Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Linz vom 12. März 2001, GZ 22 Vr 289/01-17 verletzt im Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB die Bestimmung des § 263 Abs 2 letzter Satzteil StPO und den sich aus Art. 90 Abs 2 B-VG und § 2 Abs 1 StPO ergebenden Anklagegrundsatz.
Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs l StGB (IV./) sowie demgemäß im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung), ebenso wie der Beschluss gemäß § 494 a StPO aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Markus W***** wird vom Vorwurf, er habe am 5. August 2000 in Linz Thomas G***** durch die Äußerung: "Du Wichser, jetzt bist dran" gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für die ihm weiterhin zur Last liegenden Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs l StGB und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB sowie die Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs l, 105 Abs l StGB, der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs l, 84 Abs 2 Z 2 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs l StGB, des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB wird über ihn nach § 142 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 5 JGG und § 28 StGB sowie unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Linz vom 2. Oktober 2000, AZ 22 E Vr 1669/00, gemäß §§ 31, 40 StGB eine (zusätzliche) Freiheitsstrafe von 17 Monaten verhängt.
Gemäß § 53 Abs 2 StGB, § 494 a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der Markus W***** im Verfahren 22 E Vr 17/00 des Landesgerichts Linz gewährten bedingten Strafnachsicht aus Anlass der neuen Verurteilung abgesehen.
Text
Gründe:
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 12. März 2001, GZ 22 Vr 289/01-17, wurde Markus W***** unter anderem des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs l StGB (IV./) schuldig erkannt, weil er am 5. August 2000 in Linz den Thomas G***** durch die Äußerung "Du Wichser, jetzt bist dran" gefährlich bedroht hat, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde (im Ergebnis) zutreffend aufzeigt, steht dieser Schuldspruch mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Der Vorwurf, Markus W***** habe am 5. August 2000 Thomas G***** in Linz gefährlich bedroht, war nämlich bereits Gegenstand des Verfahrens AZ 22 E Vr 1669/00 des Landesgerichtes Linz, in dem hinsichtlich dieser Tat eine mündliche Ausdehnung des Strafantrages in der Hauptverhandlung erfolgte (S 441). Entgegen § 263 StPO schied das Landesgericht Linz dieses Faktum "gemäß § 57 StPO zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen aus" (S 441) und unterließ es, dem Ankläger im Urteil die selbständige Verfolgung wegen der hinzugekommenen Tat vorzubehalten (§ 263 Abs 2 StPO). Dieses Vorgehen stellte keine gesetzmäßige Erledigung des in der Hauptverhandlung ausgedehnten Strafantrages dar und bewirkte mangels Bekämpfung des solcher Art unvollständigen Urteils den Verlust des Verfolgungsrechtes des Anklägers (RZ 1987/77, EvBl 1989/179, 11 Os 75/89), weswegen diesem im gegenständlichen Verfahren hinsichtlich des Vorwurfes der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs l StGB kein Anklagerecht mehr zukam (§ 263 Abs 2 letzter Satzteil StPO).
Darüber hinaus hat es die Anklagebehörde auch unterlassen, die gegenständliche Tat im neuen Verfahren rechtswirksam anzuklagen, weil sie sie weder in der Anklageschrift vom 12. Oktober 2000 (ON 3) genannt noch in der Hauptverhandlung einen konkreten Antrag auf Ausdehnung der Verhandlung und Urteilsfällung auf diese strafbare Handlung gestellt hat (S 7 f/II). Eine nicht näher präzisierte und auch dem Akt nicht zu entnehmende "schriftliche Ausdehnung" der Anklage, auf die der Staatsanwalt beim Anklagevortrag Bezug nahm (S 7/II), kennt das Gesetz nicht. Die mündliche Ausdehnung in einem früheren anderen Verfahren wiederum stellt - selbst im (hier nicht vorliegenden) Fall prozessordnungsgemäßer Erledigung nach § 263 Abs 2 StPO - ohne (neue) Anklageerhebung oder (den Kriterien des § 263 StPO entsprechende neuerliche) Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung keine für das spätere Verfahren wirksame Verfolgungshandlung dar (vgl Mayerhofer StPO4 § 263 E 120). Daran vermag auch nichts zu ändern, dass eine Kopie des Protokolls über die im früheren Verfahren erfolgte (neben dem gegenständlichen auch drei weitere Tatvorwürfe umfassende) Ausdehnung zum Akt genommen und verlesen wurde (S 333/I).
Der zum Nachteil des Angeklagten wirkende Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung war daher zum einen infolge Unzulässigkeit der weiteren Verfolgung der Tat durch den öffentlichen Ankläger, zum anderen mangels Vorliegens eines entsprechenden Verfolgungsantrags desselben aufzuheben und - aus Gründen der Rechtsklarheit - in der Sache selbst mit Freispruch vorzugehen (vgl Mayerhofer StPO4 § 263 E 116, § 288 E 13; SSt 60/18; aM Mayerhofer aaO § 288 E 14).
Bei der - infolge Aufhebung auch des Strafausspruchs - erforderlichen Strafneubemessung war zu berücksichtigen, dass gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Linz vom 2. Oktober 2000, 22 E Vr 1669/00, Bedacht zu nehmen ist. Denn nach dem Urteilsinhalt ist davon auszugehen, dass sämtliche nunmehr abgeurteilten Taten vor diesem Zeitpunkt begangen worden sind; der zum Faktum V./ genannte, "nicht mehr genau feststellbare" (US 11) Tatzeitpunkt "zwischen dem 25. September und 10. Oktober 2000" (US 2) schließt dies - nach der gebotenen, für den Angeklagten günstigst möglichen Interpretation (vgl Mayerhofer StPO4 § 258 E 44) - nicht aus.
Bei der Strafbemessung wirkten das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (auch unter Bezug auf die mit Urteil vom 2. Oktober 2000 erfassten Taten), die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall als erschwerend, das teilweise Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, hingegen als mildernd. Unter Abwägung aller für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände ist die (zusätzlich zu einer viermonatigen Sanktion) verhängte Freiheitsstrafe von 17 Monaten tat- und tätergerecht. Eine (teilweise) bedingte Nachsicht dieser Strafe ist schon aus Gründen der Spezialprävention nicht möglich, bedenkt man, dass der rasch rückfällige Angeklagte nicht einmal während seiner Inhaftierung von der Begehung von Straftaten Abstand nahm.
Ein Widerruf der bedingten Nachsicht der dem Angeklagten mit Urteil vom 7. Juni 2000 bedingt nachgesehenen zweimonatigen Freiheitsstrafe war schon in Hinblick auf das Verbot der "reformatio in peius" nicht ins Auge zu fassen.
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