Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Unstrittig ist, dass beim Pflegebedürftigen der erforderliche Pflegebedarf nach § 4 Abs 1 BPGG durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt; strittig ist allein noch die Frage, ob bei ihm für den Zeitraum 1. Mai 1997 bis 31. Dezember 1997 die Voraussetzungen für Pflegegeld der Stufe 6 (Erfordernis der dauernden Beaufsichtigung oder ein gleichzuachtender Pflegeaufwand) vorliegen oder nicht.
Der Pflegebedürftige Peter T***** wurde bis zu seinem Tod am 9. Jänner 1998 in einem Pflegeheim gepflegt. Bis zu seinem letzten, vom 22. Mai bis 21. Juni 1997 dauernden Krankenhausaufenthalt versuchte man, ihn in der Weise zu mobilisieren, dass er aus dem Bett herausgesetzt wurde. Nach seinem letzten Krankenhausaufenthalt lehnte er einen solche Mobilisierung ab. Er war zuletzt sehr depressiv und zeigte keinen Lebenswillen mehr. Sechs bis sieben Mal täglich wurde er umgelagert. Dieses Umlagern begehrte er selbst, indem er eine Klingel, die ihm teilweise in die Hand gegeben wurde, die teilweise aber auch auf der Bettdecke lag, betätigte. Zu einer solchen Klingelbetätigung reichte die Funktionsfähigkeit seiner linken oberen Extremität noch bis zuletzt aus. Untertags war Peter T***** nicht verwirrt. Seine reaktive Depression hatte keine Antriebslosigkeit zur Folge. Er läutete zwar fallweise nicht, obwohl seine Windel nass war; dadurch trat aber keine Gefährdung ein, zumal ein solcher Aufwand durch Pflegepersonal anlässlich von immer wieder im Rahmen von üblichen Pflegemaßnahmen erfolgenden Besuchen sofort behoben wurde. Sechs bis sieben Mal täglich kam es vor, dass Peter T***** - zusätzlich zu solchen Besuchen - das Pflegepersonal durch Läuten herbeirief, dies teilweise, um eine Umlagerung zu erreichen; teilweise hatte Peter T***** den Grund für das Herbeirufen des Pflegepersonals auch vergessen, als die herbeigerufene Person erschien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren der gemäß § 19 Abs 3 BPGG fortsetzungsberechtigten Verlassenschaft nach dem verstorbenen Pflegebedürftigen, ihr für den Zeitraum 1. Mai 1997 bis 31. Dezember 1997 anstelle des rechtskräftig zuerkannten Pflegegeldes der Stufe 5 ein solches der Stufe 6 zu zahlen, statt.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil insoweit ab, als entsprechend dem seinerzeit angefochtenen Bescheid Pflegegeld der Stufe 5 zugesprochen und das Begehren auf Pflegegeld in Höhe der Differenz zwischen der Stufe 5 und der Stufe 6 abgewiesen wurde.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).
Für die Pflegegeldstufe 6 ist erforderlich, dass zum 180 Stunden im Monat Durchschnitt übersteigenden zeitlichen Aufwand eine "dauernde Beaufsichtigung des Pflegebedürftigen oder ein gleichzuachtender Pflegeaufwand" kommt. Die Einordnung in Stufe 6 sollte nach der Regierungsvorlage zum BPGG (796 BlgNR 18. GP) nur bei Vorliegen des Erfordernisses der dauernden Beaufsichtigung zulässig sein. Dieser Tatbestand betrifft in erster Linie Pflegebedürftige mit geistiger oder psychischer Behinderung. Durch die im Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgenommene Erweiterung der Anspruchsvoraussetzungen für die Stufe 6 durch die Wortfolge "oder ein gleichzuachtender Pflegeaufwand" sollte auch körperlich behinderten Menschen der Zugang zu dieser Stufe ermöglicht werden (908 BlgNR 18. GP, 4).
Unter dauernder Beaufsichtigung ist die Notwendigkeit einer weitgehend permanenten Anwesenheit einer Pflegeperson im Wohnbereich bzw in unmittelbarer Nähe des Pflegebedürftigen zu verstehen (Gruber/Pallinger, BPGG Rz 57 zu § 4; stRsp des Senates: RIS-Justiz RS106362). Die dauernde Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen wird vor allem dann erforderlich sein, wenn im Einzelfall besonders häufig und/oder besonders dringend (zB wegen sonstiger Selbstgefährdung) ein Bedarf nach fremder Hilfe auftritt; dieser Gesichtspunkt gibt auch den Ausschlag für die Einstufung von körperlich Behinderten in Stufe 6, weil dieser Personengruppe ganz offenbar ebenfalls ein Zugang zur zweithöchsten Pflegegeldstufe ermöglicht werden sollte (Pfeil, Pflegevorsorge in Österreich, 198; RIS-Justiz RS0107442). Nach den Richtlinien des Hauptverbandes für die einheitliche Anwendung des BPGG nach § 31 Abs 5 Z 23 ASVG, SozSi 1994, 686 (Amtl Verlautbarung 120/1994), die allerdings nach der wiederholt dargelegten Auffassung des Senates für Gerichte nicht bindend sind (SSV-NF 10/131 = SZ 69/278), wird ein dem Erfordernis dauernder Beaufsichtigung gleichzuachtender Zustand dann angenommen, wenn eine intensive, zeitlich unkoordinierbare Pflegeleistung beim immobilen oder mobilen Pflegebedürftigen zu erbringen ist (§ 17 Abs 2 Z 3 lit b dieser Richtlinien). Diese Umschreibung der Erfordernisse für eine Einstufung in die Stufe 6 deckt sich im wesentlichen mit der Auffassung des Obersten Gerichtshofes.
Aus den Feststellungen ergibt sich kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass der Zustand des Pflegebedürftigen eine solche dauernde Beaufsichtigung oder einen gleichzuachtenden Pflegeaufwand erfordert hat. Auch wenn Peter T***** fallweise nicht läutete, obwohl seine Windel nass war, trat dadurch keine Gefährdung ein, zumal ein solcher Aufwand durch Pflegepersonal anlässlich von immer wieder im Rahmen von üblichen Pflegemaßnahmen erfolgenden Besuchen sofort behoben wurde. Sechs bis sieben Mal täglich täglich wurde er umgelagert, was er selbst durch Betätigen der Klingel anforderte. Unter diesen Umständen war eine weitgehend permanente Anwesenheit einer Pflegeperson im Heimbereich oder in unmittelbarer Nähe des Pflegebedürftigen nicht erforderlich, und es musste auch keine intensive, zeitlich unkoordinierbare Pflegeleistung erbracht werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er schon durch eine koordinierte oder koordinierbare Pflege ausreichend versorgt war, um seine Verwahrlosung zu verhindern. Das Betätigen der Klingel (das fallweise nicht zu einem gezielten Einsatz führte) diente nicht dazu, dass die Gefahr einer Verwahrlosung dadurch jeweils aktuell abgewendet werden konnte; dies konnte auch durch regelmäßige Besuche einer Pflegeperson verhindert werden.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.
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