OGH 9Ob6/02a

OGH9Ob6/02a20.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanne G*****, Kauffrau, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Frank, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei Ing. Ewald P*****, Kfz-Mechanikermeister, *****, vertreten durch Dr. Hansjörg Mader und Mag. Robert Mader, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 29.452,61 (S 405.276,79) sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. November 2001, GZ 1 R 202/01t-26, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der von der Klägerin in ihrer Revision ins Treffen geführte Schaden durch den "Verlust der Beweismöglichkeit" ist für sich allein kein ersatzfähiger Schaden. Ein solcher wäre der Klägerin - wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat - nur dann erwachsen, wenn sie im Falle der ordnungsgemäßen Befundaufnahme durch den beklagten Sachverständigen im Vorprozess obsiegt hätte und somit die mangelhafte Befundaufnahme kausal für den geltend gemachten Schaden wäre. Nur unter dieser Voraussetzung hat nämlich das Verhalten des Beklagten zu einem Vermögensnachteil der Klägerin geführt. Dass sie im Falle einer ordnungsgemäßen Befundaufnahme durch den Beklagten den Vorprozess gewonnen hätte, hat die Klägerin aber nicht behauptet, sodass ihre Klage - wie ebenfalls das Berufungsgericht richtig erkannt hat - unschlüssig ist.

Aus der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Rechtsprechung im Zusammenhang mit Verletzungen der ärztlichen Dokumentationspflicht (RIS-Justiz RS0026236; SZ 68/207; zuletzt 8 Ob 134/01s) ist nichts Gegenteiliges abzuleiten. Die Verletzung der ärztlichen Dokumentationspflicht hat im Prozess (bloß) beweisrechtliche Konsequenzen, die dazu führen, dass dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokumentationspflicht entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt. Diese Beweiserleichterung hilft dem Patienten insoweit, als sie die Vermutung begründet, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt nicht getroffen wurde (SZ 68/207; 8 Ob 134/01s).

Die Frage nach einer allfälligen Beweiserleichterung für die klagende Partei ist aber von der Notwendigkeit, schlüssige Behauptungen über den anspruchsbegründenden Sachverhalt aufzustellen, zu trennen. Fehlt es an schlüssigen Prozessbehauptungen, ist ein Beweisverfahren überhaupt nicht durchzuführen, sodass eine allfällige Beweiserleichterung von vornherein nicht zum Tragen kommt. Es mag durchaus zutreffen, dass auch im hier zu beurteilenden Fall Umstände vorliegen, die dafür sprechen, der Klägerin Beweiserleichterungen zuzubilligen. Dies braucht aber nicht abschließend geprüft zu werden, weil auch solche Beweiserleichterungen an der Notwendigkeit eines (hier fehlenden) schlüssigen Prozessvorbringens nichts ändern könnten. Im Übrigen macht die Revisionswerberin einen Mangel des Berufungsverfahrens geltend, indem sie vorbringt, dass das Berufungsgericht vor der Abweisung des Klagebegehrens wegen Unschlüssigkeit der Klägerin - im Wege der Aufhebung des Ersturteils - Gelegenheit zur Präzisierung ihres "Begehrens" hätte geben müssen. Dieser Einwand muss - ohne dass es einer Auseinandersetzung mit den dazu angestellten Überlegungen des Berufungsgerichtes bedarf - aus folgenden Überlegungen erfolglos bleiben:

Im Rechtsmittel ist die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels - wenn sie nicht offenkundig ist - darzulegen (Kodek in Rechberger² Rz 6 zu § 471). Im Falle der Behauptung der Verletzung der Anleitungspflicht muss daher der Rechtsmittelwerber darlegen, was er im Falle einer ordnungsgemäßen Erörterung seines Vorbringens vorgebracht hätte, weil nur auf dieser Grundlage die Wesentlichkeit des Mangels beurteilt werden kann. Die Klägerin behauptet aber auch in ihrer Revision nicht, dass sie im Falle der ordnungsgemäßen Befundaufnahme durch den Beklagten den Vorprozess gewonnen hätte. Im Gegenteil: Ihr gesamtes Revisionsvorbringen macht deutlich, dass sie sich zu einer solchen Behauptung wegen des vom Beklagten zu vertretenden Beweisnotstandes außer Stande sieht. Damit hat aber die Klägerin die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan, sodass auch ihrer Mängelrüge ein Erfolg versagt bleiben muss.

Stichworte