Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 9. 7. 1953 geborene Kläger zog sich im Rahmen seiner Berufstätigkeit als Operationspfleger im Jahr 1975 eine Hepatitis B-Virusinfektion zu, die eine Leberentzündung auslöste. Mit Bescheid vom 1. 7. 1978 hat die beklagte Partei diese Erkrankung als Berufskrankheit gemäß § 177 ASVG Anlage 1 Nr 38 anerkennt und dem Kläger eine Versehrtenrente zuerkannt. Mit Bescheid vom 7. 8. 1990 hat die beklagte Partei dem Kläger diese Versehrtenrente mit Wirkung ab 1. 10. 1990 wegen folgenloser Abheilung des entzündlichen Lebergeschehens entzogen. Das dagegen erhobene Klagebegehren hat das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen mit rechtskräftigem Urteil vom 12. 1. 1993 abgewiesen. Das Berufungsgericht ging dabei - nach Vornahme einer Beweiswiederholung - aufgrund des in der Berufungsverhandlung erörterten Gutachtens des Sachverständigen Dr. Reinhard S***** von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:
"Auf Grund der jahrelangen hochdosierten Cortisonmedikation bei der chronisch-aggressiven Hepatitis des Klägers ist es zu einem Cortisonschaden an der Wirbelsäule mit Kompression der Wirbelkörper und nachfolgender Keilwirkung gekommen. Infolge der Keilwirbelbildung entstand ein Rundrücken. Die beim Kläger bestehenden Rückenbeschwerden sind auf diese Rundrückenbildung zurückzuführen. Darüber hinaus besteht beim Kläger ein Zustand nach Morbus Scheuermann, der aber für die derzeit beim Kläger bestehenden Beschwerden nur von geringer Bedeutung ist. Die Beschwerden aufgrund der Cortisonschäden einschließlich der Ausstrahlung der Rückenschmerzen des Klägers in Richtung Brustkorb und beide Arme und Hände bewirken eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt von 15 % auf Dauer. Dieser Zustand besteht zumindest seit 1. 10. 1990."
Aus medizinischer Sicht haben sich die Folgen der Berufskrankheit in der Zeit vom 30. 9. 1990 bis 11. 9. 1996 und auch seither nicht wesentlich verändert, jedenfalls nicht im Ausmaß einer Verschlimmerung. Nach wie vor beträgt die auf die konkrete Berufskrankheit zurückzuführende Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers, bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht 15 vH, sondern 20 vH.
Mit Bescheid vom 13. 1. 1997 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 11. 9. 1996 auf Wiedergewährung einer Versehrtenrente ab.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Wiedergewährung einer Versehrtenrente gerichtete Klagebegehren mit der Begründung ab, dass sich der auf die konkrete Berufskrankheit zurückzuführende medizinische Befund zwischen den relevanten Zeitpunkten 30. 9. 1990 und 11. 9. 1996 nicht wesentlich geändert habe. Eine kausale Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH habe schon zu dem Zeitpunkt bestanden, als dem Kläger mit Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. 1. 1993 die seinerzeit gewährte Versehrtenrente rechtskräftig entzogen worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
1. Unter den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht habe die in der Berufung erhobene Beweisrüge im entscheidenden Punkt nicht behandelt, sondern sei unrichtigerweise davon ausgegangen, dass der Kläger die Feststellung, die Folgen der Berufskrankheit hätten sich in der Zeit vom 30. 9. 1990 bis 11. 9. 1996 und auch seither nicht wesentlich verändert, jedenfalls nicht im Ausmaß einer Verschlimmerung, nicht bekämpft habe.
Inhaltlich macht der Kläger damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, zumal in der Übernahme der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen kann (Kodek in Rechberger, ZPO2, § 503 Rz 4). Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist ua dann gegeben, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge nicht oder nur so mangelhaft befasst hat, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (in diesem Sinn RIS-Justiz RS0043150). Vom Revisionsgericht ist aber nicht zu überprüfen, ob eine vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung richtig oder fehlerhaft ist; zu untersuchen ist - auf entsprechende Rüge - nur, ob bei der Stoffsammlung oder Erörterung eine Verfahrensvorschrift verletzt wurde (Kodek in Rechberger aaO Rz 3).
Nun ist richtig, dass der Kläger in seiner Berufung die erstgerichtliche Feststellung bekämpft hat, dass sich aus medizinischer Sicht die Folgen der Berufskrankheit in der Zeit vom 30. 9. 1990 bis zum 11. 9. 1996 nicht wesentlich verändert haben. Aus der folgenden Erwägung kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die diesbezügliche Tatsachenrüge gesetzmäßig ausgeführt war: Das Berufungsgericht hat zwar argumentiert, dass die genannte Feststellung unbekämpft geblieben sei, sich aber in der Folge doch mit dieser Feststellung auseinandergesetzt und sie bestätigt. Die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen ist aber Ergebnis der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, deren Richtigkeit vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (RIS-Justiz RS0043061 [T11]).
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts ist zutreffend, weshalb es genügt, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Der Träger der Unfallversicherung hat gemäß § 183 Abs 1 ASVG bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die für die Feststellung einer Rente maßgebend waren, auf Antrag oder von Amts wegen die Rente neu festzustellen. Als wesentlich gilt eine Änderung der Verhältnisse nur, wenn durch sie die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch mehr als drei Monate um mindestens 10 vH geändert wird, durch die Änderung ein Rentenanspruch entsteht oder wegfällt (§§ 203, 210 Abs 1) oder die Schwerversehrtheit entsteht oder wegfällt (§ 205 Abs 4). Zum Vergleich dafür, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, ist der Tatsachenkomplex heranzuziehen, der jener Entscheidung zugrunde lag, deren Rechtskraftwirkung bei unveränderten Verhältnissen einer Neufeststellung der Rente im Wege stünde (SSV-NF 1/16; 3/86; 6/71 uva; RIS-Justiz RS0084151).
Die Bestimmung des § 183 Abs 1 ASVG hängt unmittelbar mit der Rechtskraft von Bescheiden im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zusammen. Es werden in dieser Norm bestimmte Voraussetzungen statuiert, unter denen die Rechtskraft von Bescheiden innerhalb von bestimmten Grenzen ihre Wirksamkeit verliert, wobei sich § 183 Abs 1 ASVG nicht nur auf durch Bescheide der Unfallversicherungsträger festgestellte Renten bezieht, sondern auch dann anzuwenden ist, wenn ein Urteil oder Vergleich im gerichtlichen Verfahren den Rechtsgrund der Rente bildet (SSV-NF 2/86 mwN ua). In Ermangelung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gemäß § 183 Abs 1 ASVG steht somit die Rechtskraft der Vor-Entscheidung (Bescheid, Urteil, Vergleich) einer Neubemessung im Wege (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 568). Somit kann auch eine früher unrichtige Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht im Wege des § 183 Abs 1 ASVG korrigiert werden (SSV-NF 1/16; 3/86; 6/71 ua; RIS-Justiz RS0084151/T2; RS0084142). Dies gilt nicht nur dann, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit in der früheren Entscheidung zu hoch eingeschätzt wurde, sondern auch im Falle einer zu niedrigen Einschätzung (SSV-NF 3/140).
Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Änderung des Tatsachenkomplexes vorliegt, der für die (letzte) Feststellung der Rente maßgebend war, sind die Verhältnisse, die der früheren Entscheidung zugrundelagen, mit denen zu vergleichen, die zum nunmehr maßgeblichen Datum gegeben sind (in diesem Sinn RIS-Justiz RS0084226).
Im vorliegenden Fall wurden von den Vorinstanzen zutreffenderweise ein Vergleich zwischen den Verhältnissen (und nicht der unterschiedlichen Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit) zum Zeitpunkt der Entziehung per 30. 9. 1996 einerseits und denen zum 11. 9. 1996 andererseits vorgenommen. Im maßgeblichen Tatsachenkomplex, der der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zugrunde lag, ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Dies gilt auch dann, wenn der 12. 1. 1993 als maßgeblicher Zeitpunkt für den Vergleich herangezogen wird. Damit steht die Rechtskraft des Urteils des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. 1. 1993 der Wiedergewährung einer Rente entgegen.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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