OGH 10ObS341/01x

OGH10ObS341/01x30.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien 1. Viktoria P*****, 2. Ruth P*****, ebendort, diese vertreten durch ihre Mutter Ulrike P*****, ebendort (30 Cgs 290/99t) sowie 3. Ulrike P*****, ebendort (30 Cgs 291/99i), sämtliche vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwen- und Waisenrente sowie Bestattungskosten, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juli 2001, GZ 8 Rs 99/01t-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. November 2000, GZ 30 Cgs 290/99t-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung, dass der Tod des am 29. 3. 1999 verstorbenen Versicherungsnehmers der Beklagten nicht Folge eines Arbeitsunfalls ist, ist zutreffend.

Da sich die Revisionsausführungen von der Tasachengrundlage der angefochtenen Entscheidung zum Teil erheblich entfernen, ist vorerst festzuhalten, dass von folgendem - unstrittigen - Sachverhalt auszugehen ist:

Der Ehegatte der Drittklägerin und Vater der beiden anderen Klägerinnen trat an seinem Todestag um 8.06 Uhr den Dienst an, absolvierte eine Mittagspause und verließ und 16.35 Uhr seine (in G***** gelegene) Dienststelle. Er fuhr mit der Straßenbahn zur Haltestelle Ostbahnhof um den Zug um 16.55 Uhr zu erreichen, verstarb jedoch noch auf dem Parkplatz vor dem Ostbahnhof. Todesursache war ein Virusinfekt der oberen Luftwege mit Herzbeteiligung, also eine Herzmuskelentzündung, wodurch es zum Auftreten einer akuten Herzschwäche mit Todesfolge kam.

Die Herzmuskelentzündung ist eine lebensgefährliche Erkrankung, die der absoluten körperlichen Schonung, Bettruhe und ärztlicher Behandlung bedarf. Ihre typischen Symptome sind allgemeiner Natur, wie etwa Schwächegefühl, Luftnot und ein gewisses Unwohlsein, und müssen vom Patienten nicht ("notwendigerweise") erkannt werden.

Möglicherweise hat der Verstorbene - ein Allergiker, aber ein sportlicher, schlanker Mann, der keinerlei Risikofaktoren erkennen ließ - die Symptome der Herzmuskelentzündung als allergische Reaktion auf den vorliegenden Pollenflug aufgefasst. Er hat sich somit offensichtlich nicht der nötigen körperlichen Schonung unterzogen, sondern normal seine Arbeit verrichtet.

Ein zeitlicher Druck etwa zur Erreichung eines öffentlichen Verkehrsmittels oder eine körperliche Überanstrengung, aber auch eine durchschnittliche Belastung kann grundsätzlich bei einer Herzmuskelentzündung zu Herzrythmusstörungen und zum Tode führen (S 4 bis 6 des Ersturteils bzw S 3 bis 5 der Berufungsentscheidung).

Nach diesen Feststellungen ist es im vorliegenden Fall nicht erwiesen, dass der Tod des Versicherungsnehmers der Beklagten eine (typische) Folge seiner Berufsausübung (Zeitdruck, Überlastung) gewesen sei. Hiefür wäre nämlich Voraussetzung, dass ein typischer Geschehensablauf feststünde, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Kausalzusammenhang mit derartigen Umständen hinweisen würde (RIS-Justiz RS0040266 und RS0040287; zuletzt 10 ObS 31/01h und 10 ObS 165/01i). Ein solcher typischer Geschehensablauf ist hier jedoch - wie auch in einem erst jüngst entschiedenen vergleichbaren Fall (E vom 10. 7. 2001, 10 ObS 195/01a) - nicht zu erkennen. Außerdem bilden alltägliche Belastungen, die altersentsprechend üblicherweise mit gewisser Regelmäßigkeit im Leben auftreten, wie etwa ein normales oder auch beschleunigtes Gehen, unter Umständen auch ein kurzes schnelles Laufen, Treppensteigen, Bücken, leichtes bis mittelschweres Heben oder ähnliche Kraftanstrengungen, bei einem mitwirkenden Vorschaden (hier: Herzmuskelentzündung) immer nur eine sogenannte "Gelegenheitsursache"; die Folgen der durch solche Umstände bedingten Auslösung eines anlagebedingten Leidens sind nicht als Arbeitsunfall zu qualifizieren (10 ObS 194/99y mwN; RIS-Justiz RS0084318; vgl auch SSV-NF 11/41 und SSV-NF 13/95).

Die Revisionswerber vertreten demgegenüber den Standpunkt, dass ein Arbeitsunfall vorliege, der sich auf dem Heimweg ihres Vaters bzw Ehegatten von der Arbeitsstätte ereignet habe. Er sei nämlich deshalb in Eile gewesen, weil er am Abend Unterlagen für eine am nächsten Tag stattfindende Veranstaltung vorbereiten wollte. Dieser zeitliche Druck, dem der Versicherte beim Erreichen des öffentlichen Verkehrsmittels auf seinem Weg von der Arbeit nach Hause ausgesetzt gewesen sei, habe das Herzversagen ausgelöst. Feststellungen darüber, welche anderen Ereignisse in Zukunft seinen Tod ausgelöst hätten, lägen nicht vor.

Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates auch ein Herzinfarkt im Zusammenhang mit außergewöhnlicher beruflicher Belastung (nicht jedoch infolge Dauerstress) grundsätzlich als Arbeitsunfall angesehen werden kann, und dass zur Widerlegung des Anscheins, dass der Tod des Versicherten durch einen derartigen Arbeitsunfall wesentlich mitverursacht worden sei, nicht der Beweis einer bloß abstrakten Möglichkeit genügen würde, sondern die konkrete, zumindest gleich hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes bewiesen werden müsste (SSV-NF 9/17; SSV-NF 11/41; RdA 1998/35 [krit Müller] mwN; RIS-Justiz RS0084266).

Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen aber nicht einmal diesen Anschein für sich: Die von ihnen vorgebrachten, von der beklagten Partei bestrittenen Umstände (Zeitdruck auf dem Nachhauseweg infolge notwendiger Vorbereitung einer am nächsten Tag stattfindenden Veranstaltung) sind zwar - unbekämpft - gar nicht festgestellt worden, diese Umstände könnten an der Qualifikation einer - wenn auch beruflich bedingten - Eile als "Gelegenheitsursache" jedoch ohnehin nichts ändern. Die abschließende Rüge der Revisionswerber, dass in der Berufungsentscheidung konkrete Feststellungen darüber fehlten, welche "anderen Ereignisse in naher Zukunft den Tod ausgelöst hätten", kann aber schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Rechtsmittelausführungen nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen, sondern von einer - feststellungsfremden - Bejahung der natürlichen Kausalität (vgl dazu jüngst: 10 ObS 187/01z) eines (außergewöhnlichen) beruflichen Zeitdrucks und der damit verbundenen Belastungen für die Überanstrengung des Herzens und damit für den Tod des Versicherten (S 5 der Revision).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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