OGH 2Ob8/02v

OGH2Ob8/02v28.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Jörg B*****, gegen die beklagte Partei Stefan M*****, wegen Unterlassung (Streitinteresse EUR 2.180,19) über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Oktober 2001, GZ 35 R 288/01i‑6, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 6. April 2001, GZ 8 C 318/01y‑2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:0020OB00008.02V.0128.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

 

Der Kläger brachte mit der am 5. 4. 2001 eingebrachten und mit S 30.000 (nunmehr EUR 2.180,19) bewerteten Klage vor, in 1060 Wien vor dem Haus M***** (seiner Wohnadresse) einen durch das Verkehrszeichen "Halten verboten, ausgenommen Behinderte gem. § 29b [StVO] für das Kennzeichen W *****" gekennzeichneten Parkplatz "zu besitzen". Am 20. 3. 2001 habe auf diesem Parkplatz der der beklagten Partei gehörige PKW mit dem Kennzeichen W ***** zwischen 21.52 Uhr und 21.55 Uhr (sohin für die Dauer von drei Minuten) geparkt, wodurch der Kläger in seinem ausschließlichen Recht auf Benützung desselben gestört worden sei, weil ihm das Parken auf dem (ausschließlich) ihm zugeteilten Parkplatz nicht möglich gewesen sei. Er habe daher ein rechtliches Interesse, dass die beklagte Partei das Parken auf diesem Parkplatz unterlasse, wobei ein erneutes Zuwiderhandeln durchaus möglich sei, sodass auch Wiederholungsgefahr bestehe. Der Kläger stellte daher das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, mit dem ihr gehörigen Fahrzeug den Parkplatz des Klägers zu benützen.

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges nach § 42 JN zurück, weil der Anspruch gerichtet auf das bevorzugte Benützen eines Straßenstückes aus dem öffentlichen Recht (nämlich § 29b iVm § 43 Abs 1 lit d StVO) stamme, und nur dort, wo dieses dem einzelnen einen privatrechtlichen Anspruch (§ 1 JN) einräume, die ordentlichen Gerichte angerufen werden könnten.

Das Rekursgericht gab dem vom Kläger erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht jedoch S 260.000 übersteige und der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus, dass die Einräumung eines "Behindertenparkplatzes" nach den Bestimmungen der StVO auf Verordnungen beruhe, also Akten des öffentlichen Rechtes, dem Kläger jedoch keine Sondernutzung des öffentlichen Grundes (der Straße) aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung (etwa) mit dem Eigentümer desselben (Bund, Land, Gemeinde) zustehe. Es sei daher auch nur die (Verwaltungs‑)Behörde dazu verhalten, dem Kläger die ihm eingeräumte Sondernutzung dadurch zu verschaffen, dass sie für die Freihaltung des ihm eingeräumten "Behindertenparkplatzes" sorge. Dass die Einhaltung und Durchsetzung dieses Sonderrechtes für einen privaten Nutzer den Gerichtsbehörden zu überantworten sei, lasse sich dem Gesetz (der StVO) nicht entnehmen. Vielmehr bedürfte es dazu einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, sodass auch nicht der Umkehrschluss gezogen werden dürfe, mangels Verweisung durch Gesetze vor andere Behörden sei hiefür jedenfalls die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen im Sinne des § 1 JN zuständig. "In Wahrheit" sei vielmehr davon auszugehen, dass dann, wenn eine Behörde einem Einzelnen eine private Sondernutzung am öffentlichen Gut einräume, diese auch dafür zu sorgen habe, dass dem aus der Verordnung Berechtigten in gleicher Weise, nämlich durch die Verwaltungsbehörde, auch Rechtsschutz zuteil werde.

Zur Wertbemessung des Entscheidungsgegenstandes führte das Rekursgericht aus, dass der Kläger nicht nur für die Einräumung der Sondernutzung am öffentlichen Gut zu zahlen habe, sondern auch im Falle der Wertlosigkeit der ihm durch Verordnung eingeräumten Berechtigung immer wieder auf Fahreuge des Taxigewerbes angewiesen sei. Der Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges solcher Unterlassungsklagen keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege und andererseits wegen allfälliger ähnlich gelagerter Unterlassungs‑ oder Besitzstörungsklagen die Bedeutung weit über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, diese abzuändern bzw aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des ordentlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Nach Auffassung des Rechtsmittelwerbers sei der geltend gemachte Unterlassungsanspruch "zivilrechtlicher" Natur, sodass hiefür auch die ordentlichen Gerichte zuständig seien. Es stünden im zu beurteilenden Fall einander auch zwei gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüber, ohne dass es darauf entscheidend ankommen könne, ob dem Kläger das nunmehr verfochtene Recht privat‑ oder öffentlich‑rechtlich eingeräumt worden sei. Die Verwaltungsbehörde müsste ‑ um einen zivilrechtlichen Anspruch verneinen zu können - dem Kläger "adäquaten Rechtsschutz" gewähren, der dem Unterlassungsanspruch an Effizienz gleichkomme. Der Anspruch des Klägers falle daher gemäß § 1 JN in die Zuständigkeit der ordentliche Gerichte.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zufolge Fehlens einschlägiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu einem Klagebegehren betreffend einen "Behindertenparkplatz" zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Zunächst ist vorauszuschicken, dass der Oberste Gerichtshof an die vom Rekursgericht vorgenommene und über dem Schwellenwert des § 528 Abs 2 Z 1 ZPO liegende Bewertung des Entscheidungsgegenstandes ‑ obzwar dieser vom Kläger selbst mit einem darunter liegenden Betrag beziffert worden war - gebunden ist, weil keine zwingende Bewertungsvorschrift verletzt wurde (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 500; MGA JN‑ZPO15 E 42 zu § 500).

Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist gegeben, wenn es sich um einen privatrechtlichen Anspruch handelt und die Entscheidung darüber nicht durch Gesetz an eine andere Behörde verwiesen wurde (§ 1 JN; RIS‑Justiz RS0045438; 2 Ob 215/01h mwN). Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend; maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0045584, RS0005896; Ballon in Fasching I3 Rz 72 zu § 1 JN). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof auch bereits mehrfach erkannt, dass es für die Abgrenzung gerichtlicher oder verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit allein darauf ankommt, ob der Kläger sein Begehren auf einen Privatrechtstitel oder (bloß) auf die Verletzung eines nach öffentlich‑rechtlichen Vorschriften eingeräumten Benützungsrechtes stützt (RIS‑Justiz RS0046111); demgemäß gehören (nur) Privatrechtssachen vor die (ordentlichen) Gerichte, öffentlich‑rechtliche Sachen hingegen vor die Verwaltungsbehörden (Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 5 vor § 1 JN).

Im vorliegenden Fall stützt der Kläger seinen mit der Klage verfolgten Anspruch gerade nicht auf einen privatrechtlichen Titel, sondern auf ein ihm von der Verwaltungsbehörde eingeräumtes Benützungsrecht und damit nicht auf die Verletzung des Eigentumsrechtes oder einen allenfalls schuldrechtlich eingeräumten Benützungstitel (Bestandvertrag oä) im Sinne eines vertraglich eingeräumten Sondergebrauchsrechtes am öffentlichen Gut (vgl hiezu etwa 8 Ob 400/97z und Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 16 zu § 1090).

Durch die mit der 6. StVO‑Novelle BGBl 1976/412 neu eingeführten Sonderrechte für gehbehinderte Personen im § 29b StVO sollte die Verwaltungsbehörde mit der geschaffenen Verordnungsermächtigung die Möglichkeit erhalten, für Kraftfahrzeuge "dauernd stark gehbehinderter Personen" im notwendigen Ausmaß Parkraum freizuhalten (RV 23 BlgNR 14. GP , 26 und 27). Nach § 43 Abs 1 lit d StVO sind die entsprechenden Straßenstellen durch ein Halteverbot freizuhalten, wobei dies unter Umständen auch für ein bestimmtes Kraftfahrzeug unter Angabe des Fahrzeugkennzeichens auf einer Zusatztafel verordnet werden kann (Messiner, StVO10 Anm 12 zu § 43; ZVR 1996/3 [VwGH]). Wird dennoch ein Fahrzeug ohne Ausweis nach § 29b Abs 4 StVO auf einem derartigen gemäß § 43 Abs 1 lit d StVO freizuhaltenden Abstellplatz abgestellt oder wird der Inhaber eines solchen Ausweises am Zufahren zu einem solchen Abstellplatz gehindert, dann führt dies zur Veranlassung der Entfernung des verkehrsbehindernden Fahrzeuges ohne weiteres Verfahren durch die Behörde nach § 89a Abs 2a lit d StVO (vgl hiezu auch Messiner, Die 18. StVONov, ZVR 1993, 299 [insbes 301]). Schon aus diesen maßgeblichen Bestimmungen der StVO folgt, dass die Auffassung der Vorinstanzen, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch falle nicht in die Zuständigkeit der Gerichte, nicht zu beanstanden ist, weil die Erlassung einer zugesicherten (öffentlich‑rechtlichen) Verkehrsbeschränkung ebensowenig im Rechtsweg erzwungen werden kann (ZVR 1960/9; Ballon, aaO Rz 203 [dort unrichtig zitiert als ZVR 1959/9]) wie der Rechtsweg für Klagen wegen Behinderung oder Störung in der Benützung einer öffentlichen Straße eröffnet ist (Ballon, aaO mwN). Demgemäß begründete die Zusatztafel zugunsten des Klägers für "seine" Fahrzeugnummer nur einen öffentlich‑rechtlichen Benützungstitel der zugehörigen Verkehrsfläche, nicht aber ein Privatrechtsverhältnis. Gegenüber einem allfälligen Störer kann somit auch kein Unterlassungsanspruch vor den Gerichten, sondern nur eine Anzeige nach den zitierten Verwaltungsnormen eingebracht werden.

Da somit das gesamte Bewilligungs‑, Ausführungs‑ und Sanktionsverhalten der zuständigen Verwaltungsbehörde nach den zitierten Bestimmungen der StVO ausschließlich hoheitlich gestaltet ist und sich ein Anspruch privatrechtlicher Natur, über den die Zivilgerichte (hier im streitigen Verfahren) zu entscheiden hätten, daraus somit nicht ableiten lässt, haben die Vorinstanzen für die Klage zutreffend den Rechtsweg nach § 1 JN verneint.

Dem Rechtsmittel der klagenden Partei ist damit ein Erfolg zu versagen.

 

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