OGH 6Ob316/01s

OGH6Ob316/01s31.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Walter Riedl ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Ernst B*****, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5,000.000,-- S (= 363.364,17 EUR), über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2001, GZ 13 R 94/00i-82, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. März 2000, GZ 55 Cg 5/98d-78, abgeändert und das Klagebegehren abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 2.637,28 EUR (darin 439,55 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin befasst sich mit der Entsorgung von Altbatterien und hatte im Jahr 1991 die dafür notwendige behördliche Erlaubnis zur Ausübung der Tätigkeit des Abfallsammelns im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG). Neben dem handelsrechtlichen Geschäftsführer (dem damaligen Alleingesellschafter der Gesellschaft mbH; die Rechtsform wurde in der Zwischenzeit geändert) war ein "abfallrechtlicher" Geschäftsführer gemäß § 15 Abs 5 AWG bestellt. Die Klägerin hatte mit den im sogenannten "Umweltforum" zusammengefassten Altbatteriesammlern ("Batterieimporteuren") auf unbestimmte Zeit abgeschlossene, nur unter Einhaltung einer längeren Kündigungsfrist kündbare Vereinbarungen. Über das Aviso der Vertragspartner hatte die Klägerin die Batterien abzuholen und zur Entsorgungsstelle zu bringen und die erforderlichen Begleitscheine zu administrieren. Am 3. 5. 1991 fand bei der Klägerin eine Kontrolle der für die Abfallwirtschaft zuständigen Verwaltungsbehörde über den Verbleib von Batterien statt. Der abfallrechtliche Geschäftsführer erklärte, dass die Batterien nicht nur in der Wiener Betriebsanlage der Klägerin, sondern auch in einem externen Lager gelagert würden, nannte dessen Adresse aber nicht und verwies auf den handelsrechtlichen Geschäftsführer. Auch dieser erteilte keine näheren Auskünfte über das "Außenlager". Die Verwaltungsbehörde forderte den handelsrechtlichen Geschäftsführer unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen (fehlende Aufzeichnungen über den Verbleib von gefährlichen Abfällen; Nichtbekanntgabe des Standortes des Außenlagers) zur Rechtfertigung auf. Der beklagte Rechtsanwalt vertrat die Klägerin und ihren handelsrechtlichen Geschäftsführer und nahm im anhängigen Verwaltungsstrafverfahren dahin Stellung, dass Aufzeichnungen über den Verbleib der Batterien vorgelegt worden seien. Eine mangelhafte Auskunftserteilung stehe nicht unter Strafsanktion. Die Verwaltungsbehörde forderte den Geschäftsführer zu Handen des Beklagten neuerlich zur Rechtfertigung zum Vorwurf auf, dass der Standort des Außenlagers und der Verbleib der Batterien nicht bekanntgegeben worden seien. Der Beklagte wiederholte seine erste Stellungnahme. Daraufhin erließ die Verwaltungsbehörde am 6. 11. 1991 gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Klägerin ein Straferkenntnis wegen der Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs 1 iVm § 39 Abs 1 lit c Z 6 AWG wegen fehlender (unvollständiger) Aufzeichnungen. Die vom Beklagten am 5. 12. 1991 eingebrachte Berufung war verspätet. Dem Wiedereinsetzungsantrag wurde nicht stattgegeben. Bei rechtzeitiger Erhebung der Berufung hätte der Unabhängige Verwaltungssenat dem Rechtsmittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge gegeben und das Strafverfahren eingestellt, auch wenn die Berufung nicht damit begründet wurde, dass das Strafverfahren richtigerweise gegen den abfallrechtlichen Geschäftsführer zu führen gewesen wäre. Der handelsrechtliche Geschäftsführer der Klägerin wurde außer der nun rechtskräftig gewordenen Verwaltungsstrafe überdies zweimal einschlägig (am 17. 1. 1991 und am 12. 2. 1992) verurteilt. Aus der Sicht der Verwaltungsbehörden gab es mit der Klägerin und ihrem handelsrechtlichen Geschäftsführer (und Gesellschafter) Schwierigkeiten. Aus einem Schreiben der Tiroler Landesregierung an das Bundesministerium für Umweltschutz ging der Verdacht der Nichteintragung von Batterien in den gesetzlich vorgesehenen Begleitscheinen hervor. Dem Bundesministerium waren nur zwei Lager der Klägerin (in Wien und Niederösterreich) bekannt. Nach einer Berechnung auf Grund vorliegender Begleitscheine fehlten über 1000 Tonnen Batterien. Über Weisung des Bundesministeriums sollte die zuständige Verwaltungsbehörde eine Kontrolle bei der Klägerin durchführen und ein vermutetes drittes Lager ausforschen. Bei der am 23. 7. 1992 durchgeführten Kontrolle des Lagers der Klägerin wurde mündlich der Bescheid verkündet, dass die der Klägerin mit Bescheid vom 27. 6. 1986 erteilte Erlaubnis zur Sammlung und Behandlung von Metallabfällen gemäß § 15 Abs 8 AWG entzogen werde, weil die Voraussetzung der Verlässlichkeit nach § 15 Abs 3 AWG nicht mehr vorliege. Schon am nächsten Tag erließ die Verwaltungsbehörde erster Instanz einen Bescheid dahin, dass einer Berufung gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom Vortag die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. In der Begründung wurde auf die Gründe des Befugnisentzuges hingewiesen, wie dies auch in der schriftlichen Ausfertigung vom 5. 8. 1992 des mündlichen Bescheids vom 27. 6. 1992 geschah: Der Geschäftsführer und der Beklagte hätten verlangte Auskünfte nicht erteilt. Darüber liege bereits ein rechtskräftiges Straferkenntnis vor. Aufzeichnungen über den Verbleib von Batterien (= gefährliche Abfälle) seien nicht ausreichend geführt worden. Gegen die Verlässlichkeit der Klägerin sei der Umstand zu werten, dass das Zwischenlager (in Niederösterreich) nicht über die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung verfüge.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Klägerin gab das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie nicht Folge. Es lägen bereits drei Verurteilungen des Geschäftsführers gegen Gesetze zum Schutz der Umwelt vor, sodass die Verlässlichkeit gemäß § 15 Abs 3 AWG zu verneinen und nicht weiter auf das Berufungsvorbringen einzugehen sei. Bei der Verlässlichkeitsprüfung komme es nicht nur auf den abfallrechtlichen Geschäftsführer, sondern auch auf die Erlaubnisinhaberin (und deren handelsrechtlichen Geschäftsführer) an. Infolge einer Beschwerde der Klägerin hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. 3. 1995, Zl 92/05/0249, den Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Bei der Verlässlichkeitsprüfung komme es nur auf das Verhalten des abfallrechtlichen Geschäftsführers an. Mit Bescheid vom 17. 7. 1995 behob daraufhin das Bundesministerium für Umwelt den Bescheid über die Erlaubnisentziehung.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz von 5 Mio S. Wegen der Entziehung der Sammelbefugnis hätten ihre Vertragspartner (die im "Umweltforum Batterien" zusammengefassten Batterieimporteure) das Vertragsverhältnis aufgelöst. Die Entziehung der Erlaubnis sei auf das Verschulden des Beklagten zurückzuführen. Dieser hätte als Rechtsvertreter der Klägerin und ihres Geschäftsführers rechtzeitig gegen das Straferkenntnis Berufung erheben müssen. Das Rechtsmittel wäre - wie letztlich das Erkenntnis des VwGH beweise - erfolgreich gewesen. Die Verwaltungsbehörde hätte nur gegen den abfallrechtlichen Geschäftsführer ein Strafverfahren einleiten dürfen. Dieser sei nicht vorbestraft gewesen. Im Entzugsverfahren sei besonderer Nachdruck auf die Verwaltungsstrafe vom 6. 11. 1991 gelegt worden. Die Klägerin habe alles zur Schadensminderung getan. Der handelsrechtliche Geschäftsführer sei abberufen worden. Er habe auch seine Funktion als Mehrheitsgesellschafter aufgegeben. Dadurch sei eine neuerliche Erlaubniserteilung möglich geworden. Dies habe aber einen Verdienstentgang von 8,7 Mio S nicht verhindern können. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe im Verwaltungsstrafverfahren nur den Geschäftsführer, nicht aber die Klägerin vertreten. Diese treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil sie nicht unverzüglich für die Einsetzung eines anderen geeigneten Geschäftsführers Sorge getragen habe. Sie hätte ihre Vertragspartner auch dazu bewegen müssen, ihre Batterielieferungen bis zur neuerlichen Erteilung der Sammelerlaubnis zurückzuhalten. Zwischen der Säumnis des Beklagten im Verwaltungsstrafverfahren und dem Verfahren über die Entziehung der Sammelbefugnis fehle der Rechtswidrigkeitszusammenhang. Der Säumnis des Beklagten fehle die Kausalität, weil auch bei Abwehr der Verwaltungsstrafe gegen den Geschäftsführer der Klägerin die Behörde im Entzugsverfahren die Verlässlichkeit verneint hätte. Die Vertragspartner der Klägerin hätten überdies jederzeit die Möglichkeit gehabt, das Vertragsverhältnis zu lösen. Jedenfalls hätte die Behörde die Klägerin auch ohne diese Bestrafung des Geschäftsführers als nicht verlässlich im Sinne des § 15 AWG beurteilt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens) statt. Von seinen über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehenden Feststellungen ist noch Folgendes hervorzuheben:

Die Klägerin habe auf Grund ihrer Verträge mit den Vertragspartnern nahezu über eine Monopolstellung verfügt. Die Batterieimporteure hätten der Klägerin nach dem Entzug der Erlaubnis zur Sammeltätigkeit eine Nachfrist bis zum 26. 8. 1992 gesetzt und dann das Vertragsverhältnis wegen Einstellung der Geschäftstätigkeit der Klägerin mit Schreiben vom 27. 8. 1992 für aufgelöst erklärt. Zu dieser Vertragsauflösung wäre es ohne den Erlaubnisentzug nicht gekommen. Nach der Praxis der Verwaltungsbehörden sei bis 1994 bei der Verlässlichkeitsprüfung auch das Verhalten des handelsrechtlichen Geschäftsführers einbezogen worden. Die Verwaltungsbehörde erster Instanz hätte den Befugnisentzug auch ohne die dritte Verwaltungsstrafe verfügt. Diese habe erst im Berufungsbescheid "Gewicht bekommen". Für die Berufungsinstanz im Entzugsverfahren könne nicht festgestellt werden, dass diese auch ohne die dritte Vorstrafenbelastung den Erlaubnisentzug bestätigt hätte. Die Beamten der Berufungsbehörde wären mit der erstinstanzlichen Begründung nicht einverstanden gewesen und hätten ein ergänzendes Verfahren zur Einräumung des Parteiengehörs angeordnet. Dann wäre geklärt worden, dass die Klägerin ein drittes Zwischenlager nie betrieben habe und dass der Behördenverdacht über undeklarierte 1000 Tonnen Altbatterien nicht stichhältig gewesen sei. Es hätte sich lediglich bestätigt, dass das Lager der Klägerin in Niederösterreich ohne Genehmigung der Altbatterielagerung geführt worden sei. Unter Einbeziehung einer Prognoseentscheidung wäre der Berufung der Klägerin gegen den Erlaubnisentzug mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge gegeben worden. Die erzwungene Einstellung der Geschäftstätigkeit habe zu einem jährlichen Nettoverlust der Klägerin von 2,9 Mio S geführt. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass dem Beklagten wegen der Versäumung der Berufung gegen den Strafbescheid erster Instanz ein anwaltlicher Kunstfehler vorzuwerfen sei. Der geltend gemachte Verdienstentgang sei positiver Schaden. Der Beklagte hafte für den durch seine Unterlassung herbeigeführten Schaden, wenn die Klägerin beweisen könne, dass bei rechtzeitiger Erhebung der Berufung das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit günstig geendet hätte. Der Kausalitätsbeweis obliege der Klägerin. Auch wenn in der verspäteten Berufung des Beklagten nicht darauf hingewiesen worden sei, dass im Verwaltungsstrafverfahren der falsche Geschäftsführer der Klägerin bestraft worden sei, hätte der Unabhängige Verwaltungssenat über die Berufung dahin entschieden, dass es nur auf den abfallrechtlichen Geschäftsführer ankomme. Wenn die dritte Verwaltungsstrafe nicht in Rechtskraft erwachsen wäre, hätte die Berufungsbehörde im Erlaubnisentzugsverfahren der Berufung der Klägerin Folge geben müssen. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei anzunehmen, dass die Berufungsbehörde an der Verlässlichkeit des abfallrechtlichen Geschäftsführers keine begründeten Zweifel gehabt hätte und dass es zu keiner negativen Prognoseentscheidung gekommen wäre. Es sei aber erst durch die später von der Klägerin erwirkte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt worden, dass nur das Verhalten des abfallrechtlichen Geschäftsführers maßgeblich sei. Bei der Prüfung des hypothetischen Verfahrensausganges sei zu berücksichtigen, dass der Klägerin rechtliches Gehör zu gewähren gewesen wäre. Von den erhobenen Vorwürfen hätte sich lediglich der bestätigt, dass das Zwischenlager in Niederösterreich ohne die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betrieben worden sei. Dies allein hätte noch nicht zu einer negativen Prognose geführt. Die Pflichtverletzung des Beklagten sei für den eingetretenen Schaden kausal. Ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden der Klägerin sei nicht gegeben. Das Verhalten des handelsrechtlichen Geschäftsführers im Umgang mit Behörden sei zwar nicht kooperativ gewesen, hätte aber noch keinen Grund dargestellt, der Klägerin die Sammelbefugnis zu entziehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde. Es beurteilte den Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass im "Regressprozess" zu prüfen sei, inwieweit durch pflichtgemäßes Verhalten des Rechtsanwalts die "Prozessniederlage" abgewendet hätte werden können. Es sei festzustellen, wie eine "richtige Entscheidung" ausgefallen wäre. Das Erstgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass im Verwaltungsstrafverfahren der Unabhängige Verwaltungssenat der Strafberufung stattgegeben hätte. Zur hypothetischen Entscheidung des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie als Berufungsinstanz im Erlaubnisentziehungsverfahren stehe nicht fest, wie die Behörde zweiter Instanz entschieden hätte, wenn sie sich nicht auf eine dritte Verurteilung des gewerberechtlichen Geschäftsführers hätte stützen können. Nach den Feststellungen stehe lediglich fest, dass ein ergänzendes Verfahren eingeleitet worden wäre, in dem der Klägerin rechtliches Gehör eingeräumt worden wäre. Nach § 15 Abs 3 erster Satz AWG sei die Verlässlichkeit des Abfallsammlers zu prüfen gewesen. Die Berufungsinstanz hätte im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen strengen Maßstab anlegen müssen. In einer Entscheidung vom 14. 5. 1997 habe der VwGH ausgesprochen, dass die Vorschriften der Gewerbeordnung über die Genehmigungspflicht von Betriebsanlagen zu jenen Bestimmungen gehörten, die dem Schutz der Umwelt dienten. Gegen solche Vorschriften habe die Klägerin und ihr abfallrechtlicher Geschäftsführer verstoßen, indem das Außenlager in Niederösterreich ohne entsprechende Genehmigung betrieben worden sei. Wenn der abfallrechtliche Geschäftsführer nicht unmittelbar im Unternehmen tätig sei, müsse das Unternehmen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für eine entsprechende Organisation sorgen, damit alle mit der Erlaubnis gemäß § 15 AWG verbundenen Rechtsvorschriften eingehalten werden. Der abfallrechtliche Geschäftsführer der Klägerin habe über das Lager keine Auskünfte geben können. Dies sei in seinen Aufgabenbereich gefallen. Bei einem solchen Sachverhalt wäre die Entscheidung der Berufungsinstanz im Entziehungsverfahren für die Klägerin negativ ausgegangen. Die Unterlassung der Berufung im Verwaltungsstrafverfahren durch den Beklagten stehe also nicht im Kausalzusammenhang mit dem Entzug der Sammelbefugnis.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage erheblicher Bedeutung zur Anwaltshaftung vorliege.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Beklagte beantragt (erkennbar und primär), die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die Revisionsausführungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Berufungsgericht hätte seine vom Erstgericht abweichende Rechtsmeinung mit den Parteien erörtern und der Klägerin unter Anleitung nach § 182 ZPO Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen geben müssen. Der abfallrechtliche Geschäftsführer hätte gehört werden müssen. Aus vorgelegten Urkunden gehe hervor, dass der Klägerin nach der Abberufung des handelsrechtlichen Geschäftsführers schon am 17. 9. 1992 eine befristete und in der Folge auch eine unbefristete Sammelerlaubnis erteilt worden sei, dass also der abfallrechtliche Geschäftsführer der Klägerin von der Verwaltungsbehörde als verlässlich angesehen wurde, ohne dass sich im Übrigen an den Tatsachengrundlagen etwas geändert hätte. Beim Lager der Klägerin in Niederösterreich seien nur geringfügige Zusatzmaßnahmen vorgeschrieben worden. Das Verwaltungsstrafverfahren sei am 8. 8. 1994 lediglich mit einer Ermahnung beendet worden. Die Verfahrensergänzung sei zum wesentlichen Thema der Verlässlichkeit im Sinne des § 15 AWG erforderlich.

Mit der Rechtsrüge strebt die Revisionswerberin die Feststellung eines hypothetischen Ausgangs der Verwaltungsverfahrens an, dass die Erlaubnis zur Abfallsammlung nicht entzogen worden wäre. Dies gehe schon aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs und aus den Umständen hervor, dass der abfallrechtliche Geschäftsführer nicht vorbestraft gewesen sei und das Zwischenlager in Niederösterreich keinerlei Risiko dargestellt habe. Wenn der Unabhängige Verwaltungssenat über rechtzeitige Berufung des Geschäftsführers die Verwaltungsstrafe behoben hätte, wäre die Entscheidung im Entziehungsverfahren anders ausgefallen. Die vom Berufungsgericht herangezogenen Vorentscheidungen des VwGH seien nicht anwendbar, weil sie nach dem fiktiven Entscheidungszeitpunkt 14. 8. 1992 (d.i. der Tag der Berufungsentscheidung) stammten. Nach der AWG-Novelle 1998 führten bloße Formalverstöße nicht mehr zur Beurteilung fehlender Verlässlichkeit. Es könne der Berufungsinstanz - im Gegensatz zur voreingenommenen Verwaltungsbehörde erster Instanz - nicht unterstellt werden, dass sie trotz Wegfalls des Großteils der Verdächtigungen (Diskrepanz zwischen Lagermenge und Begleitscheinen; Genehmigung des Zwischenlagers in Niederösterreich) nicht zu Gunsten der Klägerin entschieden hätte. Dies hätte im Übrigen der Beklagte zu beweisen.

2. Vor Behandlung der Revisionsausführungen ist zu den allgemeinen Grundsätzen der auf § 1299 ABGB zu stützenden Anwaltshaftung Folgendes auszuführen:

Eine Unterlassung ist für den konkreten Schaden dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten Handlung den Eintritt des Schadens verhindert hätte und diese Handlung auch möglich gewesen wäre. Die Kausalität ist demnach zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (SZ 70/95; RS0022913). Die Beweislast dafür, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten auch im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB (1 Ob 116/01t mwN; RS0022900; RS0022686). Auch im Schadenersatzprozess gegen einen Rechtsanwalt trifft den Geschädigten die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten (hier bei rechtzeitiger Erhebung einer Berufung gegen die über den Geschäftsführer verhängte Verwaltungsstrafe) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (1 Ob 151/01i mwN).

Die Frage, ob der Klägerin durch einen Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, hängt vom mutmaßlichen Verlauf und Ausgang des Vorverfahrens ab, wenn der Anwalt pflichtgemäß gehandelt hätte. Dabei ist darauf abzustellen, wie die Behörde im Vorverfahren richtigerweise entscheiden hätte müssen (1 Ob 151/01i mwN).

3. Die Revisionsausführungen gehen von einem schadensstiftenden kausalen Einfluss der dritten Verwaltungsstrafe aus. Eine solche Kausalität wurde aber zumindest für die Einleitung des Verwaltungsverfahrens über die Entziehung der Sammelbefugnis nicht festgestellt. Das Erstgericht hat vielmehr ausdrücklich festgehalten, dass die dritte Verwaltungsstrafe für die am 23. 7. 1992 mündlich verkündete Entziehung der Befugnis keine Rolle spielte und auch für die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung nach § 64 Abs 2 AVG nicht ausschlaggebend war. Die Verwaltungsbehörde erster Instanz vermutete einen Fehlbestand einer größeren Menge für die Umwelt gefährlicher Altbatterien und hatte von der Klägerin durch beide Geschäftsführer und auch von deren Rechtsvertreter (dem Beklagten) keine ausreichenden Erklärungen erhalten. Nur die festgestellten, in die Sphäre der Klägerin fallenden Umstände waren Anlass für die Einleitung des Entziehungsverfahrens durch die nach Ansicht der Revisionswerberin voreingenommene Verwaltungsbehörde erster Instanz. Der Beklagte hat weder die tatsächlichen Verhältnisse im Bereich der Klägerin noch die Behördenpraxis (also auch ihre erst durch spätere Rechtsprechung des VwGH korrigierte Rechtsmeinung über die Maßgeblichkeit auch des Verhaltens des handelsrechtlichen Geschäftsführers) zu vertreten. Die Sorgfaltsverletzung des Beklagten konnte nur dadurch schadenskausal werden, dass die Berufungsinstanz wegen eingetretener Rechtskraft der dritten Verwaltungsstrafe des Geschäftsführers von einer zwingend anzunehmenden Unverlässlichkeit im Sinne des § 15 Abs 3 AWG ausging, sodass keine weitere Prüfung und Prognose über das künftige Verhalten des Abfallsammlers anzustellen war (VwGH 28. 3. 1996, 95/07/0195 = RdU 1998/97) und die Richtigkeit des von der Verwaltungsbehörde erster Instanz angenommenen Sachverhalts von der Berufungsbehörde tatsächlich auch nicht geprüft wurde. Im Schadenersatzprozess kann daher nur die Frage entscheidungswesentlich sein, ob der durch die Kündigung der langfristigen Verträge (die schon am 27. 8. 1992 ausgesprochen wurde) entstandene Schaden auch entstanden wäre, wenn der Beklagte rechtzeitig und erfolgreich gegen den Strafbescheid Berufung erhoben hätte.

Diese Frage fällt unter die Behauptungs- und Beweislast der Klägerin. Diese hätte darzulegen gehabt, dass in der kurzen Zeit zwischen dem mündlichen Entziehungsbescheid vom 23. 7. 1992 bis zur Kündigung vom 27. 8. 1992 in einem hypothetischen Berufungsverfahren die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides zur Verfahrensergänzung erreichbar gewesen wäre, dass also die zweite Instanz auch bei einer meritorischen Befassung mit dem Berufungsvorbringen ähnlich rasch entschieden hätte wie bei seiner tatsächlichen Entscheidung, die sich auf eine dritte Verwaltungsstrafe stützen konnte. Nach § 15 Abs 3 zweiter Satz AWG gilt nämlich "keinesfalls als verlässlich" eine Person, die "mindestens dreimal" wegen einer Übertretung von Gesetzen zum Schutz der Umwelt ... bestraft worden ist. Zum Thema der Verfahrensdauer im Berufungsverfahren bei rechtlich richtiger Vorgangsweise hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nichts vorgebracht, obwohl Anhaltspunkte zur Relevanz des Themas durchaus vorlagen, hatte doch der Zeuge Mag. Liszt (der nicht nur an der Gesetzwerdung des AWG mitwirkte, sondern auch Sachbearbeiter im Berufungsverfahren über die Entziehung der Sammelbefugnis der Klägerin war), deponiert, dass die mit drei Verwaltungsstrafen begründete Berufungsentscheidung juristisch einfach war (und deshalb schnell erfolgte). Das Ergebnis der Berufungsentscheidung ohne Vorliegen einer dritten Verwaltungsstrafe sei aber nach Ansicht des Zeugen schwer voraussehbar. Bei der Verlässlichkeitsprüfung hätten die zwei Vorstrafen und die übrigen Umstände, insbesondere die Nichtbekanntgabe eines Zwischenlagers (nach Meinung des Zeugen ein "massiver" Entziehungsgrund) im Rahmen einer Zukunftsprognose geprüft werden müssen. In einer weiteren Aussage skizzierte der Zeuge den hypothetischen Gang des Berufungsverfahrens, wenn keine dritte Verwaltungsstrafe des Geschäftsführers rechtskräftig geworden wäre. Die Berufungsinstanz hätte der Klägerin eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Sachverhaltsgrundlagen für eine Prognoseentscheidung hätten erarbeitet werden müssen. Die Berufungsbehörde hätte Akten beischaffen müssen.

Die Wiedergabe dieser Aussagen dient der Klarstellung des ohnehin offenliegenden Umstandes, dass bei einem notwendigen Eingehen in die Verlässlichkeitsprüfung die Berufungsinstanz nicht ohne weiteres ähnlich rasch entscheiden hätte können, wie dies tatsächlich geschehen ist. Zu dem von der Geschädigten im Schadenersatzprozess zu beweisenden hypothetischen Ausgang des Vorverfahrens mit einer zu unterstellenden richtigen Sachentscheidung gehört auch der Zeitpunkt, zu dem das für die Klägerin günstige Ergebnis im Berufungsverfahren frühestens erreichbar gewesen wäre, weil davon die Beurteilung der Kausalität abhängt. Die Klägerin hätte also auch einen Sachverhalt zur Verfahrensdauer in dem maßgeblichen hypothetischen Berufungsverfahren vorzutragen gehabt und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachweisen müssen, dass bei Einhaltung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrens schon vor der Kündigung der Verträge durch die Vertragspartner der Klägerin eine Entscheidung der Berufungsinstanz zu ihren Gunsten ergangen wäre. Ohne entsprechende Ausführungen zu diesem Thema ist daher - und insofern als Rechtsfrage - nur mehr zu klären, ob schon auf Grund von allgemeinen Erwägungen eine Berufungsentscheidung vor dem 27. 8. 1992 im Sinne eines "richtigen" Berufungsverfahrens mit angemessener Verfahrensdauer zu rechnen war. Die Frage ist zu verneinen:

Nach der Judikatur des VwGH begründen Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, auch dann einen Mangel der Verlässlichkeit nach § 15 Abs 1 AWG, wenn die Zahl der Verstöße nicht mindestens drei beträgt, und auch dann, wenn keine Bestrafung erfolgte. In einem solchen Fall hat die Behörde allein an Hand des § 15 Abs 3 erster Satz AWG die Verlässlichkeit zu prüfen. Anders als im Fall des § 15 Abs 3 zweiter Satz AWG hat die Behörde in einem solchen Fall eine Prognose darüber zu erstellen, ob auf Grund des vom Abfallsammler gesetzten Verhaltens noch anzunehmen ist, dass er die Tätigkeit des Abfallsammlers sorgfältig und sachgerecht ausüben und die gesetzlichen Verpflichtungen vollständig erfüllen wird. Die Begriffe "Qualifikation und bisherige Tätigkeit" erfassen das gesamte Verhalten des Abfallsammlers. Die Lagerung von gefährlichem Abfall in nicht genehmigten Lagern wurde als schwerwiegend angesehen und die Verlässlichkeit deshalb verneint (VwGH 28. 3. 1996, 95/07/0195 = RdU 1998/97). Die Berufungsbehörde hätte bei einer eingehenden meritorischen Prüfung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Bescheids und des Rechtsmittels der Klägerin für eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlagen (durch Aktenbeischaffung) und für die Wahrung des Parteigehörs sorgen müssen (durch Einholung einer Stellungnahme der Klägerin) und dabei berücksichtigen müssen, dass im Sinne der Zielsetzung des AWG und auf Grund dessen abfallpolizeilicher Vorschriften zumindest prima facie ein Fall vorlag, bei dem Gefahr im Verzug wegen Gefährdung der Allgemeinheit zu bedenken war (vgl dazu A. Hauer, Behandlungsaufträge, in Bergthaler/Wolfslehner, Das Recht der Abfallwirtschaft, 238 Rz 6 und die dort zitierte Judikatur des VwGH). Die erforderliche Klärung des Sachverhalts, insbesondere auch der Rolle des abfallrechtlichen Geschäftsführers (dem zumindest teilweise das Verhalten des handelsrechtlichen Geschäftsführers anzulasten wäre, weil er die Behörde auf diesen zur Auskunftserteilung verwiesen hatte), hätte ganz offenkundig einen über den 27. 8. 1992 hinausreichenden Zeitraum erfordert. Gegenteiliges hätte die beweisbelastete Revisionswerberin nachweisen müssen. Sie hat auch nicht vorgebracht, dass ihre Vertragspartner bis zu einer allfälligen Aufhebung des Entziehungsbescheides durch die Berufungsbehörde mit der Kündigung zugewartet hätten.

Die Abweisung des Klagebegehrens ist aus den dargelegten Gründen im Ergebnis zu bestätigen, ohne dass es noch auf die von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilte Rechtsfrage ankommt, wie eine richtige Sachentscheidung im zweiten Rechtsgang des Verwaltungsverfahrens ausgefallen wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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