OGH 13Os8/02

OGH13Os8/0230.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lehr als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Leopold S***** ua wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 9 Vr 530/01 des Landesgerichtes Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Ing. Leopold S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 18. Dezember 2001, AZ 7 Bs 344/01 (ON 413/XIX des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Ing. Leopold S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Ing. Leopold S***** ist beim Landesgericht Wels eine Voruntersuchung wegen der Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB anhängig (Beschluss vom 29. Mai 2001, S 1d des AV-Bogens), weil er dringend verdächtig ist,

als Aufsichtsratsvorsitzender der S***** AG (SI*****) vom 7. April 1998 bis März 2001), ehemaliger Geschäftsführer der S***** GmbH (vom 10. August 1984 bis 25. Mai 1998) sowie de facto-Machthaber der SI***** samt deren nachgeordneten Gesellschaften die Investorengruppe D***** (kurz D*****) und das Bankenkonsortium M***** über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der SI***** und deren Tochterunternehmen getäuscht und dadurch die D***** am 11. Dezember 1998 zum Erwerb von 2,184.740 Stammaktien und 1,537.410 Vorzugsaktien der SI***** (die im Zug einer Kapitalerhöhung ausgegeben wurden) um 396,600.045,24 S, am 22. Juni 1999 zum Erwerb eines weiteren Aktienpaketes von der Alfred S***** Privatstiftung bzw der Brigitte S***** Privatstiftung um mindestens 327,000.000 S sowie das Bankenkonsortium M***** zu einer Kreditgewährung in Höhe von 2,6 Milliarden S verleitet zu haben, wobei die Genannten einen Schaden in zumindest dreistelliger Millionenhöhe erlitten hätten. Dabei soll er seit zumindest 1994 (im Zug oben bezeichneter Tätigkeiten) Scheinrechnungen, denen keine tatsächlichen Leistungen zugrunde lagen, vorerst von der Komplementär GmbH der S***** F*****-M***** GmbH & Co KG und sodann nach Verschmelzung der S***** GmbH mit der SI*****im Mai 1998 von der S***** F*****-M***** GmbH eine Tochtergesellschaft der SI*****, hauptsächlich an die S***** F*****-M***** GmbH in Deutschland sowie die Firma E***** (jeweils mit Sitz in Hechingen) ausgestellt bzw deren Ausstellung veranlasst haben, wodurch eine - vorgetäuschte - Forderung der S***** F*****-M***** GmbH in Höhe von 350,000.000 S aufschien, zu deren Bezahlung von den beteiligten Firmen Blankowechsel deponiert und an verschiedene Banken diskontiert wurden, somit der kurzfristigen Liquiditätsbeschaffung dienten;

weiters steht er in dringendem Verdacht, bis zumindest 2000 eine massive Überbewertung sonstiger Vermögensbestandteile (wie Patentrechte) im Ausmaß von ca 150 Mio S herbeigeführt sowie in den Jahren 1997 bis einschließlich 2000 massiv überhöhte Warenbestände (mit einem Volumen von etwa 163 Mio S) in den Bilanzen der Firma S***** F*****-M***** GmbH veranlasst bzw gedeckt zu haben; sodann soll er von 1998 bis 2000 durch die Vorgabe, von verschiedenen Baufirmen und Handwerksunternehmen an Privatliegenschaften der Firma S***** erbrachte Leistungen seien bei Firmenbaustellen angefallen, Verantwortliche der S***** F*****-M***** GmbH zur Bezahlung dieser privaten Verbindlichkeiten verleitet haben, wodurch der S***** F*****-M***** GmbH ein Schaden von zumindest 2,000.000 S entstanden sei,

sowie im Jänner 2000 den Mitarbeiter Friedrich B***** veranlasst zu haben, überhöhte Lagerzugänge im Lager der Tochterfirma St***** in Aurachkirchen zu buchen, fingierte Unterlagen nach einem Brandereignis (März 2000) im Lager der Firma St***** an Sachverständige und Vertreter diverser Versicherungen vorgelegt und diese Versicherungsunternehmen zu einer a-conto-Zahlung in Höhe von zumindest 180,000.000 S (von im Zivilrechtsweg eingeklagten 303,347.134 S) verleitet zu haben, wodurch das Versicherungsunternehmen in einem mehrstelligen Millionenbetrag geschädigt worden sei.

Der dringende Tatverdacht zum Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB geht dahin, dass der Beschwerdeführer als Aufsichtsratsvorsitzender der SI***** deren Vermögen verringert haben soll, indem er den Kauf der (Ende 1996 noch insolvenzgefährdeten und somit wertlosen) Firma I***** L***** D***** GmbH in mehreren Teilkäufen 1998 und 1999 zum Preis von insgesamt 83,000.000 S bewilligt habe, wogegen ein Drittelanteil, den die Alfred S***** Privatstiftung kurz zuvor um (nur) ca 2,700.000 S von einem Dritten erworben hatte, dann zum Kaufpreis von 33,000.000 S an die SI***** ging und die Gläubiger der SI***** einen jeweils 500.000 S übersteigenden Schaden erlitten hätten.

Ing. Leopold S***** befindet sich im bezeichneten Strafverfahren seit 7. August 2001 (ON 277/XII) aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1, Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und lit b StPO in Untersuchungshaft.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der gegen den Fortsetzungs- und Verlängerungsbeschluss des Untersuchungsrichters vom 19. November 2001 (ON 379/XVIII) gerichteten Beschwerde nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den genannten Haftgründen bis längstens 18. Februar 2002 an.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der zum Einen die unrichtige Beurteilung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr, zum Anderen die Substituierbarkeit des verbleibenden Haftgrundes der Fluchtgefahr durch Erlag einer Kaution moniert wird, kommt keine Berechtigung zu.

Das Oberlandesgericht hat - dem Beschwerdevorbringen zuwider - die Annahme der (durch gelindere Mittel nicht substituierbaren) Tatbegehungsgefahr nicht nur auf die Höhe des herbeigeführten Schadens in zumindest dreistelligem Millionenbetrag sowie die angelastete wiederholte Tatbegehung gestützt, sondern insbesondere auch darauf, dass über Jahre hinweg die Voraussetzungen für eine derartige professionelle Vorgangsweise in den vom Beschwerdeführer de-facto beherrschten Unternehmen geschaffen worden sind und - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Möglichkeit einer weiteren Straffälligkeit innerhalb der Unternehmen der S*****-Gruppe durch die Eröffnung von Konkursverfahren entfällt - in Ansehung ungeklärter Geldflüsse in Millionenhöhe nach wie vor eine Zugriffsmöglichkeit des Beschwerdeführers auf diese Vermögenswerte besteht und damit zutreffend die Gefahr weiterer (qualifizierter) Folgedelinquenz bejaht.

Die Beschwerdeargumentation, der Beschuldigte hätte auf Grund rechtlicher Gegebenheiten keine Zugriffs- oder Dispositionsmöglichkeiten betreffend der in den S***** Privatstiftungen vorhandenen Werte, vermag weder eine mangelhafte Begründung noch eine fehlerhafte Beurteilung des angefochtenen Haftgrundes aufzuzeigen, ist doch der Gerichtshof zweiter Instanz von Malversationen betreffend weiterer, an den Stiftungen vorbeigeführter Geldbeträge und von ungeklärten Geldflüssen ausgegangen und nicht davon, dass das gesamte Vermögen in die Stiftung eingebracht worden ist.

Abgesehen davon, dass die konkrete Befürchtung der Begehung auch anderer Vermögensdelikte außer Betrug durch Aktienvermittlung für die Annahme des Haftgrundes ausreicht, weil hiefür nicht die dringende Gefahr derselben Delinquenz erforderlich ist, vermag die Beschwerde auch keine substantiiellen Umstände aufzuzeigen, die eine Minderung der Tatbegehungsgefahr durch Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen worden ist (§ 180 Abs 3), indizieren könnte. Dass fallbezogen auch der Tatbegehungsgefahr nicht durch gelindere Mittel begegnet werden kann, liegt übrigens auf der Hand. Da bei gegebenem dringendem Tatverdacht dieser Haftgrund allein die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft trägt, erübrigt sich bei Prüfung der Frage einer Grundrechtsverletzung auch noch auf die Substituierbarkeit des weiteren unbestrittenen Haftgrundes der Fluchtgefahr einzugehen (vgl Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24 f; 15 Os 39/01, 15 Os 75/01).

Da die (bisherige) Haftdauer keineswegs unangemessen lang ist, war der Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) der Erfolg zu versagen.

Stichworte