OGH 9ObA181/01k

OGH9ObA181/01k5.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dila H*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Goldsteiner und Dr. Viktor Strebinger, Rechtsanwaltspartnerschaft KEG in Wr. Neustadt, wegen S 126.675,86 brutto sA (Revisionsinteresse S 105.570,39 brutto sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 2001, GZ 8 Ra 73/01s-31, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. November 2000, GZ 34 Cga 24/00m-25, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.112,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.352,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt.

Am 27. 10. 1999 - im Betrieb der Beklagten herrschte wegen der damals saisonbedingt enormen Arbeitsbelastung eine "besonders stressige und angespannte Atmosphäre" - kam es zwischen der Klägerin und der Geschäftsführerin der Beklagten zu einem Wortwechsel über der Beklagten erteilte Dienstanweisungen. Während dieser Auseinandersetzung "verspürte die Klägerin ein Gefühl im Kopf, als erleide sie einen Migräneanfall". Sie wollte daher nach Hause gehen, "ohne dies" (gemeint offenbar: den Migräneanfall) der Geschäftsführerin mitzuteilen. Diese sagte zur Klägerin: "... wenn Du jetzt gehst, wird das Konsequenzen haben, das ist ein Kündigungsgrund". Darauf antwortete die Klägerin: "Es gibt noch ein Arbeitsgericht oder die Arbeiterkammer" und ging nach Hause. Sie suchte wegen des Migräneanfalls einen Arzt auf, der sie ab 28. 10. 1999 arbeitsunfähig schrieb. Der Steuerberater der Beklagten, dem die Geschäftsführerin von diesem Vorfall noch am 27. 10. 1999 berichtete, erklärte, dies sei ein "frühzeitiger Austritt" der Klägerin, die seiner Erfahrung nach in nächster Zeit einen Krankenstand vortäuschen werde. Am 28. 10. 1999 teilten zunächst der Ehegatte und dann auch die Tochter der Klägerin der Geschäftsführerin der Beklagten den Krankenstand der Klägerin mit. Am 5. 11. 1999 schickte die Klägerin, die sich wegen eines Bandscheibenleidens noch immer im Krankenstand befand, der Beklagten per Telefax Nachweise über ihren Behandlungsverlauf. Am 29. 11. 1999 erhielt die Klägerin ein Schreiben der Beklagten, vom 25. 11. 1999 mit dem ihr die Arbeitspapiere übersendet wurden und der Standpunkt vertreten wurde, die Klägerin sei vorzeitig per 27. 10. 1999 ausgetreten.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Verhalten der Klägerin nicht als vorzeitiger Austritt zu werten und das Arbeitsverhältnis durch das Schreiben der Beklagten vom 25. 11. 1999 beendet worden sei, das in Verbindung mit der Rücksendung der Arbeitspapiere als arbeitgeberseitige Beendigung ohne wichtigen Grund anzusehen sei. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Vorweg ist klarzustellen, dass die Geschäftsführerin der Beklagten am 27. 10. 1999 keine Beendigungserklärung abgegeben hat. Ihr Hinweis auf bevorstehende Konsequenzen und auf den Umstand, dass das Entfernen vom Arbeitsplatz ein Kündigungsgrund sei, ist weder als Entlassungs- noch als Kündigungserklärung zu werten, weil dieser Äußerung nicht mit der für eine Beendigungserklärung erforderlichen Sicherheit zu entnehmen war, dass schon damit - wenn auch unter einer bestimmten Bedingung - die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkt werden sollte. Dies entspricht auch der Rechtsauffassung der Beklagten selbst, die im gesamten Verfahren (und auch in ihrer Revision) ihr Verhalten am 27. 10. 1999 nie als Beendigungserklärung gewertet hat.

Damit ist - wie alle Beteiligten richtig erkannt haben - entscheidend, ob das Verhalten der Klägerin als vorzeitiger Austritt zu werten war.

Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind. Deshalb bestimmt das Gesetz, dass eine konkludente Erklärung nur angenommen werden darf, wenn eine Handlung nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Zur Annahme einer schlüssigen Austrittserklärung darf das Verhalten des Dienstnehmers daher unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles "keinen vernünftigen Grund" übrig lassen, an seiner auf vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen gerichteten Absicht zu zweifeln (§ 863 ABGB; RIS-Justiz RS0014490; SZ 68/218; zuletzt etwa 8 ObA 129/99z und 8 ObA 131/00y).

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass hier das Verhalten der Klägerin nicht völlig eindeutig als Austrittserklärung gewertet werden musste, sondern auch andere Deutungsmöglichkeiten zuließ. Mit dem (richtigen) Einwand der Revisionswerberin, dass ein Arbeitnehmer nicht berechtigt sei, die Arbeit niederzulegen und ohne Angabe von Gründen den Arbeitsplatz zu verlassen, steht dieses Ergebnis nicht in Widerspruch. Daraus kann nämlich nicht gefolgert werden, dass jedes eigenmächtige Verlassen des Arbeitsplatzes als Austritt des Arbeitnehmers zu qualifizieren ist. In vielen Fällen wird ein derartiges Verhalten vielmehr als Entlassungsgrund zu werten sein (§ 82 lit f, GewO 1859 1. Tatbestand; § 27 Z 4 AngG). Ob das hier der Fall war (Migräneanfall!), braucht nicht geprüft zu werden, weil die Geschäftsführerin der Beklagten - wie gezeigt - am 27. 10. 1999 keine Entlassungserklärung abgegeben hat. Jedenfalls ist klar, dass nicht generell gesagt werden kann, dass jeder Arbeitnehmer, der eigenmächtig seinen Arbeitsplatz verlässt, seinen Austritt erklärt.

Das Berufungsgericht hat sich mit seiner Rechtsauffassung ua auch auf Angaben der Geschäftsführerin der Beklagten im Rahmen ihrer Parteienvernehmung gestützt, aus denen mit einiger Berechtigung der Schluss gezogen werden kann, dass diese das Verhalten der Klägerin zunächst gar nicht als Austrittserklärung gewertet hat. Auf diese Angaben der Geschäftsführerin kann allerdings nicht Bedacht genommen werden, weil sie in den erstgerichtlichen Feststellungen keinen Niederschlag gefunden haben. Aus eben diesem Grund kann auch nicht auf Hinweise im Beweisverfahren Rücksicht genommen werden, nach denen möglicherweise noch auch nach dem 27. 10. 1999 über eine Wiederaufnahme der Beschäftigung nach Ende des Krankenstandes gesprochen wurde. Sehr wohl ist aber den Feststellungen zu entnehmen, dass die Beklagte erst am 29. 11. 1999 - also mehr als einen Monat nach dem Vorfall - der Klägerin unter Hinweis auf einen vorzeitigen Austritt bereits am 27. 10. 1999 die Arbeitspapiere übermittelte, was in der Tat zweifelhaft erscheinen lässt, dass die Geschäftsführerin das Verhalten der Klägerin sofort als Austrittserklärung interpretiert hatte.

Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, dass die Klägerin einen Migräneanfall hatte, muss für die hier zu lösende Frage außer Betracht bleiben, weil sie von ihrem Anfall nichts gesagt hat und bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswerts des Verhalten des Erklärenden nur auf Umstände Bedacht genommen werden kann, die dem Erklärungsgegner zu diesem Zeitpunkt bekannt sind.

Zu berücksichtigen ist hingegen, dass sich der Vorfall vom 27. 10. 1999 in einer besonders "stressigen und angespannten" Atmosphäre und im Zuge einer wörtlichen Auseinandersetzung ereignete, wozu noch der Hinweis der Geschäftsführerin auf eine mögliche Arbeitgeberkündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber kommt. Dadurch ist es zwar nicht ausgeschlossen, das Verhalten der Klägerin als Austrittsgrund zu interpretieren. Im Hinblick auf die eben hervorgehobenen Umstände konnte es aber auch im Sinne eines im Zorn und ohne Absicht, das Arbeitsverhältnis zu beenden, erfolgten Weglaufens als Reaktion auf eine Auseinandersetzung gewertet werden, die mit der Ankündigung einherging, eine allfällige arbeitgeberseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinzunehmen. Es kann daher nicht gesagt werden, dass "kein vernünftiger Grund" daran zu zweifeln (§ 863 ABGB) bestand, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis wirklich beenden wollte. Anders wäre dies dann gewesen, wenn die Klägerin auch in der Folge nachrichtenlos nicht am Arbeitsplatz erschienen wäre. Das war aber nicht der Fall:

Vielmehr hat sie bereits am nächsten Tag ihren Krankenstand bekannt gegeben. Unter den gegebenen Umständen waren somit mehrere Deutungen des Verhaltens der Klägerin zulässig, sodass es nicht möglich ist, von einem eindeutigen Erklärungsverhalten iS einer Austrittserklärung auszugehen.

Dass der somit letztlich erst am 29. 11. 1999 - während des Krankenstandes der Klägerin - erfolgten arbeitgeberseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnis ein rechtfertigender Grund fehlt, wird von der Beklagten gar nicht bestritten.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der von der Klägerin verzeichnete dreifache Einheitssatz steht ihr nicht zu. § 23 Abs 9 RATG bezieht sich nur auf das Berufungsverfahren.

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