OGH 4Ob225/01v

OGH4Ob225/01v16.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte der Österreichischen Ärztekammer, Wien 1, Weihburggasse 10-12, vertreten durch Schönherr Barfuß Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Bundesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure, Wien 4, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 26. Juli 2001, GZ 2 R 3/01b-10, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1. Zur Aktivlegitimation:

Die Klägerin ist ein Organ der Österreichischen Ärztekammer (§ 120 Z 4 ÄrzteG iVm § 126 Abs 4 ÄrzteG). Ihr kommt insofern Rechtspersönlichkeit zu, als sie berechtigt ist, die ihr gem § 126 ÄrzteG übertragenen Angelegenheiten in eigenem Namen wahrzunehmen (§ 117 Abs 4 ÄrzteG). Die in § 126 Abs 4 ÄrzteG genannten Angelegenheiten sind jene auf Wahrnehmung und Förderung der gemeinsamen beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte; dass darunter auch die Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken fällt, kann nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zweifelhaft sein, zumal die der Generalklausel nachfolgende Aufzählung nur taxativ ist (arg. ...insbesondere ...). Dass es zum befugten Tätigwerden der Klägerin im Einzelfall noch eines Übertragungsaktes (Übertragungsbeschlusses) bedürfte, kann dem Gesetz ebensowenig entnommen werden wie eine Einschränkung dahin, eine übertragene Angelegenheit liege nur dann vor, wenn davon ausschließlich die Interessen der Mitglieder der entsprechenden Bundeskurie (und nicht auch solche von Mitgliedern anderer Bundeskurien) betroffen seien.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat die beanstandeten Äußerungen als Verstoß gegen § 1 UWG beurteilt und im Hinblick darauf die Aktivlegitimation gem § 14 UWG bejaht. Dies hält sich im Rahmen der Rechtsprechung, wonach die Pauschalabwertung eines Mitbewerbers, dessen unnötiges Bloßstellen oder aggressive Tendenzen ihm gegenüber das Sachlichkeitsgebot verletzt und damit gegen § 1 UWG verstößt (MR 1999, 186 - Negative Smile mwN; ÖBl-LS 01/51 - Telekom). Der von der Beklagten zitierten Entscheidung JBl 1993, 330 lag insoweit ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort nicht sittenwidrige Pauschalabwertungen, sondern konkrete betriebs- und kreditschädigende Tatsachenbehauptungen über Waren der Mitbewerberin vorlagen, die als Verstoß gegen § 7 UWG verboten wurden.

2. Zur Mitbewerbereigenschaft der Beklagten

Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass zwar der Begriff eines "potentiellen Mitbewerbers" dem Gesetze fremd ist (SZ 25/181), jedoch konkrete Handlungen zur Vorbereitung künftigen Wettbe- werbs, die über ein Verhalten bloß potentiellen Wettbewerbs hinausgehen, Wettbewerbshandlungen iSd UWG sind (ÖBl 1981, 96 - Rauchfangkehrer-Kehrbezirk; ÖBl 1983, 110 - Zirkus Medrano; JBl 1991, 390 [Pfersmann] = MR 1991, 159 - Zahnprothetiker; MR 1999, 186 - Talfahrt der A). Für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses genügt es bereits, dass Gewerbetreibende künftig den gleichen Kundenkreis haben; daher ist nicht nur auf den gerade bestehenden, sondern auch auf den Kundenkreis abzustellen, der sich bei einer nach den Umständen zu erwartenden Ausdehnung des Unternehmens, einer Erweiterung der Produktion oder einer Änderung der Nachfrage möglicherweise ergeben kann (MR 1999, 186 - Talfahrt der A). Dem Wettbewerbsrecht unterstehen auch Handlungen, die der Vorbereitung eigener, künftig erweiterter Befugnisse dienen (MR 1991, 159 - Zahnprothetiker).

Das Rekursgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Zwar sind gewerbliche Masseure schon jetzt gem § 165 GewO berechtigt, nach Anordnung eines Arztes Heilmassagen durchzuführen, doch ist diese Bestimmung mangels Erlassung einer Verordnung, welche Ausbildung ein Heilmasseur aufweisen muss, bisher wirkungslos geblieben. Die beanstandete Flugzettel- und Unterschriftenaktion hat aber - sowohl nach dem Zugeständnis der Beklagten (AS 47) als auch nach ihren Inhalt - ua darauf abgezielt, die Erlassung einer Heilmasseur-Verordnung zu beschleunigen und damit den zukünftigen Tätigkeitsbereich der gewerblichen Masseure auch auf die (Ärzten vorbehaltene) Massage kranker Personen (vgl Ärzteausbildungsordnung Anl 33/Physikalische Medizin/C 12) auszuweiten. Damit liegt eine Vorbereitungs- handlung zukünftig erweiterter Befugnisse im Sinne der zitierten Rechtsprechung vor.

3. Zum Handeln im geschäftlichen Verkehr

Unter den Begriff des "geschäftlichen Verkehrs" fällt jede selbständige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit im Gegensatz zu rein privater oder amtlicher Tätigkeit, also jede geschäftliche Betätigung im weitesten Sinn, ohne dass Gewinnabsicht notwendig wäre; vielmehr genügt eine selbst- ständige, zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt (stRsp ua ÖBl 1996, 191-Cliniclowns; ÖBl 1996, 234-Zimmerpreisliste; EvBl 2000/107 = MR 2000, 107 - L-Nachrichten).

Keine zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit liegt vor, wenn politische Parteien oder Betriebsratsfraktionen am Erwerbsleben teilnehmen, soweit sie im Bereich der politischen Auseinandersetzung bleiben. Das gilt ungeachtet dessen, dass politische Parteien die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen und damit auch wirtschaftliche Interessen vertreten. Soweit sie nicht konkrete Unternehmensinteressen vertreten, handeln sie auch in diesem Zusammenhang regelmäßig nicht zu wirtschaftlichen Zwecken, sondern sie kommen damit ihrem Auftrag als politische Partei nach (EvBl 2000/107 = MR 2000, 107 - L-Nachrichten; ebenso für Betriebsratsfraktionen: ÖBl 2000, 213 - Betriebsrat aktuell).

Die Beklagte, eine Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 3 Abs 1 KG), ist Interessenvertreterin ihrer Mitglieder (§ 1 Abs 1 WKG) und ein selbständiger Wirtschaftskörper (§ 3 Abs 2 WKG). Sie vertritt demnach - anders als politische Parteien oder eine Betriebsratsfraktion - konkrete Unternehmensinteressen, weshalb ihr Handeln grundsätzlich im geschäftlichen Verkehr erfolgt. Von der Frage, ob auch Arbeitgeberverbände insoweit nicht dem Wettbewerbsrecht unterliegen, als sie eine zum sozialpolitischen Bereich gehörende Tätigkeit ausüben, hängt die Entscheidung nicht ab: Die hier beanstandete Aktion diente jedenfalls weit überwiegend der wirtschaftlichen Interessenvertretung der Mitglieder der Beklagten; demgegenüber treten allfällige sozialpolitische Absichten bei weitem in den Hintergrund.

Das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK; Art 13 StGG) findet bei Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung seine Grenze in einer unwahren Tatsachenbehauptung; dass eine solche nicht unter Berufung auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit gestattet ist, vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung (ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind; MR 1993, 14 - Spitzelakte; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre; MR 1997, 85 - Luxuswohnung; SZ 70/180 ua). Für die pauschale Abwertung einer ganzen Berufsgruppe gilt nichts Anderes.

4. Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung der Beklagten

Der wettbwerbsrechtliche Unterlassungsanspruch richtet sich nicht nur gegen den unmittelbaren Täter (Störer), sondern auch gegen Mittäter, Anstifter und Gehilfen des eigentlichen Störers. Für wettbewerbswidriges Verhalten eines anderen hat jeder einzustehen, der den Wettbewerbsverstoß durch eigenes Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht hat (ÖBl 1998, 33 - Ungarischer Zahnarzt; ÖBl 1999, 229 - ERINASOLUM, ÖBl 2001, 26 - gewinn.at je mwN). "Gehilfe" im Sinne dieser Rechtsprechung ist derjenige, der den Täter bewusst fördert (ÖBl 1991, 101 - Einstandsgeschenk ua).

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist der Hinweis der Beklagten nicht zielführend, sie habe lediglich für den Druck der Flugblätter und deren Verteilung an ihre neun selbständigen Landesinnungen gesorgt, nicht aber eine Weiterverteilung zu verantworten: Allein auf Grund des Inhalts ("... je mehr Unterschriften wir sammeln [auch über den Kunden- und Freundeskreis hinaus], umso größer ist auch die Beachtung ...") musste die Beklagte damit rechnen, dass der in den beanstandeten Passagen gegen § 1 UWG verstoßende Text weit über ihren Mitgliederkreis hinaus bekannt wird. Das Rekursgericht hat ihre wettbewerbs- rechtliche Haftung daher auch unter diesem Gesichtspunkt frei von Rechtsirrtum bejaht.

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