OGH 14Os69/01

OGH14Os69/013.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton L***** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, AZ 6 U 351/98x des Bezirksgerichtes Bregenz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil vom 20. Jänner 1999 (ON 10) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 20. Jänner 1999, GZ 6 U 351/98x - 10, verletzt im Strafausspruch das Gesetz in der Bestimmung des § 43a Abs 2 StGB.

Das im Übrigen unberührt bleibende Urteil wird im Strafausspruch aufgehoben und dem Bezirksgericht Bregenz die Strafneubemessung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit dem in gekürzter Form ausgefertigten, rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 20. Jänner 1999, GZ 6 U 351/98x-10, wurde Anton L*****des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und nach § 43a Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen (bei Bemessung des Tagessatzes mit 30 S und unter Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen) und einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Zutreffend zeigt der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde eine im Strafausspruch gelegene Verletzung des § 43a Abs 2 StGB auf, weil nach gefestigter Judikatur der verbleibende Freiheitsstrafrest zusammen mit der nach § 19 Abs 3 zweiter Satz StGB zu errechnenden Ersatzfreiheitsstrafe sechs Monate übersteigen muss (Mayerhofer StGB5 § 43a E 2, iglS auch Foregger/Fabrizy StPO7 § 43a Rz 3 mwN, Leukauf/Steininger Komm3 § 43a RN 9 f).

Rechtliche Beurteilung

Da eine in der Verletzung des § 43a Abs 2 StGB gelegene Benachteiligung des Verurteilten angesichts der rechnerisch ermittelten "Gesamtstrafe" von nicht mehr als sechs Monaten denkbar ist (vgl 11 Os 32/00), war dem Bezirksgericht Bregenz die Strafneubemessung aufzutragen.

Weil § 292 letzter Satz StPO eine Schlechterstellung des Angeklagten gegenüber der angefochtenen Entscheidung ausschließt, wird es dabei die zu § 290 Abs 2 StPO geltenden Grundsätze des sog Verschlechterungsverbotes zu beachten haben.

Dieses betrifft nicht die Gesamtsanktionslast, sondern jede einzelne Unrechtsfolge - bei in Tagessätzen bemessenen Geldstrafen jeden der Bemessungsaspekte (Anzahl und Höhe der Tagessätze; 12 Os 76/99) -, den Ausspruch bedingter Nachsicht und die Dauer der Probezeit je für sich (JBl 1990, 126 mit zust Anmerkung von Liebscher). Ohne Verletzung des § 290 Abs 2 StPO darf solcherart keine Freiheitsstrafe, gleich welcher Höhe, an die Stelle einer zuvor verhängten Geldstrafe treten, weil jene schon mit Blick auf § 37 StGB die strengere Sanktion darstellt, ist doch eine (an die Stelle einer nur durch die Höchstgrenze von sechs Monaten determinierten Freiheitsstrafe tretende) Geldstrafe nach § 37 StGB - anders als eine solche, die nach § 43a Abs 2 StGB einen genau festgelegten Teil der Freiheitsstrafe vertritt - nach der Rsp originär und unmittelbar auf den Strafzweck hin zu bemessen (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 37 RN 9 f).

Aber auch eine Geldstrafe an Stelle einer Freiheitsstrafe ist nur mit der Maßgabe zulässig, dass die nach § 19 Abs 3 StGB festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe die Höhe der vorangegangenen Freiheitsstrafe nicht übersteigen darf (12 Os 76/92). Dazu zwingt der prozessuale favor defensionis. Denn das verfahrensrechtliche Verschlechterungsverbot geht den materiellrechtlichen Bestimmungen über die Strafbemessung vor, müsste doch ein zum Vorteil des Angeklagten einschreitender Rechtsmittelwerber sonst befürchten, dass (etwa angesichts eines besonders streng festgesetzten Tagessatzes) an diesem letztlich an Stelle der zuvor verhängten Freiheitsstrafe eine deren Höhe übersteigende Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen wird. Die - mit Bedacht normierte - Beschränkung des Verbotes der reformatio in peius auf den Sanktionenbereich (EvBl 1987/197) hat notwendigerweise zur Folge, dass eine Verschlechterung auch dann nicht einzutreten hat, wenn die Strafe angesichts veränderter rechtlicher Unterstellung unterhalb des daraus resultierenden Strafrahmens zu liegen kommt, sodass es des Rückgriffs auf §§ 41 f StGB nur im Fall einer Milderung gegenüber der vorangegangenen Strafe bedarf.

Die in Strafdrohung und konkreter Strafe bestehenden Befugnisgrenzen für die Anwendung der §§ 37, 43a StGB jedoch bleiben von § 290 Abs 2 StPO unberührt, sodass sich die Wiederholung der verfehlten Strafteilung verbietet: Sie verstieße zwar nicht gegen § 290 Abs 2 StPO, wohl aber (erneut) gegen § 43a Abs 2 StGB.

So kommen vorliegend als höchstzulässige Sanktion entweder eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen, von der jedoch mindestens die Hälfte nach § 43a Abs 1 StGB bedingt nachzusehen wäre, oder eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von drei Monaten in Betracht, ohne Anwendung des § 43a Abs 1 StGB als unbedingte Geldstrafe nur eine solche von höchstens 180 Tagessätzen. Der Tagessatz einer allfälligen Geldstrafe darf nicht über dem in § 19 Abs 2 StGB genannten Mindestbetrag festgesetzt werden (SSt 54/53).

Stichworte