OGH 2Ob328/01a

OGH2Ob328/01a10.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Jürgen Amann und Dr. Alexander Jehle, Rechtsanwälte in Rankweil, wider die beklagte Partei Elmar K*****, vertreten durch Dr.Clement Achammer und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Euro 53.559,88 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. September 2001, GZ 1 R 186/01i-15, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. Mai 2001, GZ 8 Cg 282/00y-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit Euro 4.023,66 (darin enthalten USt Euro 670,61, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten, der ihr Gesellschafter ist, die Zahlung von S 737.000 sA mit der Begründung, der Beklagte habe unberechtigt von ihrem Geschäftskonto einen Betrag in dieser Höhe auf sein eigenes Konto überwiesen.

Der Beklagte wendete ein, es stünde ihm bei einem geschätzten Gewinn der klagenden Partei für die Jahre 1999 und 2000 von je S 4,000.000 eine weit höhere Entnahme als der Klagsbetrag zu. Weiters sei nach dem Gesellschaftsvertrag für die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten die Zustimmung der Generalversammlung mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen erforderlich. Es gebe keinen Beschluss der Generalversammlung oder auch nur eines Minderheitsgesellschafters, der eine Zustimmung zu diesem Rechtsstreit bedeuten würde.

Die klagende Partei replizierte darauf, es liege ein Umlaufbeschluss der Gesellschafter vor. Außerdem habe der zweite Gesellschafter der Klagseinbringung konkludent und mündlich zugestimmt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei folgende Feststellungen getroffen wurden:

Gesellschafter der klagenden Partei sind und waren am 7. 11. 2000 Dipl.-Kfm. Dr. R***** E***** und der Beklagte mit einer Stammeinlage von je S 250.000.

Geschäftsführer ist Florian N*****, der seit 28. 1. 2000 die klagende Partei selbständig vertritt.

Die Gründung der Gesellschaft beruht auf dem Notariatsakt vom 11. 7. 1997. Dessen § 9 lautet wie folgt:

"Generalversammlung

1) Gesellschafterbeschlüsse können unter den Voraussetzungen des § 34 GmbHG schriftlich oder in der Generalversammlung gefasst werden.

.....

8) Die Geschäftsführung hat die Zustimmung der Generalversammlung einzuholen, wobei eine Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen erforderlich ist für:

.....

i) Einleitung von Rechtsstreitigkeiten

.....".

Der Beklagte erhielt 1997 von seiner Ehefrau, die damals alleinige Geschäftsführerin und "Inhaberin" (Alleingesellschafterin) der klagenden Partei war, eine Bankvollmacht für das Geschäftskonto der klagenden Partei. Von diesem Konto hat er am 7. 11. 2000 S 737.000 auf sein eigenes Konto überwiesen. Er wurde vom Geschäftsführer der klagenden Partei mit Schreiben vom 14. 11. 2000 zur Rückzahlung aufgefordert. Da der Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, fasste der Geschäftsführer der klagenden Partei den Entschluss klageweise gegen den Beklagten vorzugehen. Der zweite Gesellschafter stimmte der Klagsführung zu. Eine Generalversammlung mit dem Tagesordnungspunkt der Klagsführung gegen den Beklagten gab es nicht. Ein Beschluss der Gesellschafter über die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem Beklagten liegt nicht vor.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages bedürfte die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten einer Beschlussfassung in der Generalversammlung. Es bestehe kein Anlass, von der gesellschaftsvertraglichen Regelung eine Einschränkung in Bezug auf Rechtsstreitigkeiten gegen Gesellschafter zu machen, weil auch § 35 GmbHG eine Beschlussfassung für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer vorsehe und die herrschende Rechtsprechung eine korrigierende Auslegung dahingehend vornehme, dass in analoger Anwendung des § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG bei Ansprüchen gegen Gesellschafter ein Gesellschafterbeschluss erforderlich sei. Ein solcher Beschluss über die Klagsführung gegen den Beklagten liege nicht vor. Die Zustimmung des zweiten Gesellschafters ersetze den erforderlichen Gesellschafterbeschluss nicht. Der fehlende Gesellschafterbeschluss führe als materiell-rechtliches Erfordernis der klageweisen Geltendmachung von Ersatzansprüchen zur Klageabweisung.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs wurde für zulässig erklärt.

Das Berufungsgericht vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG sei auf die klageweise Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Gesellschaftern, die allerdings nicht Geschäftsführer seien, analog anzuwenden. Wenn also eine GmbH einen ihrer Gesellschafter klageweise in Anspruch nehme, sei zuvor ein Gesellschafterbeschluss zu fassen, mit dem die Durchsetzung dieses Anspruches gebilligt werde. Ein derartiger Beschluss sei allerdings dann entbehrlich, wenn es sich dabei um eine bloße Formalität handeln würde. Im vorliegenden Fall bestehe die klagende Partei aus lediglich zwei Gesellschaftern, die jeweils 50 % der Stammeinlage hielten. Nach § 39 Abs 4 zweiter Satz GmbHG sei ein Gesellschafter von der Ausübung des Stimmrechtes in einer Beschlussfassung ausgeschlossen, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäftes mit einem Gesellschafter oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites zwischen ihm und der Gesellschaft betreffe. Da die klagende Partei eine Klagsführung gegen den Beklagten beabsichtigt habe, wäre der Beklagte von der Beschlussfassung darüber ausgeschlossen gewesen. Es wäre daher lediglich der zweite Gesellschafter allein stimmberechtigt gewesen. Der vom Stimmrecht ausgeschlossene Gesellschafter stimme nicht mit, seine Stimme habe unberücksichtigt zu bleiben. Daraus folge, dass die Abhaltung einer förmlichen Generalversammlung lediglich ein zeitverzögernder, das Ergebnis nicht verhinderbarer Umweg gewesen wäre, sohin eine überflüssige bloße Formalität. Da feststehe, dass der allein stimmberechtigte zweite Gesellschafter vor Klagseinbringung der Klagsführung zugestimmt habe, könne die klagende Partei auf einen gültigen Gesellschafterbeschluss verweisen. Ein solcher bedürfe nämlich keiner besonderen Formvorschrift und könne auch außerhalb einer Generalversammlung und ohne schriftliche Abstimmung gefasst werden, wenn lediglich die Gesellschafter in ihrem Willen übereinstimmten und dies erklärten. Der Klagsführung sei daher ein gültiger Gesellschafterbeschluss des allein stimmberechtigten zweiten Gesellschafters zugrunde gelegen, weshalb die auf diesen Grund gestützte Klagsabweisung zu Unrecht erfolgt sei.

Das Erstgericht habe es aber unterlassen, sich mit den übrigen Einwendungen des Beklagten über die Berechtigung zur Behebung des geltend gemachten Betrages auseinanderzusetzen, weshalb das Verfahren noch nicht spruchreif sei.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, inwieweit § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG auch auf die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Gesellschaftern analog anzuwenden sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde; hilfsweise wird beantragt, dem Berufungsgericht aufzutragen, über die Beweisrüge zu befinden und wird in eventu ein weiterer Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Der Beklagte rügt in seinem Rechtsmittel, dass das Berufungsgericht seine in der Berufungsbeantwortung erhobene Rüge der Feststellung, Dr. E***** habe der klagsgegenständlichen Klagsführung zugestimmt, nicht behandelt habe. Das Berufungsverfahren leide deshalb an einem "schweren Mangel", der eine neuerliche Entscheidung des Berufungsgerichtes erfordere.

Es sei auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, ein förmlicher Gesellschafterbeschluss sei entbehrlich gewesen, unrichtig. Auch wenn der Beklagte von der Beschlussfassung ausgeschlossen gewesen wäre, hätte er an der Generalversammlung jedenfalls teilnehmen können. Ein schriftlicher Umlaufbeschluss wäre nicht in Frage gekommen, weil ein solcher nur bei Einstimmigkeit zulässig sei. Einem solchen Vorgehen hätte der Beklagte nicht zugestimmt, es liege auch kein schriftlicher Umlaufbeschluss vor. Das Recht eines Gesellschafters, an der Generalversammlung teilzunehmen, hänge nicht davon ab, ob der Gesellschafter bei einem bestimmten Beschluss sein Stimmrecht ausüben könne oder nicht. Das Teilnahmerecht sei wesentlich. Er könne seine Argumente für und wider einen beabsichtigten Beschluss vortragen und dabei unter Umständen erreichen, dass sich der andere Gesellschafter seinen Argumenten anschließe und sich überzeugen lasse. Weiters bedürfe es eines förmlichen Beschlusses, um dem überstimmten oder nicht stimmberechtigten Gesellschafter die Möglichkeit zu eröffnen, seine Rechte geltend zu machen, d.h. den stimmberechtigten zustimmenden Gesellschafter zur Verantwortung zu ziehen. Es wäre daher geboten gewesen, eine Generalversammlung einzuberufen und dort über die Prozessführung abstimmen zu lassen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG unterliegen der Beschlussfassung der Gesellschafter die Geltendmachung der Ersatzansprüche, die der Gesellschaft aus der Errichtung oder Geschäftsführung gegen die Geschäftsführer, deren Stellvertreter oder den Aufsichtsrat zustehen. Ob diese Bestimmung auch auf die Klagsführung gegen Gesellschafter anzuwenden ist (so Koppensteiner, KommzGmbHG2, § 61 Rz 15 und Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH, 212; anderer Ansicht Feil/Gellis, KommzGmbHG4, § 35 Rz 20), braucht hier nicht beurteilt zu werden. Jedenfalls kann sich der beklagte Gesellschafter im Rechtsstreit mit der klagenden Gesellschaft auf den Gesellschaftsvertrag (hier: Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft) berufen. Dieser sieht aber in seinem § 9 Z 8 lit i vor, dass die Geschäftsführung die Zustimmung der Generalversammlung für die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten einzuholen hat. Dabei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruches gegen einen Gesellschafter, bei deren Fehlen die Klage abzuweisen ist (vgl RIS-Justiz RS0059438; RdW 1990, 285).

Ein Gesellschafterbeschluss ist allerdings entbehrlich, wenn das Beschlusserfordernis eine bloße Formalität, ein überflüssiger Umweg wäre (Koppensteiner, KommzGmbHG2, § 35 Rz 35; derselbe in Rowedder, KommzGmbHG3, § 46 Rz 35; Schmidt in Scholz KommzGmbHG8, § 46 Rz 153; EvBl 1999/128 = RdW 1999, 529). Im vorliegenden Fall kann aber - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - nicht gesagt werden, die Beschlussfassung in der Generalversammlung wäre ein bloßer Formalismus und daher entbehrlich. Richtig ist zwar, dass der Beklagte bei dieser Generalversammlung von der Ausübung des Stimmrechtes ausgeschlossen gewesen wäre (§ 39 Abs 4 zweiter Satz GmbHG). Dies ändert aber nichts daran, dass er an dieser Generalversammlung teilnahmeberechtigt gewesen wäre; auch stimmrechtslose Gesellschafter haben einen Anspruch darauf, ihre Ansicht vortragen zu können und von den Anderen gehört zu werden (Koppensteiner, KommzGmbHG2, § 34 Rz 10; Reich-Rohrwig, Das Österreichische GmbH-Recht, 340; Wünsch, Die Abstimmung im schriftlichen Wege nach § 34 GmbHG, GesRZ 1996, 61 [64]; Hüffer in Hachenburg8, KommzGmbHG, § 48 Rz 13; Lutter/Hommelhoff, KommzGmbHG15, § 48 Rz 3). Da der Beklagte sohin bei Einberufung einer Generalversammlung die Möglichkeit gehabt hätte, argumentativ auf die Bildung des Gesellschaftswillen Einfluss zu nehmen, wäre die Abhaltung einer förmlichen Generalversammlung kein überflüssiger Formalismus gewesen, weshalb eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruches durch die klagende Gesellschaft gegen den beklagten Gesellschafter fehlt.

Es war daher dem Rekurs des Beklagten stattzugeben und das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.

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