Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
In einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Standard" (die Beklagte ist deren Eigentümerin, Verlegerin und Produzentin) wird der "Kärntner FPÖ" unter der Überschrift "Agentur ohne Gewerbeschein, aber mit guten Verbindungen zur Kärntner FPÖ" "blaue Werbung mit doppeltem Nutzen" vorgeworfen, sie bediene sich ähnlich der Bundespartei einer besonderen Konstruktion, um - wörtlich - "zusätzliche Quellen zu erschließen und finanzielle Vorteile zu lukrieren". Sie schalte eine parteinahe Werbeagentur, nämlich das 1999 gegründete "Kärntner Medienservice" vor; diese werde im Auftrag der FPÖ oder des Landes Kärnten tätig und könne finanzielle Vorteile wie Agenturrabatte lukrieren, die die Partei als Verein nicht erhalten dürfe. Durch die Rückerstattung der Agenturrabatte fließe nach Insider-Berichten Geld in die Kassen der Kärntner FPÖ. Ebenso könne diese den 20 %igen Vorsteuerabzug zurückerhalten. Beides komme der Partei zugute. Und weiter: "Das meiste Geld soll jedoch über "Druckkostenbeiträge" für veröffentlichte Beiträge in FP-nahen Zeitungen, Zeitschriften, Beilagen und Broschüren bewegt werden. Dahinter könnten sich hohe Parteispenden verbergen, die über jene 100.000 S-Grenze hinausgehen, ab der sie im jährlichen Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden müssen". Das Kärntner Medienservice habe seinen Sitz auch in der Kärntner Parteizentrale, ihr Geschäftsführer sei gleichzeitig Angestellter der Kärntner FPÖ. Recherchen der Kärntner Wirtschaftskammer hätten ergeben, dass eine Agentur mit der angeführten Bezeichnung keine Gewerbeberechtigung habe und auch nicht im Firmenbuch eingetragen sei.
Als Kläger tritt der eingetragene Verein "Die Freiheitlichen in Kärnten" auf. Er macht geltend, Kläger sei die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Landesgruppe der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) - "Die Freiheitlichen", eine politische Partei in der Rechtsform eines Vereins. Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehrt der Kläger die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit der Beklagten verboten werde, wörtlich und/oder sinngemäß zu behaupten und/oder die wörtlichen und/oder sinngemäßen Behauptungen zu verbreiten, der Kläger würde über eine eigene Werbeagentur ohne Gewerbeberechtigung illegale Parteispenden erhalten und "Vorsteuerabzüge" lukrieren, die ihm zugute kämen. Die Behauptungen im Medium der Beklagten seien ehrenrührig, sie unterstellten dem Kläger, über eine eigene Werbeagentur ohne Gewerbeberechtigung illegale Parteispenden zu erhalten und Vorsteuerabzüge zu lukrieren. Dem Leser des Mediums der Beklagten werde damit suggeriert, dass der Kläger gegen die Gewerbeordnung, die Vorschriften über die Parteifinanzierung und das Verbot des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten nach der Bundesabgabenordnung verstoße. Die (Tatsachen)behauptungen im Medium der Beklagten seien unwahr und könnten durch das Recht der freien Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt werden. Sie verstießen sowohl gegen Abs 1 als auch gegen Abs 2 des § 1330 ABGB.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags und wendete mangelnde Betroffenheit des klagenden Vereins ein. Der Vorwurf betreffe eine Konstruktion, die die Kärntner FPÖ (somit ein anderes Rechtssubjekt als der klagende Verein) gewählt habe, um zusätzliche finanzielle Quellen zu erschließen und finanzielle Vorteile zu lukrieren. Im Übrigen beinhalte der Vorwurf keinen Verstoß gegen § 1330 ABGB und seien die Behauptungen wahr. Zur Bescheinigung der Richtigkeit ihrer Behauptungen berief sich die Beklagte auf vorgelegte Urkunden und die Einvernahme einer Auskunftsperson.
Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Es stellte noch fest, dass die Satzung für die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) Landesgruppe Kärnten beim Bundesministerium für Inneres hinterlegt wurde. Ferner stellte es eine Reihe von Leistungen fest, die das "Kärntner Medienservice" im Auftrag der Freiheitlichen Partei Österreichs Landesgruppe Kärnten oder im Auftrag des Kärntner Landeshauptmanns erbracht hat. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) Landesgruppe Kärnten durch Hinterlegung ihrer Satzung beim Bundesministerium für Inneres Rechtspersönlichkeit als politische Partei erlangt habe und durch den Artikel der Beklagten betroffen sei. Der klagende Verein werde im Artikel der Beklagten hingegen weder erwähnt noch richte sich der Vorwurf inhaltlich gegen ihn. Er sei daher nicht aktiv klagslegitimiert.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auch das Rekursgericht verneinte eine Betroffenheit des klagenden Vereins, der im Artikel nicht erwähnt werde. An dieser Beurteilung könne es auch nichts ändern, dass sich der Kläger einerseits nach den Vorschriften des Vereinsgesetzes als Verein und andererseits nach den Vorschriften des Parteigesetzes als politische Partei konstituiert habe. Nach dem Vorbringen des Klägers könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um dieselbe Rechtspersönlichkeit und somit nur um eine einzige juristische Person handle. Vielmehr sei von zwei Rechtspersönlichkeiten auszugehen, wobei die eine, nämlich der klagende Verein durch die Äußerungen im Artikel der Beklagten nicht betroffen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil das Rekursgericht die Aktivlegitimation des klagenden Vereins unrichtig beurteilt hat, er ist im Sinne seines hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Lehre unterscheidet zwischen politischen Parteien nach dem Parteiengesetz und Vereinen, die politische Ziele verfolgen (Brändle/Schnetzer, Das österreichische Vereinsrecht2, 54). Unter "politischer Partei" wird eine Personenvereinigung von Bürgern verstanden, die auf Dauer oder doch auf einen längeren Zeitraum gebildet, die Mitwirkung an der politischen Willensbildung, insbesondere die Beteiligung an Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern auf der Basis gemeinsamer politischer Überzeugungen der Mitglieder anstrebt (Fessler/Keller, Österreichisches Vereinsrecht7 19; Brändle/Schnetzer aaO 54 f; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine 33). Nach dem Parteiengesetz (Art I § 1 Abs 4 - Verfassungsbestimmung) haben politische Parteien Satzungen zu beschließen, diese in (irgend) einer periodischen Druckschrift zu veröffentlichen und beim Bundesministerium für Inneres zu hinterlegen. Damit erlangt die Personenvereinigung - wenn alle vom Parteiengesetz geforderten Voraussetzungen erfüllt sind - Rechtspersönlichkeit (VfGH vom 1. 3. 1983 Slg Nr 9648; Fessler/Keller aaO 20; Brändle/Schnetzer aaO 55; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer aaO 34). Dass eine Personenvereinigung, die durch Veröffentlichung und Hinterlegung ihrer Satzung Rechtspersönlichkeit nach dem Parteiengesetz erlangt hat, zugleich auch Rechtspersönlichkeit als Verein nach dem Vereinsgesetz besitzen kann, ist in der Lehre anerkannt (Fessler/Keller aaO 23; Brändle/Schnetzer aaO 56; Kostelka, Politische Parteien in der österreichischen Rechtsordnung in FS Floretta 42). Übereinstimmung besteht in Lehre und Rechtsprechung (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer aaO 34; 8 Ob 605/90 = SZ 63/216 = AnwBl 1991/3839 [499]) auch darin, dass die politische Partei FPÖ (bzw ihre Landesorganisationen) (auch) als Verein nach dem Vereinsgesetz organisiert ist. In diesem Zusammenhang führt der Erlass des BMI vom 8. 8. 1975 Zl 99.000/2-II/6/75 aus, dass es einem bestehenden Verein mit entsprechender politischer Zielsetzung unbenommen bleiben müsse, sich unter Aufrechterhaltung seines Rechtsbestandes nach dem Vereinsgesetz auch als politische Partei zu konstituieren. Ebenso werde sich eine politische Partei als Verein nach dem Vereinsgesetz bilden können. Es könne auch einem Verein, der eindeutig nach seinen Statuten, Mitgliedern und sonstigen Kriterien mit einer politischen Partei wesensgleich sei, nicht verwehrt werden, einen der Bezeichnung dieser politischen Partei ähnlichen oder gleichen Namen zu wählen, da es sich in einem solchen Fall ja nicht um eine andere Einrichtung im Sinn des § 4 Abs 3 VereinsG handle. Allerdings unterliege ein derartiger Verein, der auch als politische Partei Rechtspersönlichkeit genieße, hinsichtlich seines Bestandes und seiner Tätigkeit als Verein uneingeschränkt den vereinsgesetzlichen Bestimmungen. Seine allfällige Auflösung als Verein lasse den Rechtsbestand der Organisation als politische Partei unberührt (abgedruckt in Fessler/Keller aaO 23).
Der Umstand, dass eine politische Partei demnach zugleich auch als Verein nach dem Vereinsgesetz organisiert sein kann und Rechtspersönlichkeit sowohl nach dem Vereinsgesetz als auch nach dem Parteiengesetz besitzt, ändert nichts an der Identität des Rechtsträgers selbst, insbesondere werden dadurch nicht zwei getrennte Rechtssubjekte geschaffen, wenngleich die so konstituierte politische Gruppe sowohl den Bestimmungen des Vereinsgesetze als auch jenen des Parteiengesetzes unterliegt.
An der Klagelegitimation der als Verein organisierten politischen Partei besteht im hier gegebenen Zusammenhang kein Zweifel. Die Identität des sowohl als politische Partei als auch als Verein auftretenden Rechtsträgers begründet auch - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - die Klagelegitimation des unter seinem Vereinsnamen auftretenden Rechtssubjekts. Die Vorwürfe im Medium der Beklagten richten sich gegen die als Verein organisierte politische Partei. Der so angegriffene Rechtsträger konnte daher (auch) unter der nach dem Vereinsrecht zulässigerweise geführten Bezeichnung auftreten. Bei dieser besonderen Konstellation kommt es nicht darauf an, ob den Lesern des Artikels bewusst war, dass die dort angesprochene politische Partei als Verein organisiert ist. Die Vorinstanzen haben damit zu Unrecht die Aktivlegitimation des Klägers verneint. Von ihrer (unrichtigen) Rechtsauffassung ausgehend haben sie aber auch die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe nicht geprüft.
Der eingangs festgestellte Artikel unterstellt der Klägerin, über eine eigene Werbeagentur ohne Gewerbeberechtigung (somit unter Verstoß gegen die Gewerbeordnung) und unter Umgehung der Vorschriften über die Parteienfinanzierung Parteispenden zu erhalten und ihr nach den Abgabenvorschriften nicht zustehende Vorsteuerabzüge zu lukrieren. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Behauptungen - mögen sie auch teilweise in Vermutungsform geäußert werden - Tatsachenbehauptungen darstellen, die als tatbestandsmäßig im Sinn des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB zu beurteilen sind. Die Beklagte hat allerdings den Wahrheitsbeweis angetreten und zur Bescheinigung ihrer Vorwürfe die Einvernahme einer Auskunftsperson beantragt - diese ist bisher unterblieben.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Vorwürfe auf ihre Richtigkeit zu überprüfen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.
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