einer derartigen Verweisung ein unzumutbarer sozialer Abstieg verbunden wäre. Diese Frage stellt sich bei § 255 Abs 3 ASVG nicht. Dessen Zumutbarkeitsformel steht einer Verweisung auf Tätigkeiten, die den bisher ausgeübten unähnlich sind, nicht entgegen, sondern soll nur in den Ausnahmefällen eine Verweisung verhindern, die bei Berücksichtigung der schon ausgeübten Tätigkeiten als unbillig bezeichnet werden müßte (SSV-NF 2/34, 6/12 ua). Der Kläger war nach den Feststellungen stets als Hilfsarbeiter tätig. Aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls könnte er noch als Hilfskraft in der Metall- und Elektronikbranche für leichte Werkstückmontagearbeiten oder bei der optischen Fehlerkontrolle arbeiten. Er zeigt in der Revision keinen Grund auf, weshalb ihm gerade die genannten Tätigkeiten unter billiger Berücksichtigung der früher von ihm ausgeübten Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könnten. Der zu diesem Thema vom Revisionswerber zitierte Grillberger (Österreichisches Sozialrecht4 84) vertritt den Standpunkt, daß durch die Zumutbarkeitsformel vor allem verhindert werden soll, daß sich der Versicherte höher qualifizierte Berufe oder gar selbständige Erwerbstätigkeiten entgegenhalten lassen muß, die er bei seinem Gesundheitszustand noch ausüben könnte, obwohl hiefür eine grundlegende Umschulung nötig wäre, die er oft gar nicht absolvieren könnte. Ein derartiges Problem stellt sich hier jedoch nicht.

Soweit der Revisionswerber ausführt, daß er bei der aufgrund seiner Leiden gebotenen Verwendung eines Mundsprays auf das Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen wäre, läßt er die gegenteilige Feststellung des Erstgerichtes außer Acht, daß die bedarfsweise Verwendung eines Mundsprays bei Aufkommen eines Trockenheitsgefühls im Mund und Rachen die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt. Er ist daher auf das besondere Entgegenkommen des Arbeitgebers nicht angewiesen. Inwieweit das "optische Erscheinungsbild" der Leidenszustände des Klägers oder die fallweise Verwendung eines Mundsprays die Arbeitskollegen des Klägers derartig beeinträchtigen könnte, daß der Kläger vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre, läßt die Revision offen; der Einwand ist daher unbegründet und findet keine Grundlage in den gegenständlichen Feststellungen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß behinderungsbedingte zusätzliche Kurzpausen in einer täglichen Gesamtdauer bis etwa 20 Minuten (hier: zur Einnahme kleiner Zwischenmahlzeiten) im allgemeinen in der Wirtschaft toleriert werden, sodaß diese Gruppe von Arbeitnehmern nicht auf ein besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen und deshalb nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung dieses Senates (SSV-NF 2/145, 3/107, 4/10, 6/66 ua). Soweit der Revisionswerber davon ausgeht, daß er alle zwei Stunden eine Pause von 10 bis 15 Minuten benötige, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt. Danach benötigt er im Laufe eines Arbeitstages nur zwei bis drei Pausen a 5 bis 10 Minuten.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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