OGH 4Ob213/01d

OGH4Ob213/01d25.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei M***** AG, *****, vertreten durch Dr. Günther Grassner und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei T***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Manak und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 15,000.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. August 2001, GZ 46 R 580/01m-12, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. Juli 2001, GZ 19 C 1207/01w-4, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in der Hauptsache mangels Anfechtung unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch über die Sicherheitsleistung dahin abgeändert, dass dieser nunmehr zu lauten hat: "Diese einstweilige Verfügung bleibt nur wirksam, wenn die gefährdete Partei eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5,000.000 S binnen 10 Tagen erlegt."

Die gefährdete Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 24.894,90 S (darin 4.149,15 S USt) bestimmten halben Kosten der Revisionsrekursbe- antwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile betreiben Telekommunikationsnetze, die infolge einer vertraglichen Vereinbarung miteinander verbunden sind.

Das Erstgericht untersagte zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei, den zwischen den Parteien abgeschlossenen Zusammenschaltungsvertrag samt Ergänzungsvereinbarung vom 15. 1. 2001 zuzuhalten der Gegnerin der gefährdeten Partei mittels einstweiliger Verfügung wegen der mit deren Schreiben vom 27. 6. 2001 geltend gemachten Kündigungsgründe die aufgrund der genannten Verträge derzeit bestehende Zusammenschaltung des Netzes der gefährdeten Partei vom Netz der Gegnerin der gefährdeten Partei zu trennen; zur Einbringung der Rechtfertigungsklage wurde eine Frist bis zum 16. 8. 2001 gesetzt. Bescheinigt sei, dass die Gegnerin der gefährdeten Partei gegenüber der gefährdeten Partei auf ihr Kündigungsrecht verzichtet habe; das Kündigungsrecht solle aber vereinbarungsgemäß wieder aufleben, falls entweder die Verbindlichkeiten der gefährdeten Partei 4,000.000 S überstiegen und die Forderung nicht binnen einer Woche ab Aufforderung beglichen werde, oder nach dem 12. 1. 2001 entstandene Verbindlichkeiten nicht vertragsgemäß beglichen würden. Keine dieser Bedingungen sei erfüllt, die Ausübung des Kündigungsrechts daher vertragswidrig.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss in der Hauptsache und änderte ihn im Übrigen dahin ab, dass es die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 15,000.000 S binnen fünf Tagen abhängig machte; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. Das Rekursgericht hielt zusätzlich für bescheinigt, dass eine zugunsten der Gegnerin der gefährdeten Partei eingeräumte Bankgarantie der gefährdeten Partei über 5,000.000 S mittlerweile abgerufen worden sei; es stehe aber nicht mit ausreichender Sicherheit fest, ob nicht die Streitteile den aufrechten Bestand der Bankgarantie zur Bedingung für den Verzicht der Gegnerin der gefährdeten Partei auf ihr Kündigungsrecht gemacht hätten. Damit sei der zu besichernde Anspruch nicht ausreichend bescheinigt, was durch eine Sicherheitsleistung auszugleichen sei. Deren Höhe richte sich einerseits nach dem von der gefährdeten Partei angegebenen Streitwert, andererseits danach, dass nach dem Vorbringen die Bankgarantie zur Besicherung eines Zeitraums von rund 14 Tagen gedacht gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass die einstweilige Verfügung eine Netztrennung verhindert habe, die am 5. 7. 2001 vorgenommen worden wäre, ergebe sich, dass zum Zeitpunkt der Rekursentscheidung (9. 8. 2001) eine Sicherheitsleistung in der aufgetragenen Höhe angemessen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil schwerwiegende Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können (MietSlg 50.147; Arb 11.843 uva); das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass im Provisorialverfahren das Revisionsrekursverfahren auch in jenen Fällen, in denen nur eine auferlegte Sicherheitsleistung bekämpft wird, zweiseitig ist: Es liegt jedenfalls ein Fall des § 402 Abs 1 erster Fall EO vor (so schon 10 Ob 2319/96v); auch wird durch die Entscheidung über die Sicherheitsleistung die Wirksamkeit, der Bestand und der Vollzug der einstweiligen Verfügung berührt (vgl Kodek in Angst, EO § 402 Rz 2). Die von der gefährdeten Partei erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist daher zulässig.

Gemäß § 390 EO kann das Gericht sowohl bei nicht ausreichender Bescheinigung des behaupteten Anspruchs als auch dann, wenn Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe in die Interessen des Antragsgegners bestehen, den Vollzug der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheit abhängig machen. Das Gericht hat die Sicherheit nach freiem Ermessen zu bestimmen (Kodek aaO § 390 Rz 10; EvBl 1967/37; ÖBl 1979, 66 - Sektspiel; ÖBl 1989, 14 - C & G; AnwBl 1991, 742; 4 Ob 1090/95). Eine Sicherheitsleistung nach § 390 Abs 1 EO kann auch erstmals durch das Gericht zweiter Instanz auferlegt werden (Kodek aaO § 390 Rz 16 mwN; ÖBl 1975, 110; 4 Ob 399/81 ua); dass dieses die Höhe der Kaution nach anderen Grundsätzen zu bemessen hätte als das Gericht erster Instanz, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auf die Vermögensverhältnisse der gefährdeten Partei kann bei der Beurteilung der Frage, ob und in welcher Höhe eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen ist, grundsätzlich nicht Rücksicht genommen werden, es sei denn, die gefährdete Partei wäre durch die Handlungsweise ihres Gegners in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten (Kodek aaO Rz 11 mwN); dass letzteres hier der Fall gewesen wäre, hat die gefährdete Partei nicht behauptet.

Soweit sich die Rechtsmittelwerberin auf die Rechtsprechung beruft, wonach die auferlegte Sicherheitsleistung nicht so hart sein darf, dass sie die Durchführung einer an sich berechtigten Verfügung verhindert (SZ 28/9; EvBl 1967/37; ÖBl 1971, 28; MietSlg 31.859), ist ihr entgegenzuhalten, dass von einer "an sich berechtigten Verfügung" nur gesprochen werden kann, wenn der Antragsteller seinen Anspruch zur Gänze bescheinigt hat und die Sicherheitsleistung dennoch auferlegt wird, weil die einstweilige Verfügung tief in die Interessen des Antragsgegners eingreift (§ 390 Abs 2 EO; ÖBl 1989, 14 - C & C Markt; 4 Ob 1090/95). Im vorliegenden Fall wurde die Sicherheitsleistung jedoch auferlegt, weil die gefährdete Partei ihren Anspruch nicht ausreichend bescheinigt hat.

Die Sicherheit dient der Sicherstellung der Kosten und des Ersatzanspruchs, den der Gegner hat, wenn sich die einstweilige Verfügung als unberechtigt erweist. Wenn die Frage, ob in welcher Höhe durch den Vollzug der einstweiligen Verfügung ein Schaden entstehen wird, gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann, genügt die Festsetzung einer verhältnismäßig niedrigen Kaution. Sollte sie sich als unzureichend herausstellen, kann sie jederzeit erhöht werden (Kodek aaO § 390 Rz 9; stRsp MietSlg 49.733; ÖBl 1998, 225 - Haftgel mwN).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die vom Rekursgericht angeordnete Kaution als zwar dem Grunde nach berechtigt, der Höhe nach aber als weit überzogen. Zur Höhe des drohenden Schadens weist die Rechtsmittelwerberin nämlich zutreffend auf die (unstrittige) vertragliche Möglichkeit der Gegnerin der gefährdeten Partei hin, den Vertrag zu kündigen, falls der Zahlungsrückstand 4,000.000 S übersteigt. Auch hat die Gegnerin der gefährdeten Partei selbst in ihrem Rekurs ON 5 (AS 93) eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5,000.000 S als offenbar ausreichend erachtet. Kein taugliches Bemessungskriterium ist jedenfalls die Bewertung des Streitgegenstands durch die gefährdete Partei selbst, weil diese ja auf deren eigene wirtschaftliche Interessen und nicht auf die Höhe eines ihrem Prozessgegner möglicherweise erwachsenden Ersatzanspruchs abstellt.

Dem Revisionsrekurs ist daher teilweise Folge zu geben und die Höhe der Sicherheitsleistung mit 5,000.000 S festzusetzen. Eine Zahlungsfrist von zehn Tagen erscheint angemessen.

Die Entscheidung über die Kosten der gefährdeten Partei beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Gegnerin der gefährdeten Partei auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die gefährdete Partei hat im Revisionsrekursverfahren eine Herabsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung sowie eine Verlängerung der Erlagsfrist erreicht; mangels anderer Anhaltspunkte für die Bewertung sind Unterliegen und Obsiegen jeweils mit gleichen Teilen zu bewerten.

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