Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Der Antrag der Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in wettbewerbswidriger Weise für das von ihr vertriebene Produkt Desmogalen Spray in Österreich Werbung zu betreiben, insbesondere für Desmogalen Spray durch Werbeeinschaltungen wie Klagebeilage ./3 oder in sonstiger Weise zu werben, solange Desmogalen Spray in Österreich nicht zugelassen ist, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 14.241,60 S bestimmten Äußerungskosten (darin 2.373,60 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 41.947,20 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 6.991,20 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin vertreibt in Österreich Arzneispezialitäten des F*****-Konzerns. Eines dieser - in Österreich zugelassenen - Arzneimittel ist Minirin Nasenspray (idF: Minirin).
Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen; sie entwickelt, erzeugt und vertreibt pharmazeutische Produkte, ua Desmogalen Spray (idF: Desmogalen). Desmogalen ist in Deutschland, nicht aber auch in Österreich, als Arzneimittel zugelassen.
Sowohl Minirin als auch Desmogalen enthalten den Wirkstoff Desmopressin. Mit beiden Arzneimitteln wird Bettnässen behandelt.
In der Märzausgabe 2000 der "Monatsschrift Kinderheilkunde-Organ der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Organ der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde" war ein Inserat eingeschaltet, mit dem für Desmogalen geworben wurde. Im Inserat war neben dem Arzneimittel ein sichtlich stolzer Bub abgebildet; daneben fand sich der Text "Geschafft! Gleicher Wirkstoff wie in Minirin. Nur ein anderer Preis.* Minirin Nasenspray 5 ml DM 136,52; Desmogalen Spray 5 ml DM 96,50". Der im Inserat weiters abgedruckte Text war mit "Desmogalen Spray das Desmopressin-Generikum" überschrieben.
Die Beklagte bot der Klägerin am 20. 9. 2000 einen vollstreckbaren Vergleich an. Darin verpflichtete sie sich, "für Desmogalen, Spray 5 ml, in Österreich nicht zu werben, wenn nicht zugleich darauf hingewiesen wird, dass das entsprechende Arzneimittel in Österreich nicht zugelassen ist". Die Klägerin lehnte das Vergleichsangebot ab.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in wettbewerbswidriger Weise für das von ihr vertriebene Produkt Desmogalen Spray in Österreich Werbung zu betreiben, insbesondere für Desmogalen Spray durch Werbeeinschaltungen wie Klagebeilage ./3 oder in sonstiger Weise zu werben, solange Desmogalen Spray in Österreich nicht zugelassen ist. Obwohl Desmogalen in Österreich nicht zugelassen sei, könne es von österreichischen Abnehmern bezogen werden. Die Werbung könne daher den Wettbewerb der Beklagten fördern. Sie verschaffe ihr aber auch dadurch einen Vorteil, dass das Arzneimittel durch die Werbung vor der Zulassung einen hohen Bekanntheitsgrad erreiche, der ihm nach der Zulassung zugute komme. In Österreich werde die Monatsschrift Kinderheilkunde an rund 1.000 Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde versandt. Werbung für eine nicht zugelassene Arzneispezialität verstoße gegen § 50 Abs 1 Z 1 AMG und damit gleichzeitig gegen §§ 1, 2 UWG.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Werbeeinschaltung richte sich - wie der Preis in DM zeige - ausschließlich an deutsche Kinderärzte. Das Unterlassungsbegehren sei zu weit und zu unbestimmt. Die Beklagte habe der Klägerin aber dennoch einen vollstreckbaren Vergleich samt Ermächtigung zur Veröffentlichung angeboten.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Werbemaßnahmen, die gegen gesetzliche Verbote verstoßen, seien regelmäßig geeignet, einen Wettbewerbsvorsprung vor den Mitbewerbern zu verschaffen. Das beanstandete Inserat sei eine wettbewerbsfördernde Werbemaßnahme. Das Produkt erreiche dadurch bereits vor der Zulassung einen hohen Bekanntheitsgrad. Die nationale Werbebeschränkung des § 50 AMG solle den Ausnahmecharakter der Einzeleinfuhr nicht zugelassener Arzneimittel wahren. Durch das Vergleichsangebot sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen. Der von der Beklagten angebotene Hinweis auf die fehlende Zulassung lasse die Wirksamkeit der Werbung unberührt.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Arzneimittelwerbung erstrecke sich auch auf Österreich, weil die Zeitschrift auch hier regelmäßig verbreitet werde. Die Werbung sei geeignet, den Absatz des Arzneimittels in Österreich zu fördern, auch wenn es hier nicht zugelassen sei. Das Arzneiwareneinfuhrgesetz erlaube den grenzüberschreitenden Bezug kleinerer Mengen von Arzneimitteln. Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht liege nicht vor, weil der "freie Warenverkehr" für Arzneimittel bisher nicht realisiert sei. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen. Der verpönte Werbecharakter der Einschaltung werde nicht dadurch aufgehoben, dass er verneint oder seine Geltung regional eingeschränkt werde. Das Unterlassungsgebot sei weder zu unbestimmt noch zu weit gefasst.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Die Beklagte macht geltend, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Inserat nicht als Werbung für den Absatz von Desmogalen in Österreich auffassten. Es liege daher keine Werbung im Sinne des § 50 Abs 1 AMG vor, die sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG begründen könnte. Das Inserat sei auch nicht zur Irreführung geeignet, weil es nicht den Eindruck erwecke, dass Desmogalen in Österreich zugelassen sei.
Bevor auf die Ausführungen der Beklagten eingegangen wird, ist darauf zu verweisen, dass die Vorinstanzen zu Recht österreichisches Recht angewandt haben. Nach § 48 Abs 2 IPRG sind Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb nach dem Recht des Staates zu beurteilen, auf dessen Markt sich der Wettbewerb auswirkt. Das ist im vorliegenden Fall der österreichische Markt; es ist daher österreichisches Wettbewerbsrecht anzuwenden.
Die Klägerin hat ihren Anspruch vor allem auf § 50 Abs 1 AMG iVm § 1
UWG gestützt; nach § 50 Abs 1 AMG darf Arzneimittelwerbung nur für
zugelassene Arzneispezialitäten oder Arzneimittel betrieben werden,
die im Arzneibuch im Sinne des § 1 Arzneibuchgesetz genannt sind. Mit
der Einschaltung des Inserats in einer Zeitschrift, die
bestimmungsgemäß auch in Österreich vertrieben wird, wirbt die
Beklagte auch hier für Desmogalen und damit für ein (in Österreich)
nicht zugelassenes Arzneimittel. Ein Gesetzesverstoß begründet jedoch
nur dann sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG, wenn er
subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem Gesetzesbrecher einen
sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen gesetzestreuen
Mitbewerbern zu verschaffen (stRsp ua 4 Ob 71/92 = ÖBl 1992, 268 -
Naturfreunde; 4 Ob 35/00a = ÖBl 2001, 63 - Teppichknoten, jeweils
mwN).
Das Rekursgericht hat - der Klägerin folgend - den Einfluss der Werbemaßnahme auf die Wettbewerbslage in Österreich mit der Möglichkeit einer Einzeleinfuhr nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz begründet. Es hat dabei nicht beachtet, dass ein in Österreich nicht zugelassenes Arzneimittel nur in sehr beschränktem Rahmen ohne Einfuhrbewilligung eingeführt werden kann.
Gemäß § 5 Abs 1 Z 8 Arzneiwareneinfuhrgesetz bedarf die Einfuhr keiner Einfuhrbewilligung, wenn das Arzneimittel in einer dem üblichen persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge aus einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) bezogen wird, dort in Verkehr gebracht werden darf und dort der Rezeptpflicht unterliegt. In Österreich kann Desmogalen demnach nur in einer Menge bezogen werden, die dem üblichen persönlichen Bedarf des Empfängers entspricht.
Mit Desmogalen wird Bettnässen behandelt. Ein Interesse, dem Patienten das billigere Arzneimittel zu verschreiben, damit er es aus Deutschland beziehen, kann, wenn überhaupt, so nur dann bestehen, wenn das behandelte Kind nicht versichert ist und die Arzneimittelkosten daher vom Unterhaltspflichtigen getragen werden müssen. Das wird erfahrungsgemäß nur bei einem sehr kleinen Personenkreis der Fall sein. Werden hingegen - wie im Regelfall - die Arzneimittelkosten von der Krankenkasse getragen und ist - wie im vorliegenden Fall - ein Arzneimittel, das den gleichen Wirkstoff enthält, in Österreich zugelassen, so ist nicht ersichtlich, warum der Patient das Arzneimittel aus Deutschland beziehen sollte. In dem der - von der Klägerin zitierten - Entscheidung 4 Ob 195/97y (= ÖBl 1998, 219 - MS-Präparate) zugrunde liegenden Fall war in Österreich kein gleichwertiges Arzneimittel erhältlich gewesen.
Ein Verstoß der Beklagten gegen § 50 Abs 1 AMG ist daher nicht geeignet, ihr einen Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen: Es ist weder anzunehmen, dass Desmogalen in einem ins Gewicht fallenden Umfang von österreichischen Kinderärzten verschrieben werden könnte, noch ist damit zu rechnen, dass die Werbung das Produkt noch vor der Zulassung und Markteinführung in Österreich bekanntmachen und der Beklagten dadurch einen Startvorteil verschaffen werde.
Die beanstandete Werbung ist eine reine Preiswerbung; geworben wird mit dem Preis, den die Beklagte in Deutschland für ihr Produkt verlangt. Wird das Arzneimittel in Österreich auf den Markt gebracht, so wird ein Preis festgelegt werden, der dem in Deutschland verlangten Preis keineswegs entsprechen muss. Der Markterfolg von Desmogalen in Österreich wird vom hier verlangten Preis abhängen; die Werbung mit dem Preisvorteil in Deutschland hat für einen künftigen Vertrieb in Österreich daher nur sehr eingeschränkte Bedeutung.
Ist der Verstoß der Beklagten gegen § 50 Abs 1 AMG nicht geeignet, ihr einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, so kann der Beklagten auch kein sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG vorgeworfen werden. Schon aus diesem Grund ist der Sicherungsantrag nicht berechtigt, soweit er auf § 1 UWG gestützt wird; auf die von der Rechtsmittelwerberin erörterte Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr durch das Angebot, das Inserat mit aufklärenden Zusätzen zu versehen, und auf die von ihr ebenfalls behandelte Frage, ob das Gemeinschaftsrecht einem Werbeverbot entgegensteht, braucht nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Klägerin hat auch vorgebracht, dass die Beklagte mit der beanstandeten Werbung auch gegen § 2 UWG verstoße; sie hat dies aber weder näher begründet noch im Unterlassungsbegehren zum Ausdruck gebracht. In Frage käme allein der irreführende Eindruck, dass Desmogalen in Österreich zugelassen sei; dieser Eindruck wird aber nicht erweckt, wenn - wie im vorliegenden Fall - in einer in erster Linie für Ärzte in Deutschland bestimmten Zeitschrift mit einem in D-Mark angegebenen Preis geworben wird und im Inserat jeder Bezug zu Österreich fehlt.
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)