OGH 9ObA155/01m

OGH9ObA155/01m5.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Ernst Z*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang W. Richter, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 360.853,30 sA (Revisionsinteresse S 80.426,65), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. März 2001, GZ 7 Ra 19/01w-20, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. September 2000, GZ 38 Cga 200/99w-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass unter Einbeziehung des als unbekämpft unberührt bleibenden Zuspruches des Erstgerichtes von S 80.426,65 brutto sA das Urteil des Erstgerichtes insgesamt wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

12.687 (darin S 2.114,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Für das Revisionsverfahren entscheidend ist nur mehr das austrittsabhängige Begehren des Klägers auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung. Nach Mitteilung, dass seine bisherige Position im Rahmen der Unternehmensorganisation aufgelöst werde, hätte man dem Kläger andere Positionen angeboten, die eine Verschlechterung seiner Position nach sich gezogen hätten. Deshalb hätte er ein Angebot auf eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses erstellt. Dieses sei unbeantwortet geblieben. Seine Zukunft sei nicht geklärt gewesen. Er sei von einem Meeting kurzfristig ausgeladen und von weiteren Informationen ausgeschlossen sowie ihm der Zugriff auf notwendige Daten gesperrt worden. Bei einem klärenden Gespräch habe sich keinerlei Kompromissbereitschaft der beklagten Partei gezeigt, sodass der Kläger seinen Austritt berechtigt erklärt habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die bisherige Position des Klägers als Gebietsverkaufsleiter sei aus strukturellen Gründen im Herbst 1999 aufgelassen worden. Die dem Kläger angebotenen Alternativpositionen seien sogar höherrangig, weil österreichweit bezogen und mit selbständiger Tätigkeit ausgestattet gewesen. Der Kläger habe aber dennoch eine Auflösung seines Arbeitsvertrages angestrebt. Aus Gründen der Geheimhaltung vertraulicher Daten sei dem Kläger der Zugang zu den Dateien und auch die Teilnahme am Meeting verwehrt worden. Die von ihm im Zusammenhang mit der angestrebten einvernehmlichen Auflösung gestellten Forderungen seien unannehmbar gewesen. Sein Austritt sei unberechtigt erfolgt.

Festgestellt wurde:

Der Kläger wurde mit 1. 1. 1999 als Gebietsverkaufsleiter für die Bundesländer Steiermark und Kärnten eingestellt. Dem Dienstvertragabschluss lag die familiäre Bindung des Klägers an Graz zugrunde. Sein zunächst befristeter Vertrag wurde mit 1. 7. 1999 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt. Die Leistungen des Klägers waren hervorragend. Sämtliche Ziele in seinem Gebiet Steiermark und Kärnten wurden weit übertroffen. Im September 1999 bemerkte der Kläger insofern eine Veränderung im Unternehmen, als ursprünglich in seiner Kompetenz gelegene Angelegenheiten nicht mehr über ihn abgewickelt wurden, sondern direkt über seinen Vorgesetzten. Dieser teilte dem Kläger am 24. 9. 1999 mit, dass sein Job als Verkaufsleiter aufgelöst sei. Der Vorgesetzte war der Meinung, dass die Gebietsverkaufsleiter nicht ausgelastet seien. Es kam zu Umstrukturierungen, bei denen diese Position überhaupt aufgelassen wurde. Es wurden zwei neue Jobs geschaffen, den Leiter der Expansion österreichweit und der des kaufmännischen Beraters der Shops im Sinne eines Kontrollors. Der Leiter der Expansion wäre nach der dem Kläger abgegebenen Beschreibung für die Standortsuche neuer Shops österreichweit bis zur Eröffnung der Shops zuständig gewesen. Es waren noch 11 Shops zu eröffnen. Nach der Schlüsselübergabe wäre die Verantwortung abzugeben. Was nach Eröffnung der Shops passieren sollte, blieb im Unklaren. Der kaufmännische Berater, dessen Position nach Ansicht seines Vorgesetzten für den Kläger maßgeschneidert gewesen wäre, sollte die Planung, Budgetierung und Deckungsbeitragsrechnung umsetzen. Er wäre im Bereich Shop-Controlling weisungsbefugt gewesen und hätte die Zahlen aufbereiten und die Shopleiter schulen sollen. Er hätte gegenüber den Shopleitern Weisungsbefugnis gehabt. Im Gegensatz dazu war er als Gebietsverkaufsleiter Region Süd für die gesamten Shops in diesem Gebiet verantwortlich und trug auch die gesamte, insbesondere auch disziplinäre Personalverantwortung.

Der Kläger lehnte diese beiden ihm angebotenen Funktionen ab. Der Leiter Expansion kam deshalb nicht in Frage, weil die österreichweite Zuständigkeit mit einer erheblichen Reisetätigkeit verbunden gewesen wäre. Die Funktion des kaufmännischen Beraters wäre zweckmäßigerweise von Wien auszuführen gewesen, zumal die räumliche Nähe zur Verkaufsleitung, Controllingabteilung und zum technischen Ausbau von Shops wichtig ist. Diese Tätigkeit wurde auch in der Folge in einem bundesweiten Medium inseriert. Die Position des Klägers war lediglich in der Kleinen Zeitung annonciert gewesen. Der Kläger, der im Raum Graz bleiben wollte, brachte zum Ausdruck, er würde sich eine neue Arbeit suchen und strebte eine finanzielle Einigung mit der beklagten Partei an, weshalb er einen Vorschlag über die einvernehmliche Auflösung seines Arbeitsverhältnisses und die Bedingungen hiefür erstattete. Für ein für den 5. 10. und 6. 10. 1999 anberaumten Meeting für alle Shopleiter wurde der Kläger von seinem Vorgesetzten mit der Begründung kurzfristig ausgeladen, er hätte zum Kläger keine Vertrauensbasis mehr. Dabei wurden die Forderungen des Klägers kritisiert. Den Mitarbeitern des Klägers wurde mitgeteilt, es gebe den Job des Klägers nicht mehr; der Kläger hätte sich entschlossen, das Unternehmen zu verlassen. Damit waren die Mitarbeiter dem Kläger nicht mehr unterstellt. Der Kläger hatte keine klaren Aufgaben und Anforderungen mehr. Am 7. 10. 1999 wurden dem Kläger überdies wichtige Daten im Zentralrechner ohne Vorankündigung gesperrt, obwohl er es war, der die Dateien in einen funktionstüchtigen Zustand versetzt hatte. Bei einem Gespräch am 12. 10. 1999 in Anwesenheit des Personalleiters und seines Vorgesetzten wurden die finanziellen Forderungen des Klägers abgelehnt und die angegebenen Funktionen diskutiert. Diese lehnte der Kläger ab, weil es sich um keine Linienstellen, sondern um Stabstellen handelte. Eine andere Position wurde nicht diskutiert. Regional gab es auch keine Linienstelle für den Kläger. Die Beklagte wollte, dass der Kläger sich für eine der angebotenen Stabstellen entscheidet. Man gab dem Kläger keine genauere Jobbeschreibung. Es wurden ihm keine Alternativen aufgezeigt, wie es mit ihm weitergehen sollte. Als der Personalleiter wegen des offensichtlichen Scheiterns das Gespräch beenden wollte, übergab der Kläger ein Schreiben, in dem er seinen vorzeitigen Austritt erklärte.

Das Erstgericht sprach dem Kläger die begehrte Kündigungsentschädigung einschließlich der Sonderzahlungen und die Urlaubsentschädigung mit dem Betrag von S 160.853,30 brutto zu und wies das Mehrbegehren des Klägers rechtskräftig ab.

Nach Auffassung des Erstgerichtes habe der Dienstgeber wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt. Wenn auch der klagenden Partei die Umstrukturierung zuzugestehen sei, sei dem Kläger hiedurch jegliche Arbeitsmöglichkeit entzogen worden, sodass er letztlich ohne Funktion dagestanden sei. Die dem Kläger angebotenen Alternativpositionen hätten eine wesentliche Veränderung der Tätigkeit gebracht, für die der Kläger eingestellt wurde und die von seinem Arbeitsvertrag umfasst war. Der Austritt sei daher berechtigt erklärt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und erkannte die beklagte Partei in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils schuldig, dem Kläger nur mehr einen Betrag von S 80.426,65 brutto sA zu zahlen.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass beide Arbeitsvertragspartner ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hätten, welches zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages geführt habe, sodass bei Abwägung der gegenseitigen Verschuldenskomponenten von einem gleichteiligen Mitverschulden auszugehen sei. Die beklagte Partei hätte durch die geradezu überfallsartige Konfrontation des Klägers mit der Tatsache, dass sein Arbeitsplatz aufgelöst sei und das Anbieten einer dem Dienstvertrag jedenfalls hinsichtlich des Dienstortes widersprechenden Funktion den Entschluss des Klägers zur Auflösung des Dienstverhältnisses provoziert. Der Wunsch des Klägers in Graz zu bleiben und einen Dienstortwechsel keinesfalls zu begehren, war für ihn essentiell, was der Beklagten schon aus seiner Bewerbung klar sein musste und dem sie auch bei der Gestaltung des Dienstvertrages Rechnung getragen habe. Die Ablehnung der mit seinem Dienstvertrag in Widerspruch stehenden Alternativpositionen sei daher nicht unberechtigt gewesen. Sein Verschulden liege jedoch darin, dass er, ohne sich auf den Schutz seines Dienstvertrages zurückzuziehen, auf dessen Einhaltung zu bestehen und sich einer allfälligen dienstvertragswidrigen Weisung berechtigterweise zu widersetzen, die Beklagte sofort und unmissverständlich mit seinem Lösungswillen konfrontierte, den er durch offensichtlich nicht annehmbare Bedingungen bekräftigte. Die vom Kläger erhobenen Forderungen seien offensichtlich das auslösende Moment für die nachfolgenden Handlungen der Beklagten, nämlich die Ausladung vom Meeting sowie die Sperre des Zuganges zu betriebswichtigen Daten gewesen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil sich dieser nur darauf bezieht, dass Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 4 zu § 503). Die Überlegungen des Berufungsgerichtes zur Motivation der beklagten Partei zur Ausladung des Klägers vom Meeting und zur Sperre des Datenzugriffes sind nur Schlussfolgerungen ("offensichtlich" Seite 17 des Berufungsurteils) aus vorliegenden Feststellungen im Rahmen der Beurteilung des Mitverschuldens des Klägers am Austritt.

Der Rechtsrüge kommt Berechtigung zu.

Das Anbieten von zwei Alternativstabstellen nach der strukturellen Auflösung der vom Kläger bisher innegehabten Position eines Gebietsverkaufsleiters, nämlich eines "Leiters Expansion" mit österreichweiter Zuständigkeit und erheblicher Reisetätigkeit oder eines "kaufmännischen Beraters", dessen Funktion zweckmäßigerweise von Wien in räumlicher Nähe zur Zentrale zu führen gewesen wäre, standen mit dem Dienstvertrag des Klägers, dem die familiäre Bindung des Klägers an Graz zugrunde lag und sohin mit dem vereinbarten Dienstort in Widerspruch. Die Ablehnung dieser Position durch den Kläger ist ihm daher nicht vorwerfbar. Da dem Kläger die Mitarbeiter nach Auflösung seines "Jobs" nicht mehr unterstellt waren und er keine klaren Aufgaben und Anforderungen mehr hatte, ihm im Rahmen des klärenden Gespräches vom 12. 10. 1999, in dem die angebotenen Positionen diskutiert wurden, keine genauere Jobbeschreibung geboten wurde, aber ihm auch keine Alternative aufgezeigt worden war, war sein Austritt, dessen Berechtigung sowohl die Vorinstanzen erkannten, als auch die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung dem Grunde nach nicht mehr bestreitet, wegen einer unzumutbaren, einseitigen und wesentlichen Änderung der Vertragsgrundlage gerechtfertigt.

Der Meinung des Berufungsgerichtes, dass ein Mitverschulden des Klägers vorgelegen sei, kann allerdings nicht beigetreten werden. Abgesehen davon, dass ein Mitverschulden am Austritt in erster Instanz zumindest in Form eines entsprechenden Tatsachenvorbringens von der beklagten Partei hätte geltend gemacht werden müssen (9 ObA 332/00i), dient die Bestimmung des § 32 AngG über die sogenannte "Culpakompensation" nicht dazu, im Falle eines gerechtfertigten Austritts die den Arbeitgeber treffenden Rechtsfolgen zu mildern (vgl 9 ObA 216/00f).

Da die bisherige Position des Klägers durch die strukturelle Organisationsänderung wegfiel, hätte ihm unabhängig davon, ob überhaupt ein klagbarer Anspruch auf Beschäftigung besteht (SZ 69/252), ein Zurückziehen auf den Schutz seines Dienstvertrages nicht geholfen. Eine Weisung bzw Versetzung war noch nicht erfolgt. Der seinerseits geäußerte Beendigungswille unter unannehmbaren Bedingungen in seinem Anbot für eine einvernehmliche Auflösung ließe wohl die Schuld des Arbeitgebers bei der Sperre des Key Account oder die Ausladung vom Meeting in einem anderen Licht erscheinen. Dies ändert aber nichts an der Vertragswidrigkeit der angebotenen Positionen und der bereits durch Unterlassung der Aufzeigung weiterer Alternativen oder des Hinweises, dass die strukturelle Maßnahme noch gar nicht sicher sei, oder der Klarstellung seiner weiteren Position im Betrieb bestehenden Endgültigkeit des Standpunktes der beklagten Partei und an der bereits gegebenen Erfüllung des Austrittstatbestandes. Das schuldhafte Verhalten der beklagten Partei stand mit einem allfälligen schuldhaften Verhalten des Klägers bei Stellung seines unannehmbaren einvernehmlichen Auflösungsangebotes in keinem Kausalzusammenhang (Kuderna Entlassungsrecht2 76). Es wäre Sache der Beklagten gewesen, was sie in ihrer Revisionsbeantwortung wenn auch verspätet andeutet, die mangelnde Bereitschaft des Klägers, die Alternativposition anzunehmen, mit einer Änderungskündigung zu beantworten. Jedenfalls ist ihre in der Revisionsbeantwortung geäußerte Ansicht, die dem Kläger gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht wurde und wofür auch jegliches Vorbringen in erster Instanz fehlt, dass die Mitteilung des Arbeitgebers, der Posten des Klägers werde eingezogen und ihm ein anderer angeboten, schon eine Änderungskündigung sei, verfehlt.

Für die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers an seinem Austritt war daher keine Grundlage gegeben. Das Ersturteil war sohin wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da das Revisionsinteresse lediglich S 80.426,65 beträgt, mangels einer dem Berufungsverfahren entsprechenden Rechtsgrundlage nicht der dreifache, sondern nur der einfache Einheitssatz zum Tragen kommt (RIS-Justiz RS0115069), ergab sich die im Spruch zum Ausdruck kommende Reduzierung der Revisionskosten.

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