Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 26.935,20 (darin S 4.489,20 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Rückerstattung von S 235.507,85 sA an erbrachten Zahlungen zur Abgeltung von ambulanten Behandlungsleistungen für diverse Patienten in einem Krankenhaus im Zeitraum 1993 - 1996 mit der Begründung, die Beklagte habe als Rechtsträgerin dieses Krankenhauses diese Behandlungsleistungen zu Unrecht in Rechnung gestellt, weil die betreffenden Patienten zur gleichen Zeit in einem anderen Krankenhaus in Oberösterreich stationär behandelt worden seien; auf diese unzulässige Doppelverrechnung sei die Klägerin erstmals im März 1998 aufmerksam geworden, worauf die Beklagte S 199.068,50 anerkannt habe. Zahlungen seien dennoch nicht geleistet worden. Das Klagebegehren werde einerseits auf den Titel der Bereicherung gestützt, weil die Klägerin irrtümlich eine Nichtschuld geleistet habe, des weiteren aber auch auf den Titel des Schadenersatzes, weil die Beklagte die Klägerin durch Vorlegen von Ambulanzrechnungen für Patienten, die sich in stationärer Behandlung befunden hätten bzw zum angegebenen Zeitpunkt in einem anderen Krankenhaus stationär behandelt worden seien, am Vermögen geschädigt habe, wobei das ausschließliche Interesse der Beklagten in ihrer Bereicherung bestanden habe. Schließlich werde das Klagebegehren auch auf das erwähnte Anerkenntnis gestützt. Neben dem Leistungsbegehren strebte die Klägerin auch die Feststellung an, dass die Beklagte für den Zeitraum 1. 3. 1968 bis 31. 12. 1992 für sämtliche unzulässigen Doppelverrechnungen von Behandlungsleistungen während eines stationären Aufenthaltes eines Patienten als Ambulanzbehandlung hafte, was mit umfangreichen Ermittlungs- und Recherchearbeiten begründet wurde; es sei noch nicht absehbar, wie lange diese Arbeiten dauern würden.
Die Beklagte trat diesem Begehren nicht nur inhaltlich entgegen, sondern wendete insbesondere die Unzulässigkeit des Rechtsweges mit dem Argument ein, zwischen allen Rechtsträgern öffentlicher Ordensspitäler in Oberösterreich, also auch der Beklagten, und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger sei ein Ambulanzvertrag abgeschlossen worden, der eine Schiedsklausel vorsehe, wonach über einen Streitfall aus diesem Vertrag auf Antrag einer der Vertragsparteien die Schiedskommission nach § 44a oöKAG 1976 zu entscheiden habe. Auch die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin seien daher vor dieser Schiedskommission zu verhandeln.
Hierauf replizierte die Klägerin, nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes umfasse der Aufgabenbereich der erwähnten Schiedskommission nicht Streitigkeiten, die auf einem konkreten Leistungsbegehren beruhten; der Umfang der Entscheidungsbefugnis der Schiedskommission beziehe sich lediglich auf Streitigkeiten über die Anwendung und Auslegung des Vertrages.
Das Erstgericht wies die Klage zurück, wobei es auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 7 Ob 17/00a verwies, wonach die Schiedskommission nach der Ergänzung bzw der Neufassung des § 73 Abs 1 lit b krntKAO über alle Streitigkeiten (also auch wenn ein konkretes Leistungsbegehren vorliege) aus zwischen den Krankenanstaltenträgern und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger abgeschlossenen Verträgen zu entscheiden habe. Dies gelte auch im vorliegenden Fall.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen wurde. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs - mangels erheblicher Rechtsfragen - nicht zulässig sei, und führte folgendes aus:
Es sei zwischen den Parteien unstrittig, dass in dem zwischen ihnen am 30. 9. 1987 abgeschlossenen Ambulanzvertrag in § 11 unter dem Titel "Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten" die Zuständigkeit der Schiedskommission nach dem oöKAG für den Fall vereinbart worden sei, dass über die Durchführung dieses Vertrages oder einzelner Vertragspunkte zwischen dem Rechtsträger und einem Versicherungsträger das Einvernehmen nicht erzielt werden könne. Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall geltend gemachten Ansprüche der Klägerin könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um Angelegenheiten der Durchführung des Vertrages oder einzelner Verträge handeln würde, würden doch bereicherung- bzw schadenersatzrechtliche Ansprüche bzw Ansprüche aufgrund eines Anerkenntnisses geltend gemacht. Dem Rechtsstandpunkt der Beklagten und des Erstgerichts, die erwähnte Schiedsklausel des § 11 des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Ambulanzvertrages sehe eine ausschließliche Zuständigkeit der Schiedskommission vor und würde die Klägerin an der Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges hindern, vermöge sich der Rekurssenat nicht anzuschließen.
Nach § 69 Abs 1 oöKAG 1997 seien die Beziehungen der Versicherungsträger zu den Rechtsträgern der Fondskrankenanstalten durch privatrechtliche Verträge zu regeln. Nach § 71 leg cit habe die nach § 70 leg cit eingerichtete Schiedskommission ua die Aufgabe, über Streitigkeiten aus zwischen den Rechtsträgern der Fondskrankenanstalten und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger oder einem Träger der Sozialversicherung abgeschlossenen Verträgen einschließlich der Entscheidung über die aus diesen Verträgen erwachsenen Ansprüche gegenüber Trägern der Sozialversicherung oder gegenüber dem oö Krankenanstaltenfonds zu entscheiden. Diese Bestimmung unterscheide sich gegenüber ihrer Vorgängerbestimmung, nämlich dem § 44 Abs 3 oöKAG 1976, durch die eingefügte Wortfolge "einschließlich der Entscheidung über die aus diesen Verträgen erwachsenen Ansprüche gegenüber Trägern der Sozialversicherung oder gegenüber dem oö Krankenanstaltenfonds", wobei diese Ergänzung bzw Neufassung ganz offensichtlich auf der gemäß Art 15a B-VG zwischen den Bund und den neun Bundesländern geschlossenen Vereinbarung über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 fuße, deren Art 12 Abs 1 Z 2 einen entsprechenden Wortlaut habe. Diese Beifügung könne nicht anders interpretiert werden, als dass nun alle Streitigkeiten aus zwischen den Krankenanstaltenträgern und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger (oder einem Träger der sozialen Krankenversicherung) abgeschlossenen Verträge durch die in den Ländern bei den Ämtern der Landesregierungen errichteten Schiedskommissionen zu entscheiden seien (7 Ob 17/00a). Allerdings könne auch daraus für den Rechtsstandpunkt der Beklagten und des Erstgerichts nichts gewonnen werden:
Gehe man davon aus, dass vorliegendenfalls noch die Regelungen des oöKAG 1976 anwendbar wären, müsste auf die (nunmehr veraltete) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verwiesen werden, wonach die Beziehungen zwischen den Rechtsträger einer öffentlichen Krankenanstalt und einem Sozialversicherungsträger bezüglich des Verpflegungskostenersatzes in einer Art geregelt seien, der zufolge sie dem Privatrecht zuzuordnen seien; zwar entschieden über Streitigkeiten aus deren Verträgen die Schiedskommissionen, doch seien die ordentlichen Gerichte zuständig, sobald ein konkretes Leistungsbegehren vorliege. Gehe man aber davon aus, dass das oöKAG 1997 mit 15. 11. 1997 in Kraft getreten sei, die Regelung der Kompetenzen der Schiedskommission eine verfahrensrechtliche Bestimmung sei und § 103 oöKAG 1997 insofern keine Übergangsvorschriften enthalte, sei für die Frage nach dem Aufgabenbereich der Schiedskommission die jeweils geltende Fassung der Kompetenzregelung, derzeit also § 71 oöKAG 1997 maßgeblich (vgl wiederum 7 Ob 17/00a). In diesem Fall müsste dann aber berücksichtigt werden, dass auch nach der neuen Rechtslage nur Streitigkeiten aus den abgeschlossenen Verträgen von den Schiedskommissionen zu entscheiden seien. Im vorliegenden Fall begehre die Klägerin jedoch Rückersatz von Leistungen, die sie aufgrund des abgeschlossenen Vertrages - nach ihren Behauptungen zu Unrecht und irrtümlicher Weise - an die Beklagte geleistet habe. Dabei handle es sich aber um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gemäß § 1431 ABGB, dessen Berechtigung zwar unter Bedachtnahme auf den abgeschlossenen Vertrag zu prüfen sei, bei welchem Anspruch es sich jedoch nicht um einen Anspruch aus dem Vertrag handle. Dazu komme noch, dass die Klägerin ihr Klagebegehren auch auf den Titel des Schadenersatzes stütze und - wohl etwas verklausuliert - der Beklagten eine bewusste Vermögensschädigung durch (wohl) betrügerische Handlungen vorwerfe. Ein derartiger Anspruch ließe sich aber erst recht nicht damit begründen, dass er aus dem abgeschlossenen Vertrag resultiere. Zuletzt sei noch zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihren Anspruch jedenfalls hinsichtlich eines Teilbetrages von S 199.068,50 auf ein Anerkenntnis stütze.
Für die Zulässigkeit des Rechtsweges sei die Natur des geltend gemachten Anspruches und nicht die Beschaffenheit seines Rechtsgrundes maßgeblich; dabei seien zur Beurteilung der Natur des geltend gemachten Anspruches in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Gehe man aber davon aus, dass die Klägerin nicht einen Anspruch aus dem bereits mehrfach erwähnten Vertrag, sondern aus dem Titel der Bereicherung, des Schadenersatzes und des Anerkenntnisses geltend mache, dann habe sich das Erstgericht bei Fassung des nunmehr angefochtenen Beschlusses und der Annahme der Unzulässigkeit des Rechtsweges für die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin zu Unrecht auf die vom ihm zitiere Entscheidung 7 Ob 17/00a gestützt, weil nach dem allein maßgeblichen Wortlaut des Klagebehrens und des Klagssachverhaltes kein Anspruch aus dem Vertrag geltend gemacht werde, sondern Ansprüche privatrechtlicher Natur.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise abzuweisen.
Der Revisionrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat; er ist auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, Streitigkeiten zwischen Spitalsträgern und Sozialversicherungsträgern über Ambulanzleistungen seien auch dann vor den Schiedsgerichten nach den Krankenanstaltengesetzen auszutragen, wenn Ansprüche auf Bereicherung, Schadenersatz sowie Anerkenntnis gestützt werden, die ihre Grundlage in einem bestehenden Ambulanzvertrag haben.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist gegeben, wenn es sich um einen privatrechtlichen Anspruch handelt und die Entscheidung darüber nicht durch Gesetz an eine andere Behörde verwiesen wurde (Mayr in Rechberger**2 vor § 1 JN Rz 4, 5 mwN; 7 Ob 17/00a = EvBl 2000/189; RIS-Justiz RS0045438 T2). Sowohl der zu 7 Ob 17/00a geltend gemachte Anspruch auf vertragliche Leistung als auch der hier eingeklagte Anspruch aus Bereicherung, Schadenersatz bzw Anerkenntnis sind privatrechtlicher Natur. Der vom Rekursgericht dargestellte Gegensatz zwischen Ansprüchen aus dem Vertrag und Ansprüchen privatrechtlicher Natur besteht nicht. Es stellt sich somit nur noch die Frage, ob die Verweisung an die Schiedskommission (ein Tribunal im Sinn des Art 6 MRK; vgl 7 Ob 17/00a) gemäß § 71 oöKAG 1997 den eingeklagten Anspruch umfasst. Diese Verweisung erstreckt sich auf alle Streitigkeiten aus den zwischen den Rechtsträgern der oö Krankenanstalten und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger oder einem Träger der Sozialversicherung abgeschlossenen Verträgen (vgl neuerlich 7 Ob 17/00a). Aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Ambulanzvertrag entspringen aber nicht nur Ansprüche auf Erbringung der vertragsgemäßen Leistung, sondern auch auf Rückzahlung einer in vermeintlicher Vertragserfüllung geleisteten Überzahlung, aus dem Anerkenntnis einer solchen Rückzahlungsverbindlichkeit und auf vertraglichen Schadenersatz. Immer handelt es sich hier um Streitigkeiten, die ihre Wurzel im selben Rechtsverhältnis haben. Demgegenüber würde die Ansicht des Rekursgerichts zum wenig überzeugenden Ergebnis führen, dass Meinungsverschiedenheiten über vertragliche Verrechnungen vor der Schiedskommission auszutragen wären, wenn Zahlung begehrt wird, hingegen vor den ordentlichen Gerichten, wenn nach erfolgter Zahlung eine Überzahlung geltend gemacht wird.
Auch die Klagsforderung gehört somit vor die Schiedskommission. Der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts war demnach wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO.
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