OGH 6Ob296/01z

OGH6Ob296/01z31.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. mj Daniel M*****, und 2. mj Bernhard M*****, beide vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner und Dr. Brigitte Heaman-Dunn, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Böhmdorfer-Gheneff KEG, Rechtsanwälte in Wien, 2. Adolf B*****, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, und 3. G***** Gesellschaft mbH iL, ***** vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in Wien, wegen 94.474,68 EUR = 1,300.000,-- S, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Juli 2001, GZ 12 R 6/01t-88, womit über die Berufungen der zweitbeklagten Partei und der drittbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Oktober 2000, GZ 24 Cg 125/97x-79, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Parteien auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Erstbeklagte errichtete als Bauherrin im Jahr 1994 ein Wohnhaus und beauftragte ein Bauunternehmen mit verschiedenen Bauarbeiten und ein Schlossereiunternehmen mit der Durchführung von Gewichtsschlosserarbeiten. Das für die Bauarbeiten erforderliche Gerüst sollte "bauseits" bereitgestellt werden. Das Bauunternehmen beauftragte (mit Subauftrag) die Zweitbeklagte mit der Herstellung einer Vollwärmeschutzfassade und der Aufstellung eines Konsolleitergerüstes. Dieses sollte nach Abschluss der Arbeiten der Zweitbeklagten zur Verfügung anderer Professionisten stehen bleiben. Der Zweitbeklagten war bekannt, dass das Gerüst schon vor Beginn ihrer Arbeiten von anderen Professionisten für Vorarbeiten benützt werden sollte. Die Zweitbeklagte erteilte (mit Subsubauftrag) der Drittbeklagten den Auftrag zur Herstellung des Gerüstes. Am 17. 5. 1994 bestiegen zwei Arbeiter des Schlossereiunternehmens das Gerüst. Dieses stürzte wegen des Bruchs eines Konsolenstabes auf Grund fehlerhafter Schweißung und des Fehlens einer Konsolenstütze ein. Der Vater der Kläger stürzte ab, wurde schwer verletzt (Querschnittlähmung) und hatte bis zu seinem Tod am 25. 1. 1999 an Schmerzen zu leiden. Er begehrte mit der am 15. 5. 1997 eingebrachten Klage die Bezahlung von 1,3 Mio S Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Seine eingeantworteten Erben setzten den Prozess fort. Sie stützen die Haftung der Zweitbeklagten auf eine nicht vorgenommene Prüfung des von der Drittbeklagten errichteten Gerüstes, auf die Haftung nach § 1319 ABGB und - für das Revisionsverfahren wesentlich - auf Schutzwirkungen des Vertrages der Zweitbeklagten mit dem Bauunternehmen (Subauftrag zur Errichtung des Gerüstes) zu Gunsten Dritter, also auch der Dienstnehmer des Schlossereiunternehmens. Die Zweitbeklagte bestritt jegliches Verschulden am Unfall. Zwischen ihr und dem Verunglückten und dessen Dienstgeber bestehe kein Vertragsverhältnis.

Unstrittig ist das Verschulden der Drittbeklagten am Unfall wegen der Verletzung von Sicherheitsvorschriften und fehlerhafter Errichtung des Gerüstes.

Das Erstgericht gab dem nach Einschränkung um das Feststellungsbegehren noch offenen Leistungsbegehren teilweise statt und verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von jeweils 250.000 S an die beiden Kläger. Der für das Revisionsverfahren wesentliche Sachverhalt wurde schon wiedergegeben. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Drittbeklagte nach Deliktsrecht hafte, die Erstbeklagte für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen. Es sei aber auch die Haftung der Zweitbeklagten zu bejahen, obwohl sie kein eigenes Verschulden am Einsturz des Gerüstes treffe und nicht in direkter Vertragsbeziehung zum Schlossereiunternehmen gestanden sei. Es könne die Zweitbeklagte aber nicht entlasten, dass sie sich eines Subunternehmers bedient habe. Sie hafte nach § 1313a ABGB.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Zweitbeklagten und der Drittbeklagten nicht Folge (die Kläger ließen die erstinstanzliche Entscheidung unangefochten). Es verneinte ein Mitverschulden des während des Prozesses verstorbenen Klägers und bejahte die Haftung der Zweitbeklagten. Eine direkte Vertragshaftung wegen Verschuldens des Erfüllungsgehilfen bestehe zwar nur gegenüber dem unmittelbaren Vormann in der Kette der Erfüllungsgehilfen und nicht gegenüber dem Gläubiger der Leistung (hier also gegenüber dem Schlossereiunternehmen), die Leute (Dienstnehmer) des Gläubigers seien aber in den vertraglichen Schutzbereich einzubeziehen. Ein schutzwürdiges Interesse könne nur dann verneint werden, wenn der Geschädigte kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz habe. Dies sei hier zu verneinen, weil der bei einem Arbeitsunfall Verunglückte gegen seinen Dienstgeber keinen deckungsgleichen Schmerzengeldanspruch habe (§ 333 ASVG). Auch der zuerkannte Anspruch gegen die Erstbeklagte stehe dem Anspruch gegen die Zweitbeklagte auf Grund von Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter nicht entgegen, weil auch ersterer nur aus Schutzwirkungen abgeleitet werden könne.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Mit ihrer Revision beantragt die Zweitbeklagte die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig. Die Revisionswerberin führt nur ins Treffen, dass sie nicht in einer vertraglichen Beziehung zum Dienstgeber des Geschädigten gestanden sei und dass Schutzwirkungen nach der objektiven Auslegung ihres Vertrages (mit dem Bauunternehmen) zu verneinen seien. Die vom Berufungsgericht für die gegenteilige Ansicht zitierte Entscheidung EvBl 1993/97 sei nicht einschlägig. Dies trifft nicht zu:

Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung wird die vertragliche Schadenersatzhaftung auf Dritte erstreckt, die der vertraglichen Hauptleistung nahestehen, weil sie ein Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er zur Fürsorge verpflichtet ist (SZ 64/76 mwN; zuletzt 6 Ob 250/01k mwN). Die objektive Auslegung des Vertrages bestimmt den begünstigten Personenkreis (4 Ob 203/00g). Die Auslegung des von der Zweitbeklagten mit dem Bauunternehmen über die Aufstellung eines Gerüstes geschlossenen Vertrages durch die Vorinstanzen ist nach den getroffenen Feststellungen unbedenklich. Der Zweitbeklagten war nicht nur der bei der Errichtung der Fassade eines Wohnhauses regelmäßig auftretene Umstand bekannt, dass das Gerüst von Arbeitern verschiedener Professionisten Verwendung finden soll, es war dieser Verwendungszweck zumindest schlüssig und für die Zeit nach Beendigung der Arbeiten der Zweitbeklagten sogar ausdrücklich bedungen. Damit haben die Vertragsparteien die Arbeiter aller am Bau beschäftigten Unternehmen in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen. Der Kontakt anderer Personen mit der Hauptleistung des Vertrages, also der Umstand, dass sich Dritte in den Gefahrenbereich begeben werden, war klar voraussehbar. Die Entscheidung 4 Ob 553/92 = EvBl 1993/97 (422), der ein völlig vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde lag, bejahte die Schutzpflichten des Subunternehmers, der im Auftrag eines Hauptunternehmers tätig war, gegenüber einem Dienstnehmer des Werkbestellers. Der Geschädigte hatte - wie auch hier - weder zum Vertragspartner der Hauptschuldnerin noch zur Subunternehmerin eine eigene Vertragsbeziehung, weshalb der auf Schutzwirkung zu Gunsten Dritter gestützte Anspruch nicht deshalb zu verneinen war, weil der Geschädigte in einer rechtlichen Sonderbeziehung zu einem der Vertragspartner stand (vgl dazu die in 6 Ob 250/01k zitierte Judikatur). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht im Einklang mit der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Da sich die Revision - ausgehend von der unrichtigen Ansicht über nicht vergleichbare Sachverhalte - mit den dargelegten Grundsätzen nicht auseinandersetzt, sind weitere Rechtsausführungen entbehrlich (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Kosten für die Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht hingewiesen haben.

Stichworte