OGH 10ObS235/01h

OGH10ObS235/01h19.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert und Mag. Johannes Zahrl (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Joachim S*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84 - 86, 1051 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. März 2001, GZ 8 Rs 7/01p-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Oktober 2000, GZ 31 Cgs 139/00y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag , § 116a Abs 7 GSVG idF der 20. GSVG-Novelle (BGBl 1994/21) als

verfassungswidrig aufzuheben.

Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.

Text

Begründung

Der am 2. 8. 1941 geborene Kläger hat am 24. 8. 1962 mit der ebenfalls am 2. 8. 1941 geborenen Heidrun A***** (nunmehr verehelichte J*****) die Ehe geschlossen. Dieser Ehe entstammt der am 5. 3. 1963 geborene Sohn Michael S*****. Mit Urteil des Landesgerichts ***** vom 11. 12. 1964 wurde die Ehe geschieden. Der eheliche Sohn Michael S***** verblieb mit Ausnahme des Zeitraums Juni 1965 bis Dezember 1965 beim Kläger in Pflege und wurde ausschließlich von ihm erzogen. Ein gemeinsamer Haushalt des Klägers mit der Ehegattin hatte bis September 1964 bestanden; bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Kind von den Eltern gemeinsam erzogen.

Mit Bescheid vom 18. 2. 1997 hat die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten der ehemaligen Gattin des Klägers, Heidrun J*****, ab 1. 1. 1997 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zuerkannt. Bei der Ermittlung der Höhe der Pensionsleistung wurden für die Pflege und Erziehung des Michael S***** Ersatzzeiten für Kindererziehung von April 1963 bis März 1966 berücksichtigt. In den Monaten April und Mai 1966 wurden Ersatzzeiten für Wochengeldbezug angerechnet. Am 3. 5. 1966 gebar die ehemalige Gattin des Klägers ein weiteres Kind, für das Ersatzzeiten der Kindererziehung bis einschließlich Mai 1970 berücksichtigt wurden.

Der Kläger hatte vom Pensionsantrag und -bezug seiner geschiedenen Gattin keine Kenntnis. Er hatte auch keine Möglichkeit, zu dem Antrag Stellung zu nehmen.

Mit Bescheid vom 3. 5. 2000 stellte die beklagte Partei gemäß § 117a

GSVG die Versicherungszeiten des Klägers fest:

08/55 - 08/55 Pflichtversicherung als Arbeiter 1

08/56 - 08/56 Pflichtversicherung als Arbeiter 1

08/57 - 08/57 Pflichtversicherung als Arbeiter 1

08/60 - 03/61 Pflichtversicherung als Angestellter 8

04/61 - 12/61 Ersatzzeit für Präsenzdienst 9

01/62 - 03/69 Pflichtversicherung als Angestellter 87 07/69 - 05/75 Pflichtversicherung als Selbständiger/GSVG 71 06/75 - 12/79 Pflichtversicherung als Angestellter 55 01/80 - 04/84 Pflichtversicherung als Angestellter 52 = Pflichtversicherung als Selbständiger

05/84 - 06/84 Ersatzzeit für Krankengeldbezug etc 2 07/84 - 09/84 Ersatzzeit für Arbeitslosengeldbezug 3 10/84 - 08/98 Pflichtversicherung als Selbständiger/GSVG 167 Versicherungsmonate 457

Zeiten der Kindererziehung wurden in dem Bescheid vom 3. 5. 2000 nicht berücksichtigt.

Mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Zeiten von Oktober 1964 bis Mai 1965 und von Jänner 1966 bis Mai 1967 (insgesamt 25 Monate) als Ersatzzeiten für Kindererziehung. Die beklagte Partei wendete ein, dass die Zeiten der Kindererziehung des Michael S***** bereits zur Gänze bei der Mutter Heidrun J***** angerechnet worden seien.

Das Erstgericht stellte - ohne allerdings den Inhalt des angefochtenen Bescheides zu wiederholen - (auch) die Zeiten von April 1966 bis März 1967 (12 Monate) als Ersatzzeiten des Klägers für Kindererziehung fest und wies das Mehrbegehren auf Feststellung auch der Zeiträume Oktober 1964 bis Mai 1965, Jänner 1966 bis März 1966 und April 1967 bis Mai 1967 (13 Monate) als Ersatzzeiten für Kindererziehung ab. Rechtlich führte dasErstgericht aus, dass die Zeiten für die Erziehung des am 5. 3. 1963 geborenen Michael S***** bis März 1966 dadurch konsumiert seien, dass diese Zeiten in dem den Pensionsantrag der geschiedenen Gattin des Klägers erledigenden Bescheid vom 18. 2. 1997 berücksichtigt worden seien. Für den Zeitraum von April 1966 bis zum Ablauf der Frist von 48 Kalendermonaten nach Geburt des Kindes, also bis März 1967, beanspruche der Kläger die Anrechnung der Zeiten als Kindererziehungszeiten zu Recht, da diese Zeiten bei der bescheidmäßigen Erledigung des Pensionsantrags der ehemaligen Gattin des Klägers nicht berücksichtigt worden seien und er seinen Sohn im Inland überwiegend gepflegt und erzogen habe.

Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil des Ersturteils gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Es sah die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz (wegen Unterlassung der Parteienvernehmung der beklagten Partei) nicht als gegeben an und ging in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass § 116a Abs 6 GSVG für den Fall, dass beide Elternteile in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen seien, eine gesetzliche Vermutung normiere, dass die weibliche Versicherte das Kind tatsächlich und überwiegend erzogen habe. Diese widerlegbare gesetzliche Vermutung gründe sich darauf, dass in der Praxis in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle die weibliche Versicherte die Erziehung des Kindes übernommen habe. Dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot sei durch die im letzten Satz des § 116a Abs 6 GSVG normierte Möglichkeit des männlichen Versicherten, diese Vermutung zu widerlegen, Genüge getan. Mit der unmissverständlichen Bestimmung des § 116a Abs 7 GSVG habe der Gesetzgeber als spätestmöglichen Zeitpunkt für die Widerlegung der Zuordnungsvermutung der Absätze 5 und 6 die bescheidmäßige Erledigung des Pensionsantrags eines der beiden Elternteile normiert. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die beklagte Partei sei der Pensionsantrag der geschiedenen Gattin des Beklagten bereits erledigt gewesen, weshalb eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht mehr zulässig gewesen sei. Somit habe für eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anrechnung der Kindererziehungszeiten als Ersatzzeiten für die geschiedene Gattin des Klägers keine gesetzliche Grundlage bestanden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Den vom Kläger bereits in der Berufung geltend gemachten Mangel des Verfahrens erster Instanz (Unterlassung der Parteienvernehmung der beklagten Partei) hat das Berufungsgericht verneint, sodass er nach ständiger Rechtsprechung - auch im Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden kann (Kodek in Rechberger2 § 503 ZPO Rz 3; SSV-NF 11/15; 7/74 ua; RIS-Justiz RS0042963/T45 und RS0043061).

In seiner - unter dem Titel der Mangelhaftigkeit des Verfahrens auch auf sekundäre Feststellungsmängel gestützten - Rechtsrüge vertritt der Kläger den Standpunkt, in seinem Recht auf ein faires Verfahren über seine zivilrechtlichen Ansprüche (Art 6 EMRK) und in seinem Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz ohne Unterschied des Geschlechts (Art 2 StGG) verletzt zu werden, wenn - entsprechend der Rechtsansicht des Berufungsgerichts - eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht mehr möglich sei, obwohl er von dem Pensionsantrag seiner geschiedenen Gattin gar keine Kenntnis gehabt habe. Um dem Kläger die Möglichkeit der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung zu erhalten, wäre es erforderlich gewesen, auf dem Pensionsantrag (der geschiedenen Gattin) zwingend die Unterschrift des Klägers einzuholen. Wenn dies die beklagte Partei (?) wissentlich unterlassen habe, seien der Pensionsantrag (der geschiedenen Gattin) nichtig und es könnte der hierauf ergangene Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (?) infolge Nichtigkeit keine Rechtswirkungen für die betroffenen Personen entfalten. Somit sei zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die beklagte Partei der Pensionsantrag der Gattin des Klägers in Wirklichkeit noch gar nicht erledigt gewesen, sodass die gesetzliche Vermutung für den Kläger noch widerlegbar sei. Im übrigen könne das der beklagten Partei in diesem Zusammenhang anzulastende Verschulden keinesfalls dem Kläger zugerechnet werden.

Die hier maßgebliche Regelungen des § 116a Abs 6 und 7 GSVG wurden mit der 20. Novelle (BGBl 1994/21) in das GSVG eingefügt. In der Regierungsvorlage (1379 BlgNR 18. GP, 20) wird dazu ausgeführt: „Der vorliegende Novellierungsvorschlag enthält eine teilweise Neuregelung und darüber hinaus Klarstellungen hinsichtlich der mit der 19. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz eingeführten Ersatzzeiten für Zeiten der Kindererziehung, die durch die bisherige praktische Handhabung dieser Bestimmung notwendig geworden sind. ... In der Sache selbst soll nunmehr in den Vordergrund gestellt werden, so wie es auch schon bisher beabsichtigt war, daß darauf abzustellen ist, wer das Kind tatsächlich und überwiegend erzogen hat. Dies wird nach der geltenden Rechtslage eindeutig nur im § 228 Abs 1 Z 10 ASVG zum Ausdruck gebracht (... Die Versicherte kann zugunsten des Mannes, der dieses Kind erzogen hat, auf die Ersatzzeit verzichten ....). Zur praktischen Durchführung enthält die Regelung widerlegbare Zuordnungsvermutungen, die sich darauf gründen, daß in der Praxis die weibliche Versicherte in der überwiegenden Zahl der Fälle die Erziehung des Kindes übernommen hat. Die Möglichkeit der Widerlegung dieser Vermutung scheint im Hinblick auf das sich welchselnde Rollenverhalten der Geschlechter und auf das verfassungsrechtlich gebotene Gleichheitsgebot notwendig. ...." Nicht dargestellt werden Gründe für die Regelung des § 116a Abs 7 GSVG, wonach im Falle der Abs 5 und 6 die Widerlegung der Vermutung nur bis spätestens zu dem Zeitpunkt zulässig ist, zu dem der Pensionsantrag eines der beiden Elternteile bescheidmäßig erledigt ist. Augenscheinlich dient die Regel aber dazu, die „doppelte" Zurechnung von Ersatzzeiten für Kindererziehung (zu beiden Elternteilen) zu verhindern. Nicht geregelt ist in § 116a GSVG die Frage, ob der später in Pension gehende Elternteil am Pensionsfeststellungsverfahren des früher in Pension gehenden Elternteils zu beteiligen ist, um die Zuordnung von Kindererziehungszeiten bereits vor bescheidmäßiger Erledigung des „ersten" Pensionsantrag unter Beiziehung beider betroffener Personen klären zu können. Aus dem Wortlaut der Bestimmung muss geschlossen werden, dass eine solche Beiziehung nicht vorgesehen ist. Somit stellt sich aber im Hinblick darauf, dass die aus Gründen der Geschlechtergleichbehandlung eingeführte Widerleglichkeit der Vermutung nur für einen begrenzten (und insbesondere für den zweiten Elternteil nicht eindeutig kalkulierbaren) Zeitraum eingeräumt ist, die Frage, ob damit nicht das rechtliche Gehör desjenigen Elternteils verletzt wird, dessen Pensionsantrag aus Altersgründen, möglicherweise aber auch aus Gründen einer unterschiedlichen Verfahrensdauer vor dem Versicherungsträger (etwa wegen ausländischer Versicherungszeiten oder eines Wanderversicherungsverfahrens), nicht als erster erledigt wird.

Erstreckt sich die Wirkung einer gerichtlichen Entscheidung auf die Rechtssphäre von Personen, die an ihr nicht in einer gesicherten Verfahrensposition zur Wahrung des rechtlichen Gehörs mitwirken konnten, kann Art 6 EMRK verletzt sein. Dies kann vor allem im Zusammenhang mit der Bindungswirkung von Urteilen oder der Rechtskrafterstreckung auf Dritte problematisch sein (Berka, Die Grundrechte (1999), Rz 842). In diesem Sinn hat der VfGH in seinem Erkenntnis vom 12. 10. 1990, G 73/89, die seinerzeit durch § 268 ZPO angeordnete Bindung des Richters im Zivilprozess an ein rechtskräftiges verurteilendes Erkenntnis eines Strafgerichts als verfassungswidrig aufgehoben: Der Anspruch auf Gehör wird nach diesem Erkenntnis verletzt, wenn der Betroffene den Beweis und die Zurechnung einer für die Entscheidung über seine Ansprüche und Verpflichtungen wesentlichen Handlung im Zivilverfahren nicht mehr in Frage stellen kann, weil das Gericht an die Entscheidung im strafgerichtlichen Verfahren gebunden ist, zu welchem er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen Zugang hatte (VfSlg 12.504).

Unter Zugrundelegung dieser Judikatur bestehen tatsächlich Bedenken auch gegen die Verfassungskonformität des § 116a Abs 7 GSVG. Bei der zu entscheidenden Frage, in welchem Ausmaß dem Kläger Kindererziehungszeiten als Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung anzurechnen sind, werden wegen ihres Einflusses auf die Pensionshöhe "civil rights" im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK tangiert. Der Kläger hatte nach der Gesetzeslage keine Gelegenheit, seine Sach- und Rechtsargumente im - rechtskräftig abgeschlossenen - Verfahren auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer an seine geschiedene Gattin einzubringen, sodass dieser Kindererziehungszeiten zugerechnet wurden, ohne dass der Kläger nunmehr - aufgrund der Bestimmung des § 116a Abs 7 GSVG - noch die Möglichkeit hätte, eine Änderung dieser Zurechnung zu erreichen. Im vorliegenden Fall ist es daher nicht offenkundig unrichtig oder denkunmöglich, die Bestimmung des § 116a Abs 7 GSVG idF der 20. GSVG-Novelle zur Prüfung der vom Kläger begehrten Feststellung heranzuziehen. Die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Präjudizialität ist somit nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs gegeben.

Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut und den daraus hervorleuchtenden Zweck der Vorschrift kann § 116a Abs 7 GSVG auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung materiell beseitigt werden.

Der Anwendung dieser Norm steht auch nicht eine offenkundig unmittelbar anzuwendende Norm des Gemeinschaftsrechts entgegen, deren Anwendungsvorrang die Präjudizialität ausschließen würde (VfSlg 15.368). Nach Art 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (im folgenden kurz RL) beinhaltet der Grundatz der Gleichbehandlung den Fortfall jeglicher unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Der Grundsatz der Gleichbehandlung steht allerdings den Bestimmungen zum Schutz der Frau wegen Mutterschaft nicht entgegen.

Die Bestimmung des § 116a Abs 7 GSVG ist geschlechtsneutral formuliert, sodass ihr keine unmittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht zu entnehmen ist. Bei einer Durchschnittsbetrachtung kann unter Bedachtnahme auf das in Österreich verfassungsgesetzlich abgesicherte (und auch von Art 7 Abs 1 der RL ermöglichte) geschlechtsspezifisch unterschiedliche Anfallsalter bei Pensionsleistungen aus dem Versicherungsfall des Alters sowie den Umstand, dass überwiegend das Lebensalter des männlichen Ehepartners höher ist als das des weiblichen, davon ausgegangen werden, dass im Regelfall der weibliche Elternteil zeitlich vor dem männlichen in die Lage versetzt ist, eine Pensionsleistung in Anspruch zu nehmen. Dies zeigt sich auch darin, dass das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei Frauen etwas niedriger ist als bei Männern (vgl etwa die allerdings nicht mehr aktuellen statistischen Angaben in VfGH 6.12.1990, G 223/88, ZAS 1992/8 mit Kommentar von Tomandl in ZAS 1992, 65).

Andererseits sind gerade Frauen, die Kinder geboren haben, aufgrund von Lücken im Versicherungsverlauf häufig gezwungen, länger als bis zum altersmäßig frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters zu arbeiten. Somit liegt zwar nahe, dass § 116a Abs 7 GSVG eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bewirkt, was zur Nichtanwendung dieser Bestimmung führen würde; von einer offenkundig gemeinschaftsrechtswidrigen Norm kann jedoch nicht gesprochen werden. Aufgrund der aufgezeigten Bedenken sieht sich der Oberste Gerichtshof daher veranlasst, einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Die Anordnung der Innehaltung des Verfahrens beruht auf der im Spruch zitierten Gesetzesstelle.

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