Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Peter Kurt W***** wurde des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.
Darnach hat er sich von etwa Juni 1995 bis 5. Feber 1998 in S***** und anderen Orten Österreichs durch den Vertrieb im Einzelnen angeführter Druckwerke auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt. Die nominell nur aus Z 5, 6 und 8, der Sache nach auch aus Z 11 lit b des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
Durch Ablehnung des Antrages, Dr. E***** wegen angeblicher Befangenheit und mangels hinreichender Sachkenntnis als Sachverständige in der Hauptverhandlung nicht zu vernehmen, wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt (Z 4).
Richtig ist, dass die - außer dem Fall des § 252 Abs 1 StPO - in dessen Abhörung bestehende Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung durch das Vorbringen erheblicher Einwendungen verhindert werden kann, auch wenn dieser bereits ein schriftliches Gutachten abgegeben hat (EvBl 1997/82). Nach § 248 Abs 1 erster Satz StPO hat das Gericht bei der Beurteilung solcher Einwendungen auf ihre rechtliche Erheblichkeit die für den Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung erteilten Vorschriften zu beobachten, soweit sie nicht ihrer Natur nach als in der Hauptverhandlung unausführbar erscheinen. Auf den Anschein der Befangenheit gestützte Einwendungen sind dabei von solchen zu scheiden, die mit mangelnder Sachkenntnis der als Sachverständiger abzuhörenden Person begründet werden. Ob sich die als Sachverständiger beizuziehende Person schon vor der Hauptverhandlung eine Meinung über den Fall gebildet hat, ist für die Beurteilung des Anscheins der Befangenheit schon deshalb ohne Bedeutung, weil eine vorläufige Meinungsbildung spätestens mit Abgabe des schriftlichen Gutachtens füglich nicht mehr zu bestreiten ist und solcherart ansonsten kein mit der Abgabe eines schriftlichen Gutachtens beauftragter Gutachter in der Hauptverhandlung abgehört werden dürfte - ein Ergebnis das offen den Verfahrensgesetzen widerspricht und den Grundsatz als zutreffend erweist. Abhörung oder Verlesung des abgegebenen schriftlichen Gutachtens sind infolge Anscheins von Befangenheit vielmehr nur dann unzulässig, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen (vgl Mayerhofer StPO4 § 72 E 10, EvBl 1997/82).
Allein aus einer vom Gutachtensauftrag nicht erfassten und daher unangebrachten rechtlichen Beurteilung zur Stellungnahme übermittelter Texte kann eine solche Befürchtung jedoch nicht abgeleitet werden. Dazu kommt, dass Dr. E***** die kritisierten rechtlichen Erwägungen nur obenhin und ohne konkrete Subsumtion angestellt hat (Bd III, Seite 83; Bd VII, Seite 17). Von vornherein unbedenklich sind - in ihrer sachlichen Richtigkeit bei der Antragstellung gar nicht bestrittene - Aussagen wissenschaftlicher Publikationen aus dem Sachbereich des Gutachtensauftrages (Seite 112 und FN 102 des von Dr. E***** im Residenz Verlag unter dem Titel "Umkämpfte Erinnerung" mit herausgegebenen Buches; Bd VII, Seiten 165 ff). Sie indizieren Befähigung, nicht Befangenheit. Wurde das schriftliche Gutachten bereits abgegeben, bedarf es zur Beiziehung eines weiteren Sachverständigen wegen fehlender Sachkenntnis des beauftragten eines an den Kriterien der §§ 125 f StPO ausgerichteten Antragsvorbringens, an dem es vorliegend gebricht (vgl Bd VIII, Seite 171). Denn auch der Untersuchungsrichter hätte sich daran auszurichten (§ 248 Abs 1 erster Satz StPO). Dass sie sich selbst mangels ausreichender Kenntnis des Talmud nicht in der Lage sehe, dem Gutachtensauftrag zu entsprechen, hat Dr. E***** keineswegs behauptet.
Weshalb es schließlich nötig sein sollte, zur Beurteilung des tatbildlichen Charakters eines ganz bestimmten Buches alle Bücher einer Buchhandlung in dieser Richtung zu überprüfen (vgl Bd VIII, Seite 171), ist nicht nachzuvollziehen.
Damit liegt offen zutage, dass die Verfahrensrüge unbegründet ist und keiner Erörterung im Gerichtstag bedarf (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO). Das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde entspricht nicht dem Gesetz (§ 285a Z 2 StPO).
Die Fragenrüge (Z 6) macht nicht deutlich, warum Verfahrenseinstellung in Hinsicht auf Druckwerke, in welchen vom Schuldspruch erfasste Publikationen "angeboten wurden", dem - im Antrag als Buchhändler bezeichneten (Bd VIII, Seite 171; vgl § 9 Abs 2 zweiter Fall und Abs 3 StGB) - Angeklagten das Unrecht einer "Betätigung im nationalsozialistischen Sinne" verhüllt haben sollte. Ob er den normativen Gehalt des Tatbildmerkmals "nationalsozialistisch" erfasst hat (§ 5 Abs 1 StGB), war ohnehin Gegenstand der Fragestellung an die Geschworenen (vgl 13 Os 43/98, 13 Os 11/01). Nicht weniger unklar bleibt, warum die Geschworenen entgegen § 311 StPO nach dem prozessualen Verfolgungshindernis des § 263 Abs 2 StPO hätten befragt werden müssen. Als Rechtsrüge (Z 11 lit b) verstanden, aber hätte es zu gesetzeskonformer Ausführung des Hinweises auf ein konkretes Vorbringen in der zum AZ 3b E Vr 1274/95 des Landesgerichtes Salzburg geführten Hauptverhandlung bedurft, das als Beschuldigung des Inhalts gewertet werden könnte, die der Verurteilung zugrundeliegende tatbestandliche Handlungseinheit begründet zu haben.
Der Instruktionsrüge (Z 8) hinwieder ist nicht zu entnehmen, warum die Geschworenen über Verfolgungshindernisse, die der Entscheidung des Schwurgerichtshofes vorbehalten sind, zu belehren und weshalb nicht gestellte Fragen im Rahmen der Rechtsbelehrung zu erörtern gewesen wären.
Die Rechtsrüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 11 lit b) macht nicht deutlich, warum der Vertrieb der vom Schuldspruch erfassten Druckwerke durch die Erwähnung von Teilen ihres Inhaltes in einer von Verfahrenseinstellung (Seiten 3yy, 3zz des Antrags- und Verfügungsbogens) betroffenen Publikation zum Gegenstand dieser Verfügung (§ 352 Abs 1 StPO) geworden und damit gegen das aus dem XX. Hauptstück der StPO und Art 4 Abs 1 7. ZPMRK erhellende Verbot, nicht erneut in der selben Sache zu entscheiden, verstoßen worden sein soll.
Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nicht öffentlicher Sitzung (§§ 344, 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.
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