OGH 2Ob69/02i

OGH2Ob69/02i21.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag. Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Herbert K***** und 2.***** Versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 17.495,17 sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 19. Juli 2001, GZ 3 R 209/00f-77, womit infolge Berufung aller Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28. September 2000, GZ 12 Cg 128/96s-71, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Umfang seiner Anfechtung - sohin hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens und der Kostenentscheidung - aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 12. 9. 1992 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem den Erstbeklagten das Alleinverschulden trifft.

Die klagende Partei begehrte ua die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für alle zukünftig eintretenden Schäden, die ihr durch Mehraufwendungen an Kaskoversicherungsprämien, welche die Differenz zwischen ursprünglich aus dem Versicherungsvertrag KKS 32.92.0711893-99225-Huber von der klagenden Partei zu bezahlenden vierteljährlichen Prämien und dem Prämienaufwand aus dem nunmehrigen Versicherungsvertrag Kr.3101478 bei der B***** Versicherungskammer - bei gleichem Versicherungsschutz - darstellen und durch die Kündigung des Versicherungsverhältnisses KKS 32.92.0711893-99225-Huber durch die G***** Versicherungsbank *****, entstehen, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei beschränkt ist mit der Haftungshöchstsumme laut Versicherungsvertrag. Ihre damalige Kaskoversicherung habe aufgrund des Unfalls, den der Erstbeklagte verschuldet habe, den Versicherungsvertrag gekündigt. Sie sei daher gezwungen gewesen, einen neuen, bei gleichem Versicherungsschutz jedoch kostenintensiveren Kaskoversicherungsvertrag abzuschließen. Durch die höheren Prämien sowie die unfallsbedingte Einstufung in eine teurere Versicherungsklasse seien bereits Mehraufwendungen in einer Höhe von DM 4.320 entstanden. Es seien auch künftig Mehraufwendungen zu erwarten, welche aufgrund der Ungewissheit des Eintrittes nicht bezifferbar seien. Um einer Verjährungseinrede entgegenzuwirken, bestehe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der beklagten Parteien.

Das Erstgericht gab ua diesem Feststellungsbegehren statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Wegen der Fahrerflucht des Unfallgegners musste die klagende Partei ihre seit zumindest 17 Jahren bei der G*****bestehende Kaskoversicherung in Anspruch nehmen. Nach Deckung des hohen Sachschadens kündigte diese der klagenden Partei diesen Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 7. 10. 1992 auf. Nach Absagen anderer Versicherer schloss die klagende Partei einen neuen Kaskoversicherungsvertrag mit der B***** ab. Wegen des gegenständlichen Unfalls wurde die klagende Partei von der Schadensfreiheitsklasse 15 in die Klasse 9 rückgestuft. Diese Rückstufung erfolgte unabhängig von der im Jahr 1995 geleisteten Zahlung des Schadens durch die zweitbeklagte Partei. Die klagende Partei wird - Unfallfreiheit vorausgesetzt - erst im Jahr 2002 wieder in der früheren Versicherungsstufe sein. Darüber hinaus sieht die B***** nur einen Prämien-Mindestsatz von 30 % der (vollen) Versicherungsprämie vor, wogegen die G***** einen solchen von 20 % gewährt hätte. Diesen Mindestsatz hätte die klagende Partei ohne den Unfall erreicht. In der Zeit vom 16. 2. 1993 bis zur Einbringung der Klage am 15. 5. 1996 wären der klagenden Partei im ursprünglichen Versicherungsverhältnis Prämien in der Höhe von DM 4.927,08 erwachsen. Im neuen Versicherungsverhältnis erwuchsen ihr in diesem Zeitraum solche von DM 7.585,38.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht offenbar vom möglichen Weiterbestand des ursprünglichen Versicherungsverhältnisses ohne den Unfall ausgehend aus, dass es für die klagende Partei zum Klagszeitpunkt nicht möglich gewesen sei, zu beurteilen, wie sich die Prämienpolitik in Zukunft entwickeln werde. Aufgrund der im Raum stehenden Verjährung bestehe daher ein rechtliches Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung.

Das von beiden Streitteilen angerufene Berufungsgericht änderte die Entscheidung ua dahin ab, dass dieses Feststellungsbegehren abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Zum angeführten Feststellungsbegehren führte das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, durch den Neuabschluss der Kaskoversicherung verursachte (allfällige weitere, noch nicht geltend gemachte) Schadenersatzansprüche hätten von der klagenden Partei im Verfahren konkretisiert werden können. Wäre der klagenden Partei wegen unterschiedlicher Prämiengestaltung während des Verfahrens ein weiterer Schaden entstanden, wäre insoweit ihr Feststellungsinteresse weggefallen, weil sie bereits Leistung durch entsprechende Ausdehnung des Zahlungsbegehrens fordern hätte müssen. Im Hinblick auf die aus den Urkunden ersichtliche Laufzeit der im Unfallszeitpunkt bestehenden Kaskoversicherung bis zum Jahr 2001 und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz Prämienveränderungen, die einen Ersatzanspruch hätten begründen können, nicht geltend gemacht worden seien, wäre die klagende Partei verhalten gewesen darzutun, dass ihr Feststellungsinteresse zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz gegeben gewesen sei; oder aber sie hätte das Feststellungsbegehren fallen lassen müssen, wobei dann zu prüfen gewesen wäre, ob es bis dahin bestanden habe.

Über Antrag der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

Es führte dazu aus, irrtümlich davon ausgegangen zu sein, dass der ursprüngliche Kaskoversicherungsvertrag mit Ende des Jahres 2001 ablaufe; es sei das Feststellungsinteresse der klagenden Partei verneint worden, weil ein, über den bereits geltend gemachten Schaden, hinausgehender Schaden wegen unterschiedlicher Prämiengestaltung nicht begehrt worden sei. Da aber die in der rechtlichen Beurteilung angenommene befristete Laufzeit dieser Versicherung aus den Urkunden tatsächlich nicht hervorgehe, liege eine Fehlbeurteilung des Feststellungsinteresses vor, weshalb aus den Gründen der Einzelfallgerechtigkeit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision gegeben seien. Gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Feststellungsbegehren Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, das Berufungsgericht leite zu Unrecht aus den vorgelegten Urkunden eine Laufzeit der gegenständlichen Versicherung bis zum Jahr 2001 ab. Vielmehr seien beide Kaskoversicherungsverträge unbefristet abgeschlossen worden. Überdies sei die Entwicklung der Versicherungsprämien aufgrund der Vielzahl von ungewissen Einflussfaktoren nicht vorhersehbar.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Das Berufungsgericht ist unter Zugrundelegung einer von ihm im Ergebnis ergänzend getroffenen Feststellung (Laufzeit der gekündigten Kaskoversicherung bis zum Jahr 2001) von einer Unschlüssigkeit des Feststellungsbegehrens ausgegangen. Dabei sind ihm allerdings zwei Verfahrensfehler unterlaufen. Lässt nämlich eine Klagserzählung in den Einzelheiten die Deutlichkeit vermissen, so ist dies für sich allein kein Grund, das Klagebegehren abzuweisen. Das Gericht hat vielmehr gemäß § 182 ZPO die Parteien zu einer Ergänzung ihres Vorbringens anzuhalten. Erst wenn nach Erfüllung dieser Prozessleitungspflicht der Vortrag rechtserzeugender Tatsachen nicht ausreicht, um den geltend gemachten Anspruch zu begründen, kann das Begehren wegen Unschlüssigkeit abgewiesen werden (RIS-Justiz RS0037076; SZ 64/15; Fucik in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu § 182). Dieser Anleitungspflicht ist das Rechtsmittelgericht nicht nachgekommen. Überdies hat das Berufungsgericht durch die Feststellung, der ursprüngliche Kaskoversicherungsvertrag habe eine Laufzeit bis zum Jahre 2001 gehabt, gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen. Will das Rechtsmittelgericht von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes abgehen, so muss es alle zur Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen erforderlichen Beweise, die das Erstgericht unmittelbar aufgenommen hat, selbst wiederholen oder das Protokoll über die Beweisaufnahme in erster Instanz unter den Voraussetzungen des § 281a ZPO verlesen. Auch ergänzende Feststellungen sind nur nach Beweiswiederholung zulässig (RIS-Justiz RS0043026; zuletzt 2 Ob 285/01b).

Es war daher die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Umfange der Anfechtung aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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