OGH 14Os154/01

OGH14Os154/0111.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lehr als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nermin T***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Juli 2001, GZ 8b Vr 3086/01-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nermin T***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB (1) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 16. März 2001 in Wien

1) außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB versucht, die Evelyn P***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs zu nötigen, indem er sie gegen ihren Willen mit seinem PKW an den Stadtrand brachte, ihre Beine auseinanderdrückte, sie an den Armen festhielt und versuchte, sein Glied in ihre Scheide einzuführen, und

2) versucht, die Evelyn P***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, nämlich durch die Äußerung, sie werde Ärger bekommen, sollte sie jemandem von der zu Punkt 1 dargestellten strafbaren Handlung erzählen, wobei er auch von der Mafia sprach, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung, zu nötigen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Durch die in der Verfahrensrüge (Z 4) geltend gemachte Ablehnung der in der Hauptverhandlung vom 27. Juli 2001 beantragten (S 107) zeugenschaftlichen Vernehmung des Bezirksinspektors H***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte weder im Gesicht noch am Hals oder an sonstigen Körperstellen irgendeine Kratzspur oder Hautrötung aufgewiesen hat, und des Bezirksinspektors F***** der die Zeugin P***** vernommen hatte, zum Beweis dafür, dass bei dieser weder an den Händen noch an den Armen oder an sonstigen Körperstellen Zeichen einer Gewaltanwendung, wie etwa Hautrötungen, vorhanden waren, in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Denn dem Fehlen äußerlich wahrnehmbarer Verletzungen beim Angeklagten oder bei der Zeugin P***** kann für die dem Angeklagten angelasteten Tathandlungen (US 3, 5) grundsätzlich keine wesentliche Bedeutung zukommen. Hinweise, warum allgemeinem Erfahrungswissen zuwider im speziellen Fall dennoch die Wahrnehmbarkeit solcher Verletzungen durch die beiden Beamten nahegelegen wäre, wurden vom Beschwerdeführer im Beweisantrag nicht dargetan.

Entsprechendes gilt auch für den ebenfalls in der Hauptverhandlung vom Verteidiger gestellten (S 109) Beweisantrag auf "Durchführung einer Demonstration" zum Beweis dafür, dass die Vorfälle im PKW Audi A 4 nicht in der Form stattgefunden haben konnten, wie es die Zeugin geschildert habe. Hier fehlt es dem Beweisantrag schon an der für seine Überprüfbarkeit erforderlichen konkreten Darstellung, inwiefern trotz widersprechenden allgemeinen Erfahrungswissens am Beifahrersitz eines PKWs der angeführten Größenordnung die gewaltsame Durchführung eines Geschlechtsverkehrs und demnach die besonderen Tathandlungen, wie sie von der Zeugin geschildert und dem Urteil zu Grunde gelegt wurden, nicht möglich sein sollten.

Zu Unrecht macht der Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) geltend, die Tatrichter hätten sich im Urteil nicht mit den Beweisergebnissen dahingehend auseinandergesetzt, dass vor dem Vorfall im Lokal P***** dem Angeklagten ihre Telefonnummer gegeben und der Angeklagte sich schon dort der Zeugin sexuell, beispielsweise durch Greifen auf den Oberschenkel, genähert habe. Dies deshalb, weil - abgesehen von den diesbezüglich teilweise einschränkenden Angaben der Zeugin - derartige Handlungsweisen vor dem inkriminierten Vorfall keineswegs gegen die Weigerung der Zeugin sprechen, mit dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt im PKW geschlechtlich zu verkehren, und damit die von der Beschwerde aufgezeigten Beweisergebnisse als unwesentlich nicht erörterungsbedürftig waren.

Die Tatrichter haben - der Mängelrüge zuwider - ihre Feststellungen zum entscheidenden Tatablauf (auch) bei der versuchten Vergewaltigung insbesondere durch Hinweis auf die belastenden Angaben der Zeugin sowohl logisch und empirisch einwandfrei als auch hinreichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) begründet. Indem der Beschwerdeführer in weiteren Ausführungen versucht, die Glaubwürdigkeit dieser Angaben abzuschwächen, ficht er das Urteil in unzulässiger Weise nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung an.

Dass die Zeugin P***** nach der Sperrstunde um 2 Uhr nachts bis zum Verlassen des Lokals, in dem sie als Kellnerin arbeitete, mit dem Angeklagten und seinem Freund noch einige alkoholische Getränke konsumierte, wurde ohnehin vom Schöffengericht festgestellt und damit auch berücksichtigt. Einer darüber hinausgehenden Erörterung von Art und Menge der in dieser Zeit von der Zeugin konsumierten alkoholischen Getränke bedurfte es - der Mängelrüge zuwider - angesichts des gesetzlichen Gedrängtheitsgebotes (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht; ein zufolge des Alkoholkonsums fehlendes Erinnerungsvermögen wird auch vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.

Entgegen der Mängelrüge lassen sich die Feststellungen der Tatrichter, wonach der Angeklagte nach dem Aussteigen aus dem PKW der Evelyn P***** (zumindest) eine Verletzung am Körper für den Fall angedroht habe, dass sie Anzeige erstatten würde, lässt sich logisch und empirisch einwandfrei aus den Angaben der Zeugin P***** in Verbindung mit der Verantwortung des Angeklagten ableiten; dass auch eine andere Beweiswürdigung durch das Schöffengericht möglich gewesen wäre, vermag hingegen den Nichtigkeitsgrund nach der Z 5 nicht zu bewirken.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Aktenwidrigkeit der Ausführung des angefochtenen Urteils (US 8), wonach sich die Zeugin an die Worte des Angeklagten besser habe erinnern können als an die eigenen, liegt schon deshalb nicht vor, weil ein solcher Begründungsmangel nur dann gegeben ist, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Unerfindlich bleibt, worin der in der Mängelrüge ferner behauptete Widerspruch gelegen sein soll zwischen einerseits der im Urteil festgestellten Äußerung des Angeklagten bei der Nötigung und andererseits der Ausführung der Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung, wonach die Erinnerung des Angeklagten und der Zeugin Evelyn P***** diesbezüglich eingeschränkt und eine "Rekonstruktion" des Gespräches erforderlich gewesen sei.

In seinen umfangreichen Ausführungen zur Tatsachenrüge (Z 5a) versucht der Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit der Zeugin P*****, auf deren Aussage die Tatrichter im Wesentlichen ihre Feststellungen stützten, in Zweifel zu setzen und der Auffassung zum Durchbruch zu verhelfen, die Zeugin wäre zunächst freiwillig zu einem Geschlechtsverkehr bereit gewesen, habe sich jedoch unmittelbar vor dessen Ausführung eines anderen besonnen und den Angeklagten mit einem Pfeffer-Spray abgewehrt. Er hebt dazu vor allem hervor, dass die Zeugin unter Alkoholeinfluss gestanden sei, dem Angeklagten die Telefonnummer gegeben und trotz seiner sexuellen Annäherungen im Lokal durch Berühren ihrer Oberschenkel mit ihm mitgefahren sei, nachdem sie ihren Bekannten verständigt hatte, dass er sie nicht abzuholen brauche, ferner, dass die Aussage der Zeugin Widersprüche aufweise und schließlich weder beim Angeklagten noch bei der Zeugin nach dem Vorfall Kratzer oder sonstige Verletzungen vorhanden gewesen seien. Er vermag damit keine sich aus den Akten ergebende erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen darzutun. Soweit der Beschwerdeführer noch die Gutachten eines psychiatrischen und einer psychologischen Sachverständigen in Vorlage bringt, ist er auf das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot und darauf zu verweisen, dass nach jüngerer Rechtsprechung aus Z 5a Mängel der Sachverhaltsermittlung nur insoweit gerügt werden können, als der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert war (13 Os 99/00, 13 Os 145/00, 14 Os 85/01).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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