OGH 8ObA314/01m

OGH8ObA314/01m21.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Elmar Peterlunger und ADir. Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Prof. M*****, Gesangspädagoge, *****, vertreten durch Dr. Ulrike Bauer und Mag. Michael Rebasso, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagen Parteien 1) Karl S*****, 2) Evelyn B*****, beide Musikschulbetreiber, *****, beide vertreten durch Dr. Werner

Masser ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 24.824,36 = S 341.590,60

brutto sA (Revisionsinteresse: EUR 13.362,71 = S 183.874,96) brutto

sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Oktober 2001, GZ 8 Ra 306/01f-25, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Da in zweiter Instanz Zeitpunkt und Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr strittig war, trifft es zu, dass die Zulässigkeit der Revision vom Vorliegen einer iS des § 46 ASGG erheblichen Rechtsfrage abhängt. Eine solche liegt hier nicht vor. Allerdings ist dem Revisionswerber zuzustimmen, dass § 19d AZG auf das hier zu beurteilende Arbeitsverhältnis des Klägers (Gesanglehrer an einem privaten Konservatorium) zur Anwendung kommt. Die gegenteiligen Ausführungen des Berufungsgerichtes stützen sich auf § 1 Abs 2 Z 6 AZG, der normiert, dass Lehr- und Erziehungskräfte an Unterrichts- und Erziehungsanstalten - soweit sie nicht unter § 1 Abs 2 Z 1 AZG fallen - vom Anwendungsbereich des AZG ausgenommen sind. Diese Auffassung des Berufungsgerichtes lässt unbeachtet, dass mit dem “Arbeitsrechtlichen Begleitgesetz" BGBl Nr. 833/1992, ein neuer Abschnitt 6a mit der Überschrift “Vertragsrechtliche Bestimmungen in das AZG eingefügt wurde, der in seinem § 19b eine eigene Regelung über seinen Geltungsbereich enthält. Danach gilt dieser Abschnitt - und damit auch § 19d AZG - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen für “Arbeitsverhältnisse" aller Art. Diese zu Recht als “merkwürdig" bezeichnete Regelungstechnik (Cerny/Klein/B.Schwarz, AZG Anm 1 zu § 1) hat zur Folge, dass ungeachtet der vom Berufungsgericht zitierten Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 6 AZG die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Bestimmung des § 19d AZG auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden ist (so ausdrücklich für Lehr- und Erziehungskräfte: Grillberger, AZG2 Rz 2 zu § 19b). Daraus ist aber für die Zulässigkeit der Revision nichts zu gewinnen, weil dieser Umstand - der sich im Übrigen klar aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt - letztlich an der grundsätzlichen Richtigkeit der Überlegungen des Berufungsgerichtes und der Vertretbarkeit der darauf gestützten Lösung des hier zu beurteilenden Einzelfalls nichts ändert.

Im Gegensatz zur Meinung des Revisionswerbers ist nämlich im hier zu beurteilenden Fall kein Verstoß gegen § 19d AZG zu erkennen: Die vom Gesetz im Bereich der Teilzeitarbeit geforderte Vereinbarung über Ausmaß und Lage der Arbeitszeit kann auch konkludent getroffen werden (Cerny/Klein/B.Schwarz, aaO 256; Mosler, Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung DRdA 1999, 338 [342]); dafür ist erforderlich, dass ein bestimmtes, ermittelbares Arbeitsausmaß festgelegt wird (Cerny/Klein/B.Schwarz, aaO 256). Die vom Kläger vermisste Vereinbarung über das Ausmaß der Arbeitszeit wurde hier ohnedies getroffen, zumal vereinbart wurde, dass der Kläger alle in seiner Klasse im laufenden Schuljahr angemeldeten Studenten zu unterrichten habe, wobei jeder Student eine stundenplanmäßige Einheit pro Woche hatte. Damit wurde ein bestimmtes, ermittelbares Arbeitsausmaß normiert.

Durch die Bezugnahme auf die im (jeweils) laufenden Schuljahr angemeldeten Schüler ist allerdings klar, dass damit auch die Möglichkeit von Änderungen des Ausmaßes der Arbeitszeit entsprechend der jeweiligen Schülerzahl vereinbart wurde. Dies ist aber unter den hier gegebenen Umständen ebenfalls unbedenklich: Die Vereinbarung über das Ausmaß der Arbeitszeit kann während des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich verändert werden. Wenn dies in der Arbeitszeitvereinbarung vorgesehen, ist, kann sogar - allerdings nur in den Grenzen des § 19c Abs 2 und 3 und im Rahmen der guten Sitten - der Arbeitgeber das Ausmaß der Arbeitszeit einseitig verändern (Cerny/Klein/B.Schwarz, aaO 258; Grillberger, aaO Rz 3 ff). Für eine einvernehmliche Veränderung von Ausmaß und Lage der Arbeitszeit während des Arbeitsverhältnisses gibt es keine speziellen rechtlichen Schranken, sondern lediglich die allgemeinen grenzen der Zulässigkeit und Wirksamkeit von Vereinbarungen (Willensmängel, Umgehung, Sittenwidrigkeit). Die Ungültigkeit einer solchen Vereinbarung iS der “Drucktheorie" könnte - wenn überhaupt - nur dann angenommen werden, wenn durch die einvernehmliche Änderung ein Verzicht des Arbeitnehmers auf bereits erworbene Ansprüche oder Anwartschaften bewirkt werden soll (Cerny/Klein/B.Schwarz, aaO 260 f). Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass die hier getroffene Vereinbarung, die ihrem Inhalt nach eine Anpassung der Arbeitszeit an die Zahl der im jeweiligen Schuljahr angemeldeten Schüler vorsieht, unter den gegeben Umständen zulässig ist, zumal damit eine längerfristige Dispositionsmöglichkeit auch des Arbeitnehmers noch hinreichend gewährleistet und durch die Vereinbarung einer arbeitszeitunabhängigen Pauschalentlohnung überdies sichergestellt war, dass die jährlichen Schwankungen der Arbeitszeit nicht zu schwankenden und in ihrer Höhe für den Arbeitnehmer nicht kalkulierbaren Einkünften führte.

Aus der Sicht des Arbeitszeitrechtes ist daher die Vereinbarung der Streitteile nicht zu beanstanden.

Der unbestritten auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende “Mindestlohntarif für Privatlehrer und Musik- und Gesangslehrer" beschränkt sich auf die Festlegung eines Mindesthonorars pro Unterrichtsstunde. Demgegenüber normiert der “Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte ArbeitnehmerInnen" ein Gehaltsschema auf der Grundlage eines Monatsgehalts, dass sich aus einem Mindestgehalt pro Unterrichtseinheit mal den vereinbarten monatlichen Unterrichtsstunden errechnet. Die vom Kläger geforderte analoge Anwendung dieser Formel zur Ermittlung eines Monatsgehalts auf den Bereich des hier anzuwendenden Mindestlohntarifs hat das Berufungsgericht ua mit der Begründung abgelehnt, dass der “Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte ArbeitnehmerInnen" Einrichtungen mit künstlerischem Bildungsziel ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich ausnehme. Wenngleich dem Revisionswerber zuzustimmen ist, dass dieser Umstand die analoge Anwendung einzelner Bestimmungen der in Rede stehenden Norm auf den hier anzuwendenden Mindestlohntarif nicht absolut denkunmöglich macht, ist dem vom Berufungsgericht erzielten Auslegungsergebnis beizupflichten. Dem Normgeber kann nicht unterstellt werden, dass die völlig unterschiedliche Regelung der beiden Mindestlohntarife unbeabsichtigt ist. Wie der Revisionswerber selbst einräumt, verfolgt der hier anzuwendende Mindestlohntarif bewusst nicht das Ziel, einen verbindlichen Monatsbezug zu normieren. Es fehlt insoweit an einer planwidrigen Lücke, die eine analoge Anwendung des völlig anders geregelten Systems des vom Revisionswerber ins Treffen geführten Mindestlohntarifs, der eine Anwendung auf die vom hier anzuwendenden Mindestlohntarif erfassten Arbeitsverhältnisse ausdrücklich ausschließt, rechtfertigen würde.

Den Vorinstanzen ist daher beizupflichten, das sich der hier anwendbare Mindestlohntarif insofern auswirkt, als das dem Kläger zustehende Entgelt zumindest so hoch sein muss, dass es den durch den Mindestlohntarif vorgeschriebenen Entgelt für die tatsächlich geleisteten Stunden entspricht. Dem haben die Vorinstanzen Rechnung getragen, indem sie - unter Beachtung des Rechtes des Klägers auf fünf Wochen unbezahlten Urlaub und unter Einbeziehung der wegen Nichterscheinens der Schüler nicht gehaltenen Stunden (“Fehlstunden" vgl S 13 des Ersturteils) - das dem Kläger zugeflossene Entgelt dem nach dem Mindestlohn für die tatsächlich geleisteten Unterrichtseinheiten (unter Einschluss der “Fehlstunden") gebührenden höheren Entgelt gegenübergestellt und dem Kläger die Differenz zugesprochen haben. Die auf Grund dieser jedenfalls vertretbaren Rechtsauffassung angestellten Berechnungen des Erstgerichtes werden - ebenso wie die darauf gestützten Berechnung von Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung - in der Revision nicht in Frage gestellt. Die im Rechtsmittel angestellten Berechnungen gehen - wie der Revisionswerber selbst ausdrücklich ausführt - von einem anderen Verständnis des Mindestlohntarifs aus und brauchen daher nicht näher erörtert zu werden.

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