Spruch:
Pap Matarr S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Über Antrag der Journalstaatsanwältin, die ihrerseits fernmündlich von Ergebnissen sicherheitsbehördlicher Erhebungen unterrichtet worden war, denen zufolge der gambische Staatsangehörige Pap Matarr S***** verdächtig war, seit mehreren Monaten in Wien mit Kokain in großen Mengen gewerbsmäßig zu handeln, erließ die Journalrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 8. Oktober 1999, GZ 26 c Vr 8670/99-7, Haftbefehl aus den Haftgründen des § 175 Abs 1 Z 2, 3 und 4 StPO. Eine Ausfertigung des mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehls wurde dem Beschuldigten - entgegen der zwingenden Anordnung in § 176 Abs 1 StPO - nach der vorliegenden Aktenlage bisher nicht zugestellt. Nach dessen Effektuierung um 20.30 Uhr des selben Tages wurde S***** am 10. Oktober 1999 um 18.40 Uhr in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert, aber tags darauf am 11. Oktober um 17.00 Uhr (über Antrag des Staatsanwalts) unter Anwendung gelinderer Mittel nach § 180 Abs 5 Z 1 und 2 StPO wieder freigelassen.
In der Folge wurde die Anzeige wegen § 28 Abs 2 SMG zurückgelegt, das Verfahren wegen § 27 Abs 1 SMG dem Bezirksgericht Hernals abgetreten, welches nach Durchführung von Erhebungen die Anzeige gemäß § 35 SMG vorläufig zurücklegte.
Der gegen die Erlassung des Haftbefehls erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 19. Jänner 2001, AZ 22 Bs 378/00, nicht Folge und sprach aus, dass der angefochtene Beschluss der Journalrichterin dem Gesetz entsprochen hat.
In der dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde behauptet S*****, im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden zu sein, weil die Voraussetzungen für die Erlassung des Haftbefehls am 8. Oktober 1999 nicht vorlagen.
Die Beschwerde ist nicht im Recht.
Rechtliche Beurteilung
Voranzustellen ist, dass die Prüfung der Gesetzmäßigkeit bzw Gesetzwidrigkeit des bekämpften Haftbefehls sowohl durch den Gerichtshof zweiter Instanz als auch durch den Obersten Gerichtshof ausschließlich auf der dem Erstgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt gewesenen Tatsachen zu erfolgen hat.
Der Beschwerde zuwider tragen die vom Oberlandesgericht Wien aktengetreu angeführten Prämissen - in ihrer Gesamtheit betrachtet - sehr wohl den nach §§ 175, 176 StPO (anders als in § 180 Abs 1 StPO) geforderten (bloß) konkreten Tatverdacht wegen des gewerbsmäßigen Inverkehrsetzens von Kokain in einer großen Menge:
So wurde S***** am 8. Oktober 1999 von dem (selbst wegen Suchtgiftdelinquenz festgenommenen) Michel M***** anhand von Lichtbildern als jene Person eindeutig identifiziert, die nach seinen eigenen Beobachtungen im Juni oder Juli 1999 im (einschlägig amtsbekannten) Lehrlingsheim in der Z***** von einem unbekannten Schwarzafrikaner einen Hühnerei ähnlichen, mit weißem Kunststoff umwickelten Gegenstand, in dem "normaler Weise so nur Kokain verpackt wird", übernommen hat. Zudem wurden anlässlich einer Hausdurchsuchung am 29. September 1999 in der Wohnung des (kein Kokain konsumierenden) Beschwerdeführers an dessen Oberbekleidung mittels Drugwipe-Test eindeutig Kokainreste gesichert. Schließlich wurde S***** nach einem Hinweis, dass sich ein Schwarzafrikaner nach Suchtgifthandel dorthin begeben habe, bereits am 3. Dezember 1998 gemeinsam mit zwei anderen Schwarzafrikanern in einem Zimmer des im vierten Wiener Gemeindebezirk gelegenen Hotels "Attache" betreten, wo auf dem Boden verstreute Plastikfolie vorgefunden wurde, wie sie typischerweise zum Abportionieren von Suchtgiftkugeln verwendet wird.
Die Beschwerde wendet dagegen im Wesentlichen nur ein, diese angeführten Umstände könnten den Tatverdacht nicht stützen, zumal der Drugwipe-Test ungeeignet sei, zuverlässige Ergebnisse hervorzubringen, die Oberbekleidung des Beschwerdeführers in der Folge keiner gerichtsmedizinischen Untersuchung unterzogen worden sei und bei der Hausdurchsuchung weder Aufzeichnungen über Suchmittelverkäufe oder Erlöse daraus noch andere belastende Ergebnisse aufgefunden worden seien.
Indes ist dieses Vorbringen ungeeignet, den vom Gerichtshof zweiter Instanz aus einer Gesamtschau der oben dargelegten markanten Verfahrensergebnisse mit Recht abgeleiteten konkreten Tatverdacht in Richtung des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels zu erschüttern oder gar zu widerlegen.
Ausgehend von der rechtsrichtigen Annahme des Tatverdachts hat das Beschwerdegericht aber auch die Haftgründe der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr (§ 175 Abs 1 Z 3 und 4 StPO) - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Haftbefehls - gesetzeskonform beurteilt und begründet.
Was zunächst die Verdunkelungsgefahr anlangt, zieht es zutreffend die Tatsache heran, dass S***** nach seinen eigenen Angaben (deren späterer Widerruf bei der Vernehmung durch den Untersuchungsrichter ändert - entgegen der Beschwerdeansicht - daran nichts) anlässlich der Hausdurchsuchung am 29. September 1999 in einer Filmdose (wenngleich zum Eigenkonsum) verwahrtes Marihuana im WC beseitigt hatte und das erwähnte Hühnerei ähnliche Gefäß nicht aufgefunden wurde. Es war aber auch die Gefahr weiterer Kollusion bezüglich ihn belastender, noch nicht ausgeforschter Suchtgiftlieferanten und -abnehmer konkret zu befürchten. In diesem Zusammenhang ist nicht unerheblich - wie die Beschwerde meint -, dass S***** dazu neigt, seine wahre Identität zu verschleiern (vgl S 285 f des angefochtenen Beschlusses).
Den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr schließlich gründet das Beschwerdegericht gleichfalls auf bestimmte Tatsachen, nämlich auf die sichergestellten Kokainspuren auf der Oberbekleidung, die Bekundungen des Michel M***** und die Betretung im Hotel "Attache", welche im Kontext gesehen, seinerzeit den berechtigten Schluss auf Begehung weiterer Suchtgiftdelikte zuließen.
Es erübrigt sich somit, auf die weiteren Beschwerdeausführungen zum Haftgrund der Fluchtgefahr einzugehen.
Die unterbliebene Zustellung einer mit Gründen versehenen Ausfertigung des schriftlichen Haftbefehls, was ungerügt geblieben ist, stellt eine - wenngleich nicht funktionell grundrechtsrelevante - Gesetzesverletzung dar.
Da Pap Matarr S***** sohin im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenersatzanspruch (§ 8 GRBG) - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29. November 2000, GZ 13 Os 133/00-6, mit der eine gleichgelagerte Grundrechtsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen wurde - als unbegründet abzuweisen, weil durch den Beschluss des Oberlandesgerichtes ein grundrechtsrelevanter Eingriff der Journalrichterin als gesetzeskonform beurteilt wurde.
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