OGH 13Os11/01

OGH13Os11/0125.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert D***** wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 7. November 2000, GZ 7 Vr 679/98-137, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

 

Spruch:

gefasst:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Robert D***** wurde des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt, weil er sich von 1997 zumindest bis Feber 1999 in N***** und anderen Orten Österreichs auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt hatte, indem er die Medienwerke ,Das antifa-Handbuch", ,PNO-Nachrichten, Ausgabe 3-4/1998" sowie , Recht und Freiheit, Ausgabe vom 8. Feber 1999" verbreitete, worin durch im Einzelnen angeführte, teilweise auch von ihm selbst verfasste Texte ,dem Programm der NSDAP zugrunde liegendes Gedankengut vertreten und propagiert, die Person Adolf Hitlers glorifiziert und die deutsche Kriegsschuld verneint wird".

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 5, 6, 8 und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Abweisung des Antrages, den Brief einer ,Arbeitsgemeinschaft für Politik", wonach D***** auf Anfrage, ,was mit dem antifa-Handbuch los sei", die Mitteilung erhalten habe, dass er ,von insgesamt 62 Buchhandlungen und Buchdiensten der Einzige sei, der hier verfolgt" werde und die Staatsanwaltschaft Tübingen das ,Handbuch geprüft und keine strafrechtliche Relevanz gefunden" habe, ,zum Akt zu geben" (Bd IV, S 18 f), aus Z 5 zu rügen, steht dem Angeklagten nicht zu (§ 345 Abs 3 StPO), weil die Geschworenen ihren Wahrspruch nur nach den vorgeführten Beweismitteln und der darauf gegründeten Überzeugung ausrichten durften (§ 305 Abs 1 StPO). Als vorgeführt ist ein Schriftstück aber nur dann anzusehen, wenn es in der Hauptverhandlung vorgelesen wurde (§ 302 erster Satz ((§§ 246 Abs 1, 258 Abs 1 zweiter Satz, 322 zweiter Satz)) StPO, Mayerhofer StPO4 § 322 E 1) oder sonst prozessförmig, etwa durch einen resumierenden Bericht des Vorsitzenden, vorgekommen ist (JBl 2000, 605). Dazu kommt, dass das Vorbringen des Angeklagten, - wenn es entgegen seinem Wortlaut als Verlesungsbegehren verstanden wird -, eines Beweisziels ermangelt und ein solches auch nicht unzweifelhaft erkennbar war (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 16 ff). Nachträgliche Erklärungen im Rechtsmittel aber sind unbeachtlich, weil sich der Schwurgerichtshof damit nicht auseinandersetzen konnte. Was die schriftliche Mitteilung eines Ministerialbeamten (Dr. L*****) als Antwort auf das Begehren um strafrechtliche Überprüfung einer gar nicht inkriminierten Schrift (vgl Bd IV, S 53 f) zu Gunsten des Beschwerdeführers bewirken sollte, ließ das dazu angegebene Beweisthema, ,dass hier offenbar auf eine nicht rechtmäßige Weise gegen dieses Buch (gemeint: ,Das antifa-Handbuch") vorgegangen werden soll", nicht erkennen. Dem (unzulässig) ergänzenden Rechtsmittelvorbringen zuwider würde der Betätigungsvorsatz iS des § 3g VerbotsG durch nachträgliches Verhalten von Strafverfolgungsbehörden ohnehin nicht in Frage gestellt. Gleichermaßen unerheblich ist die auf den nicht verlesenen Seiten 94 f dieses Medienwerks vorgenommene Einschätzung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (Bd IV, S 31 f). Schließlich ließ der Antrag auf Vernehmung des Dipl. Ing. S***** ,zum Beweis dafür, dass der Vorwurf, dass Robert D***** im Internet publiziert hat, nicht zutreffend ist", nicht erkennen, über welche sinnlichen Wahrnehmungen, die eine solche Schlussfolgerung ermöglicht hätten, jener berichten hätte sollen; wozu kommt, dass auch dieses Beweisthema keine entscheidende Tatsache berührt, was der Beschwerdeführer letztlich selbst einräumt (,insb Auswirkungen auf die Strafe").

Mit Bezug auf die nicht durchgeführte Vernehmung im Einzelnen aufgeführter weiterer Zeugen mangelt es bereits am Erfordernis einer Antragstellung in der Hauptverhandlung (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 1).

Die Fragenrüge (Z 6) unterlässt es, klarzustellen, welche Umstände (s den auch zur Z 5 genannten Brief einer vom Angeklagten angeschriebenen "Arbeitsgemeinschaft für Politik" über das Ausmaß und die Art der Verbreitung des "antifa-Handbuches") die erst nach der Tathandlung ("Verbreitung des genannten Medienwerkes") dem Angeklagten bekannt wurden, ihm das Unrecht der (vorangehenden) Tat verhüllt, somit eine Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach Rechtsirrtum (§ 9 StGB) verlangt hätten. Das Problem, ob D***** den normativen Gehalt des Tatbildmerkmals "nationalsozialistisch" (vgl 13 Os 43/98) erfasst hat (§ 5 Abs 1 StGB), wurde übrigens ohnehin - durch die Hauptfrage - den Geschworenen zur Beantwortung unterbreitet.

Warum die Anführung von Judikaturbeispielen über als tatbildlich eingestufte Verhaltensweisen die Geschworenen über die gesetzlichen Merkmale des § 3g VerbotsG, die darin vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes oder die Folgen der Bejahung oder Verneinung der Hauptfrage (vgl Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 2) hätte beirren können, legt die Instruktionsrüge (Z 8) prozessordnungswidrig nicht dar; ebensowenig wie den Grund, warum die Rechtsbelehrung sich entgegen § 321 Abs 2 StPO mit der Möglichkeit, an Stelle einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verhängen (§ 37 StGB), hätte auseinandersetzen müssen (vgl auch § 338 StPO).

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) begnügt sich - von gleichfalls unbeachtlichen beweiswürdigenden Erwägungen und isolierter Betrachtung einzelner, aus dem Zusammenhang gelöster Passagen abgesehen - mit der substratlosen Behauptung, der Aussagegehalt der vom Wahrspruch der Geschworenen erfassten Textstellen entspreche nicht nationalsozialistischem Gedankengut und legt nicht dar, weshalb ,Schlussfolgerungen des Angeklagten im Zusammenhang mit einem kritischen Artikel über Weltkapitalismus" oder eine ,persönliche Mitteilung an Freunde und Interessierte des Angeklagten" den Tatbestand des § 3g VerbotsG nicht herstellen könnten (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9 lit a E 6); soweit sie den auch das normative Tatbestandsmerkmal ,im nationalsozialistischen Sinne" erfassenden Vorsatz des Angeklagten in Abrede stellt, geht sie nicht vom Wahrspruch aus. Die rechtliche Beurteilung der Tatbildlichkeit des Medienwerks ,Das antifa-Handbuch" durch einen Zeugen ist schließlich unbeachtlich.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 344 ((§ 285d Abs 1 Z 1 und Z 2)) StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 344 zweiter Satz [§ 285i] StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

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