OGH 15Os72/01

OGH15Os72/0121.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juni 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas O***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. März 2001, GZ 3 b Vr 10.382/00-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und des Verteidigers Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Andreas O***** wurde der Verbrechen (zu 1.) der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und 3 dritter Fall StGB sowie (zu 2.) des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 21. Dezember 2000 in Wien Kantimat Y*****

1. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, nämlich dadurch, dass er ihr mehrere Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte, sie an der Hand fasste und in ein angrenzendes Zimmer zerrte, dort auf das Bett stieß, sie - nachdem sich beide ausgezogen hatten - umdrehte und auf das Bett drückte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr brutal zwei Finger in den After einführte und diese so hin und her bewegt, dass sie zu bluten begann, ihr zweimal ins Gesicht urinierte und ejakulierte, wobei Kantimat Y***** durch diese Taten in besonderer Weise erniedrigt wurde;

2. mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB), nämlich dadurch, dass er sie bei zwei Fluchtversuchen jeweils von der Türe wegzerrte und ihr neuerlich Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht versetzte, sowie durch die Äußerung, er werde sie umbringen, wenn sie noch einen Fluchtversuch unternehme, verbunden mit der Frage nach dem Geld, fremde bewegliche Sachen, nämlich 770 S, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO. Sie zielt jedoch erfolglos auf die rechtliche Beurteilung der vom Schuldspruch zu Punkt 1. umfassten Tat (bloß) als das Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach "§ 202 StGB".

Der Beschwerde zuwider ist auch die digitale Analpenetration grundsätzlich als eine dem Geschlechtsverkehr gleichzusetzende Handlung anzusehen. Bei jeder (vaginalen, oralen oder analen) Penetration kommt es nämlich - wie das Erstgericht zutreffend ausführt - darauf an, ob sie in Summe der Auswirkungen dem Beischlaf vergleichbar ist, wobei die Intensität und Schwere des Eingriffs und das Ausmaß der Demütigung und der Erniedrigung ausschlaggebend sind (vgl JAB 927 BlgNR 17. GP, 3).

Die Intensität des sexuellen Eingriffs bzw die Gleichwertigkeit der Handlung mit dem Beischlaf ist dabei vor allem aus der Sicht des Opfers zu beurteilen, dessen Recht auf sexuelle Selbstbestimmung die §§ 201 ff StGB schützen. Die besondere, dem Vaginal- sowie dem Anal- und Oralverkehr gemeinsame typische Intensität der sexuellen Inanspruchnahme der Geschädigten kann dabei nicht ausschließlich darin gesehen werden, dass sich der Täter unter unmittelbarem Einsatz seines Geschlechtsteils Befriedigung verschafft, zumal die Beeinträchtigung des Opfers völlig unabhängig von der Befriedigung des Täters zu beurteilen ist. Das für die Sonderstellung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung maßgebliche Merkmale darf sohin - entgegen dem Beschwerdestandpunkt - nicht allein in der notwendigen "Mitwirkung" des männlichen Geschlechtsteiles gesehen werden; vielmehr kommt es auf die besondere "Einwirkung", nämlich die Penetration (hier:) einer unmittelbar neben dem primären Geschlechtsteil gelegenen und damit vergleichbar missbrauchsfähigen Körperöffnung an (13 Os 162/00).

Die Analpenetration stellt einen besonders massiven Eingriff in die Intimspähre dar, und zwar weitgehend unabhängig davon, mit welchem Mittel die - jeweils fallbezogen als geschlechtliche Handlung anzusehende - Penetration erfolgt. Kann doch ein solches Eindringen viel intensivere und unangenehmere Empfindungen bzw auch Schmerzen auslösen als eine Penispenetration, wobei auch nur bei letztgenannter das eigene Schmerzrisiko den Täter von allzu brutalem Vorgehen abhalten kann (vgl Anm von Beclin zu JBl 1997, 403).

Alle diese Erwägungen treffen gerade auf den hier zu beurteilenden Fall zu, bei dem der Beschwerdeführer nach den unbekämpft gebliebenen Urteilsfeststellungen dem Opfer brutal zwei Fingen in den After einführte und diese so stark hin und her bewegte, dass die Frau zu bluten begann (US 3). Entgegen der Beschwerde vermochte der Umstand, dass der Angeklagte vorher seine Hände mit Massageöl eingerieben hatte, die Intensität der sexuellen Inanspruchnahme keineswegs zu mildern.

Unerheblich ist ferner, dass die Frau gegen Bezahlung eines Betrages von 1.500 S zur Gestattung des Analverkehrs bereit gewesen wäre, weil das uneingeschränkte Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch einer Prostituierten zusteht (vgl 12 Os 84/85 ua).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 201 Abs 3 zweiter Strafsatz StGB eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Dabei werte es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, das Geständnis sowie die Zahlung von 10.000 S an das Opfer.

Mit der dagegen ausgeführten Berufung strebt Andreas O***** einerseits die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, andererseits beantragt er deren gänzliche, in eventu teilbedingte (§ 43a StGB) Nachsicht unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit.

Die Berufung ist nur teilweise begründet.

Ihr zuwider hat der Angeklagte nicht aus "Unbesonnenheit" (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) gehandelt. Dieser Milderungsgrund liegt nur dann vor, wenn die Tathandlung auf eine augenblickliche Eingebung zurückzuführen ist, also auf einen Willensimpuls, der aus besonderen Gründen (was in der Berufungsschrift allerdings übergangen wird) der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre (vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 13, Mayerhofer StGB5 Rz 26 je zu § 34 Z 7). Das vom Rechtsmittelwerber hervorgehobene subjektive Empfinden, wonach er "in seiner Arbeit stark sekkiert worden sei und es in der Folge im Lokal 'Klick' gemacht habe" (vgl hiezu SV-Gutachten S 195 ff und 211 ff, 231 ff und 249 ff), stellt fallbezogen keinen der in § 34 Abs 1 Z 7 StGB verlangten "besonderen Gründe" für eine zu berücksichtigende maßgebliche Einschränkung der Willenssteuerung zur Tatzeit dar. Auch unter der Annahme, dass ein behauptetes "Mobbing" am Arbeitsplatz auslösendes Moment für einen "Aggressionsdurchbruch" (S 219 oben) und für den (behaupteten) Willensimpuls zum angelasteten Verhalten gewesen wäre, hätte dieser nach der (bis dahin gegebenen positiven) charakterlichen Beschaffenheit des Täters unschwer unterdrückt werden können, ohne auf die im Urteil festgestellte Weise über das im Etablissement allein anwesende und schutzlose Opfer herzufallen. Aber auch nach Art und Dauer der verübten zwei Verbrechen (die Berufung spricht durchwegs nur von "einem Vorfall") kann dem Berufungswerber der reklamierte Milderungsgrund auf Grundlage einer bloßen "Kurzschlussreaktion" nicht zugute kommen. Hiezu genügt der Hinweis auf die ausführlichen, unbekämpft gebliebenen Urteilsfeststellungen (US 3 f).

Ebenso wenig kann die Bereitschaft der Prostituierten, gegen Bezahlung von 1.500 S einen "Analverkehr" (festgestelltermaßen nicht in der vom Angeklagten durchgeführten Weise) geschehen zu lassen, mildernd sein.

Demgegenüber musste dem Rechtsmittelwerber jedoch die Zahlung von 10.000 S, also eines Drittels des angesprochenen Entschädigungsbetrages (vgl S 253 und Beil ./A zu ON 22) zugute gehalten werden. Des Weiteren ist gemäß § 32 Abs 2 StGB bei Bemessung der Strafe auch auf die zu erwartenden und vorliegend bereits eingetretenen Folgen der aktuellen Taten auf das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen, zumal er - worauf er in einer persönlichen Eingabe (ON 8 des Os-Aktes) sowie im Gerichtstag ausdrücklich hingewiesen hat - als Folge der Verurteilung geschieden wurde und seinen Beamtenposten bei den Wiener Verkehrsbetrieben verloren hat.

In Abwägung der Zahl und des Gewichtes der zum Vorteil des Berufungswerbers vervollständigten Strafzumessungstatsachen sowie unter gebührender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 StGB) erachtet der Oberste Gerichtshof die auf drei Jahre reduzierte Freiheitsstrafe als tatschuld- und unrechtsangemessen. In diesem Umfang war der Berufung daher Folge zu geben.

Hingegen besteht insbesondere aufgrund der vom psychiatrischen Sachverständigen gezeichneten problematischen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten (vgl S 115 ff iVm S 249 ff), ferner wegen der Art der zwei von ihm verwirklichten Verbrechen und des Grades seiner Schuld keine "hohe Wahrscheinlichkeit", dass Andreas O***** künftighin keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Daher ist die zudem beantragte Gewährung gänzlicher (§ 43 Abs 1 iVm § 41 Abs 3 StGB) oder auch nur teilweise bedingter Strafnachsicht (§ 43a Abs 4 StGB) schon aus spezialpräventiven Gründen ausgeschlossen. Überdies stehen diesem Begehren generalpräventive Rücksichten entgegen. Demnach war der Berufung insoweit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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